Leitsatz (amtlich)

1. Hat der Dienstherr eines Beamtenanwärters die vollen Kosten für dessen Teilnahme an einem auswärtigen Lehrgang übernommen, so können die Eltern des Beamtenanwärters über den Kinderfreibetrag nach § 32 Abs. 2 EStG hinaus keinen weiteren Freibetrag nach § 33a Abs. 2 EStG erhalten.

2. Die Kosten für wöchentliche Heimfahrten zu den Eltern sind keine Kosten für die auswärtige Unterbringung.

 

Normenkette

EStG 1965 § 32 Abs. 2 Nr. 2, § 33a Abs. 2

 

Tatbestand

Bei der Veranlagung zur Einkommensteuer für das Jahr 1965 gewährte das FA dem Steuerpflichtigen für den damals 20 Jahre alten Sohn einen Kinderfreibetrag gemäß § 32 Abs. 2 EStG, da der Steuerpflichtige nach seinen Angaben in diesem Jahr die Kosten des Unterhalts und der Berufsausbildung für seinen Sohn getragen habe. Der Sohn war Finanzanwärter und erhielt einen monatlichen Unterhaltszuschuß von 349 DM. Das FA versagte dem Steuerpflichtigen jedoch den Freibetrag nach § 33a Abs. 2 EStG, den der Steuerpflichtige wegen der auswärtigen Unterbringung seines Sohnes für die Zeit des Besuchs der Landesfinanzschule Nordkirchen in den Monaten September bis Dezember des Streitjahrs beantragt hatte. Die Unterbringung in der Finanzschule und die Verpflegung waren kostenlos; außerdem erhielt der Sohn einen täglichen Zuschuß von 1,50 DM als Trennungsentschädigung. Durch die auswärtige Berufsausbildung des Sohnes waren nach den Angaben des Steuerpflichtigen folgende Mehraufwendungen entstanden: Kosten für die wöchentlichen Heimfahrten in Höhe von 200 DM und für zusätzliche Verpflegung, Wäschewaschen und Porto in Höhe von 50 DM.

Auf die Klage des Steuerpflichtigen hob das FG die Einspruchsentscheidung und den angefochtenen Steuerbescheid auf. In den Gründen seines Urteils stellte es fest, daß der Steuerpflichtige einen Anspruch auf den Freibetrag nach § 33a Abs. 2 EStG in Höhe von 400 DM habe.

Die Revision des FA rügt Verletzung geltenden Rechts. Das FA macht geltend, daß es sich bei den Mehraufwendungen nicht um typische Kosten der auswärtigen Unterbringung handelt. Das FG habe sich mit dieser Frage nicht auseinandergesetzt. Das FG habe es zwar dahingestellt gelassen, ob dem Steuerpflichtigen durch die wöchentlichen Heimfahrten des Sohnes nach § 33a Abs. 2 EStG zu berücksichtigende Aufwendungen entstanden seien. Die vom FG berücksichtigten Kosten von 50 DM für zusätzliche Verpflegung, Wäsche und Porto seien jedenfalls keine typischen Kosten, die gerade durch die auswärtige Unterbringung entstanden seien.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision des FA muß zur Aufhebung der Vorentscheidung führen.

Auf die Vorfrage, ob dem Steuerpflichtigen überhaupt ein Kinderfreibetrag nach § 32 Abs. 2 EStG gewährt werden durfte, obwohl der Sohn als Finanzanwärter einen monatlichen Unterhaltszuschuß von 349 DM bezog, braucht an dieser Stelle nicht mehr näher eingegangen zu werden. Wie der Senat in dem zur Veröffentlichung bestimmten Urteil VI R 100/66 vom 2. August 1968 entschieden hat, sind die Unterhaltszuschüsse an Beamtenanwärter nicht in der Weise zweckgebunden, daß der Beamtenanwärter sie in erster Linie zur Bestreitung seines Unterhalts verwenden müßte. Danach kommt es allein darauf an, ob der Steuerpflichtige in dem Streitjahr mindestens vier Monate überwiegend die Kosten des Unterhalts und der auswärtigen Berufsausbildung für den Sohn getragen hat. Diese Voraussetzung ist aber unbestritten nur hinsichtlich der Unterhaltskosten erfüllt.

Erhält ein Steuerpflichtiger wie im Streitfall für seinen Sohn einen Kinderfreibetrag, so hat der Steuerpflichtige nach § 33a Abs. 2 Satz 1 EStG einen Anspruch auf einen weiteren Freibetrag, wenn ihm durch die auswärtige Unterbringung des in der Berufsausbildung befindlichen und unterhaltenen Sohnes zusätzliche Aufwendungen erwachsen sind. Nach dem Urteil des Senats VI 41/61 U vom 26. Januar 1962 (BFH 74, 499, BStBl III 1962, 187) ist zwar nicht erforderlich, daß tatsächlich Aufwendungen in Höhe des Freibetrags (= monatlich 100 DM) entstanden sind; sondern es genügt, daß lediglich überhaupt Mehrkosten entstanden sind. Wie das FA mit Recht geltend macht, sind hier dem Steuerpflichtigen aber überhaupt keine Mehrkosten entstanden. Zu Unrecht hat das FG seine Entscheidung darauf gestützt, daß der Steuerpflichtige Mehraufwendungen von 50 DM für Verpflegung, Wäschewaschen und Porto gehabt habe. Denn es hat dabei übersehen, daß die Kosten für die auswärtige Unterbringung des Sohnes während des Aufenthalts auf der Landesfinanzschule von dieser in vollem Umfang im Rahmen des Ausbildungsplanes der Verwaltung getragen worden sind und daß der Steuerpflichtige dadurch bei den Kosten für den Unterhalt des Sohnes erhebliche Ersparnisse gehabt hat. Der Betrag von 50 DM, den der Steuerpflichtige als Mehraufwendungen angegeben hat und der übrigens lediglich Aufwendungen für den Unterhalt des Sohnes darstellt, liegt erheblich unter dem, was der Steuerpflichtige während dieser Zeit an Aufwendungen für den Unterhalt und die Berufsausbildung des Sohnes ersparte.

Nach dem Sinn und Zweck der typisierenden Gewährung eines zusätzlichen Freibetrages nach § 33a Abs. 2 EStG sollen die Eltern über den Kinderfreibetrag hinaus eine weitere steuerliche Entlastung erhalten, wenn zusätzliche Kosten für die auswärtige Unterbringung entstehen. Die Kosten müssen also gerade die Unterbringung als solche betreffen. Wie Aufwendungen für die Fahrt zu einer auswärtigen Universität keine Kosten in jenem Sinne sind (vgl. das Urteil des Senats VI 144/55 U vom 9. Juli 1958, BFH 67, 346, BStBl III 1958, 407), so können auch die Kosten für Wochenendheimfahrten, wie das FA zutreffend rügt, nicht als Kosten angesehen werden, die für die auswärtige Unterbringung aufgewandt worden sind. Im Urteil VI 219/64 vom 18. Februar 1966 (BFH 86, 39, BStBl III 1966, 386) hat der Senat zwar anerkannt, daß die Wochenendheimfahrten eines verheirateten Arbeitnehmers zur Familie in vollem Umfang Werbungskosten sind. Daraus folgt aber nicht, daß es sich bei den Heimfahrtkosten im vorliegenden Falle um Kosten für die auswärtige Unterbringung handle. Die Heimfahrtkosten liegen vielmehr allein im familiären Bereich und gehören damit zu den Unterhaltsaufwendungen, die durch den dem Steuerpflichtigen bereits nach § 32 Abs. 2 EStG gewährten Kinderfreibetrag abgegolten sind. Soweit solche Fahrtkosten überhaupt anerkannt werden könnten, würden sie im Streitfall auch schon von den oben dargelegten Ersparnissen des Steuerpflichtigen aufgefangen werden.

Das angefochtene Urteil war danach wegen Rechtsirrtums aufzuheben.

Die Sache ist spruchreif. Nach § 126 Abs. 3 Nr. 1 FGO kann der Senat in der Sache selbst entscheiden. Wie bereits dargelegt ist, war davon auszugehen, daß dem Steuerpflichtigen durch die auswärtige Unterbringung seines Sohnes anläßlich des Lehrgangs an der Landesfinanzschule keine Mehrkosten entstanden sind. Dann aber steht ihm der erhöhte Freibetrag nicht zu. Der angefochtene Steuerbescheid und die Einspruchsentscheidung des FA entsprechen dem geltenden Recht. Die gegen sie erhobene Klage war deshalb abzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 68179

BStBl II 1968, 740

BFHE 1968, 241

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