Entscheidungsstichwort (Thema)

Ablichtung keine wirksame Prozeßvollmacht

 

Leitsatz (NV)

Die Ablichtung der vom Kläger unterzeichneten Originalvollmacht oder der dem Prozeßbevollmächtigten durch Telekopie erteilten Prozeßvollmacht genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen.

 

Normenkette

FGO § 62; VGFGEntlG Art. 3 § 1

 

Verfahrensgang

FG Münster

 

Tatbestand

Die Prozeßbevollmächtigten erhoben für die Kläger und Revisionskläger (Kläger) Klage, ohne eine Vollmacht vorzulegen. Nach einer erfolglosen Aufforderung zur Vollmachtsvorlage setzte der vom Vorsitzenden gemäß § 79 der Finanzgerichtsordnung (FGO) in der damals geltenden Fassung bestimmte Richter (der Berichterstatter) den Prozeßbevollmächtigten mit der im Original mit vollem Namenszug unterschriebenen Verfügung vom 12. März 1990 gemäß Art. 3 § 1 des Gesetzes zur Entlastung der Gerichte in der Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit (VGFGEntlG) für das Einreichen der Vollmacht eine Frist mit ausschließender Wirkung bis zum 17. April 1990 und wies im einzelnen auf die Folgen einer Versäumung dieser Frist hin. Die Verfügung wurde den Prozeßbevollmächtigten ausweislich der Zustellungsurkunde am 14. März 1990 zugestellt.

Mit Schreiben vom 12. April 1990 legten die Prozeßbevollmächtigten die Kopie einer von den Klägern unterschriebenen Prozeßvollmacht gleichen Datums vor. Die Kopie trägt original aufgestempelt die Vermerke "beglaubigte Abschrift" und "Beglaubigt" -- Unterschrift -- "Rechtsanwalt". Mit Schreiben vom 2. April 1991 reichten die Prozeßbevollmächtigten die von den Klägern original unterschriebene Prozeßvollmacht vom 12. April 1990 ein und führten aus, bei dem mit Schriftsatz vom 12. April 1990 übersandten Schriftstück handle es sich um das Original der ihnen an diesem Tag mit Telefax zugegangenen Telekopie der Prozeßvollmacht.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage als unzulässig ab. Es ließ offen, ob es den gesetzlichen Anforderungen entspricht, wenn der Verfahrensbevollmächtigte das Original einer ihm als Telekopie zugegangenen Prozeßvollmacht dem Gericht vorlegt. Im Streitfall könne nicht festgestellt werden, ob das mit Schreiben vom 12. April 1990 vor gelegte Schriftstück das Original oder eine Ablichtung der Telekopie sei. Diese Unklarheit gehe zu Lasten der Kläger.

Mit der Revision rügen die Kläger Verletzung des § 62 Abs. 3 FGO. Der Vollmachtgeber könne die Prozeßvollmacht wirksam durch Telefax erteilen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

Das FG hat die Klage zu Recht als unzulässig abgewiesen. Die Prozeßbevollmächtigten haben innerhalb der ihnen gesetzten Ausschlußfrist dem Gericht keine den gesetzlichen Anforderungen entsprechende Prozeßvollmacht vorgelegt.

1. Nach § 62 Abs. 3 Satz 1 FGO in der im Jahr 1990 geltenden Fassung war die Vollmacht für das finanzgerichtliche Verfahren (§ 62 Abs. 1 Satz 1 FGO) schriftlich zu erteilen.

a) Die Vorlage einer dieser Vorschrift entsprechenden Prozeßvollmacht ist -- anders als im Zivilprozeß -- eine von Amts wegen zu prüfende Sachentscheidungsvoraussetzung (Urteil des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 17. Juli 1984 VIII R 20/82, BFHE 141, 463, BStBl II 1984, 802; BFH-Beschluß vom 21. Mai 1992 V B 234/91, BFH/NV 1993, 661; vgl. nunmehr § 62 Abs. 3 Satz 2 FGO i. d. F. des Gesetzes vom 21. Dezember 1992, BGBl I 1992, 2109, BStBl I 1993, 90). Dies gilt auch, wenn die Bevollmächtigten Rechtsanwälte sind (BFH-Urteile vom 18. Februar 1987 II R 213/84, BFHE 149, 19, BStBl II 1987, 392; vom 13. November 1991 I R 58/89, unter II. 1. a, BFHE 166, 518, BStBl II 1992, 496). Wird eine den gesetzlichen Anforderungen entsprechende Vollmacht nicht innerhalb einer wirksam gesetzten Ausschlußfrist (Art. 3 § 1 Satz 1 VGFGEntlG a. F., § 62 Abs. 3 Satz 3 Halbsatz 2 FGO n. F.) vorgelegt und ist nicht Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren (Art. 3 § 1 Satz 2 VGFGEntlG a. F., § 62 Abs. 3 Satz 4 i. V. m. § 56 FGO), ist die Klage auch dann unzulässig, wenn später eine ordnungsgemäße Vollmacht nachgereicht wird (BFH- Urteile vom 10. März 1988 IV R 218/85, unter I. 1., BFHE 153, 195, BStBl II 1988, 731; in BFHE 166, 518, BStBl II 1992, 496, unter II. 1. b).

b) Die Vollmacht ist grundsätzlich im Original einzureichen; die Vorlage einer Ablichtung genügt in der Regel nicht (BFH- Urteile in BFHE 149, 19, BStBl II 1987, 392; in BFHE 166, 518, BStBl II 1992, 496, unter II. 1. a; BFH-Beschlüsse vom 9. Februar 1988 III R 180/82, BFH/NV 1988, 509; vom 9. Februar 1988 VII B 159/87, BFH/NV 1988, 648; vom 21. Mai 1992 V B 234/91, BFH/NV 1993, 661).

c) Von dem Grundsatz, daß die bei Gericht einzureichende Vollmachtsurkunde eigenhändig unterzeichnet sein muß, hat die Rechtsprechung Ausnahmen zugelassen. So hat es der erkennende Senat in seinem Urteil vom 23. Juni 1987 IX R 77/83 (BFHE 150, 309, BStBl II 1987, 717) als ausreichend angesehen, daß eine Prozeßvollmacht gegenüber dem Gericht durch ein fernmündlich aufgegebenes Telegramm erteilt wird. Der Schriftform wird auch genügt, wenn ein Postamt der Deutschen Bundespost ein Schriftstück fernmeldetechnisch im Telebriefverfahren aufnimmt und als Telekopie dem Gericht auf postalischem Wege zuleitet (BFH-Urteil vom 19. Januar 1989 IV R 21--23/87, BFHE 156, 350, BStBl II 1989, 567), oder wenn der Prozeßbevollmächtigte die ihm vom Kläger durch Telefax erteilte Prozeßvollmacht dem Gericht übersendet (BFH- Urteil vom 15. Juni 1994 II R 49/91, BFHE 174, 394, BStBl II 1994, 763).

d) Legt der Prozeßbevollmächtigte jedoch nicht das ihm zugegangene Original der Telekopie vor, mit der ihm der Kläger Prozeßvollmacht erteilt hat, sondern nur eine Ablichtung davon, genügt dies den gesetz lichen Anforderungen ebensowenig wie die Vorlage einer Ablichtung der vom Kläger unterzeichneten Originalvollmacht. Anders als beim Original der Telekopie handelt es sich bei einer bloßen Ablichtung nicht um dieselbe Urkunde, durch welche die Vollmacht erteilt worden ist (vgl. dazu BFH-Urteil in BFHE 174, 394, BStBl II 1994, 763, unter II. a. E.). Ausnahmen von den grundsätzlichen Anforderungen an die Schriftform können allenfalls insoweit zuzulassen sein, als damit den neuen technischen Nachrichtenübermittlungsverfahren Rechnung getragen wird. Die Voraussetzung ist bei Vorlage einer Ablichtung nicht erfüllt.

2. Die Prozeßbevollmächtigten haben innerhalb der ihnen gesetzten Ausschlußfrist bis zum 17. April 1990 weder die von den Klägern unterzeichnete Originalprozeßvollmacht noch die Original-Telekopie der ihnen durch Telefax erteilten Prozeßvollmacht dem Gericht vorgelegt. Bei dem mit Schreiben vom 12. April 1990 eingereichten Schriftstück handelt es sich nicht um die Original-Telekopie, sondern um eine Ablichtung hiervon. Dies ergibt sich aus den Vermerken "beglaubigte Abschrift" und "Beglaubigt" -- Unterschrift -- "Rechtsanwalt". Diese Vermerke sind nur verständlich, wenn es sich bei dem vorgelegten Schriftstück um eine Ablichtung der Original-Telekopie handelt.

Der Senat ist als Revisionsgericht befugt, ohne Beachtung der in § 118 Abs. 2 FGO enthaltenen Einschränkungen zu prüfen, ob innerhalb der gesetzten Ausschlußfrist eine den gesetzlichen Anforderungen entsprechende Vollmacht als Sachentscheidungsvoraussetzung bei Gericht eingereicht wurde. Insoweit kann der Senat selbst Tatsachenfeststellungen treffen (BFH-Urteil in BFHE 153, 195, BStBl II 1988, 731, unter I. 2. b).

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand haben die Kläger nicht beantragt, sie ist auch nicht von Amts wegen zu gewähren.

 

Fundstellen

Haufe-Index 420144

BFH/NV 1995, 534

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