Leitsatz (amtlich)

1. Unterhaltszuschüsse, die einem Beamtenanwärter von seinem Dienstherrn gewährt werden, schließen den Anspruch auf den Kinderfreibetrag nach § 32 Abs. 2 Nr. 2 EStG 1963 nicht aus, wenn der Beamtenanwärter zu den von den Eltern getragenen Kosten seines Unterhalts und seiner Berufsausbildung weniger als die Hälfte beiträgt.

2. Die auswärtige Berufsausbildung des Beamtenanwärters während der Teilnahme an einem vom Dienstherrn durchgeführten Lehrgang gibt keinen Anspruch auf den zusätzlichen Freibetrag nach § 33a Abs. 2 EStG, wenn die Kosten dieser auswärtigen Ausbildung vom Dienstherrn getragen werden (vgl. auch die Urteile des BFH VI R 15/68 und VI R 48/68 vom 2. August 1968, BFH 93, 241, 86).

 

Normenkette

EStG § 32 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a, § 32 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. aa, § 33a Abs. 2

 

Tatbestand

Bei dem Lohnsteuer-Jahresausgleich 1964 versagte das FA dem Steuerpflichtigen den Kinderfreibetrag für den damals 20 Jahre alten Sohn und einen weiteren Freibetrag für dessen auswärtige Unterbringung gemäß § 33a Abs. 2 EStG. Der Sohn befand sich während des ganzen Streitjahrs in der Berufsausbildung als Finanzanwärter und besuchte während der letzten vier Monate die Landesfinanzschule. Er erhielt von der Finanzverwaltung einen Unterhaltszuschuß, der monatlich 323 DM netto betrug.

Zur Begründung seiner Sprungberufung machte der Steuerpflichtige geltend, daß sein Sohn während der Monate April bis Juli den Unterhaltszuschuß voll für sich verwendet habe. Die Kosten für den Unterhalt des Sohns schätze er auf monatlich 350 DM; darin seien enthalten die Aufwendungen für die Verpflegung und Anschaffung von Kleidung, nicht aber die Kosten für ein Zimmer, das er seinem Sohn zur Verfügung gestellt habe. In den übrigen Monaten habe er von seinem Sohn monatlich 125 DM erhalten. Durch die auswärtige Unterbringung seien ihm zusätzlich Aufwendungen für Wäschereinigung, Briefporto, Eßpakete und Heimfahrten entstanden, die er auf monatlich 40 DM schätze.

Die Sprungberufung hatte keinen Erfolg. Das FG war der Auffassung, daß die Finanzverwaltung den Unterhaltszuschuß nicht wie ein Arbeitgeber für geleistete Tätigkeit, sondern mindestens teilweise zur Abdeckung der Kosten für die Ausbildung und den Unterhalt gewährt habe. Ein Kind, das einen solchen Unterhaltszuschuß erhalte, ihn aber nicht für Unterhalt und Ausbildung verwende, werde nicht ausschließlich auf Kosten der Eltern unterhalten und ausgebildet. Damit seien die Voraussetzungen für einen Kinderfreibetrag nach § 32 Abs. 2 EStG auch für die Monate April bis Juli 1964 nicht gegeben. Einen Freibetrag nach § 33a Abs. 2 Satz 1 EStG könne der Steuerpflichtige nicht erhalten, weil sein Sohn im Sinne des § 33a Abs. 1 Satz 3 EStG im Streitjahr Einkünfte von mehr als 1 200 DM gehabt habe, die zur Bestreitung des Unterhalts bestimmt oder geeignet gewesen seien.

Mit der Revision rügt der Steuerpflichtige Verletzung geltenden Rechts. Der Unterhaltszuschuß schließe den Anspruch auf den Kinderfreibetrag nicht aus. Dann aber sei auch der Freibetrag nach § 33a Abs. 2 EStG zu gewähren, weil weitere Aufwendungen entstanden seien.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision ist nur zum Teil begründet.

Das Urteil des FG entspricht nicht den Grundsätzen, die der Senat im Urteil VI 72/63 U vom 10. Januar 1964 (BFH 79, 10, BStBl III 1964, 237) dargelegt hat. Danach steht einem Steuerpflichtigen ein Kinderfreibetrag nach § 32 Abs. 2 EStG zu, wenn er im Kalenderjahr mindestens vier Monate die Kosten für den Unterhalt und die Ausbildung eines über 18 Jahre alten Kindes überwiegend getragen hat. Der Auffassung des FG, die Finanzverwaltung habe diese Kosten mit der Gewährung des Unterhaltszuschusses übernommen, kann nicht begeitreten werden. Es ist in keiner Weise ersichtlich, daß die Unterhaltszuschüsse an Beamtenanwärter mit der ausdrücklichen Weisung gegeben würden, daß sie für den Unterhalt und die Kosten der Ausbildung verwendet werden müssen. Der BFH hat in dem auch vom FG angeführten Urteil IV 276/52 U vom 1. Juli 1954 (BFH 60, 36, BStBl III 1955, 14) eingehend dargetan, aus welchen Gründen Unterhaltszuschüsse an Beamtenanwärter gegeben werden. Die Unterhaltszuschüsse sollen zwar insbesondere die wirtschaftliche Lage der Beamtenanwärter in der Zeit erleichtern, in der sie wegen ihrer Berufsausbildung noch ohne Verdienst sind. Sie werden aber nicht im Hinblick auf die Unterhaltsbedürftigkeit (das Nichtvorhandensein anderer Einkünfte) gegeben, unterliegen der Lohnsteuer und stehen den Beamtenanwärtern zur freien Verfügung. Nach dem Urteil des Senats VI 72/63 U (a. a. O.) kommt es unter diesen Umständen allein darauf an, ob der Beamtenanwärter tatsächlich den überwiegenden Teil der Kosten seines Unterhalts und seiner Berufsausbildung selbst getragen hat oder ob diese Kosten überwiegend von den Eltern getragen worden sind, weil der Beamtenanwärter dazu nichts oder nur einen Teil beigetragen hat.

Der Steuerpflichtige hat nach seinen Angaben gegenüber dem FG von den Kosten für den Unterhalt und die Berufsausbildung des Sohns den Teil getragen, der auf Kost, Logis und Bekleidung entfallen und nicht von dem Sohn getragen worden sei. Er hat diese Aufwendungen aber nicht nachgewiesen, sondern lediglich geschätzt. Der Nachweis solcher Aufwendungen ist auch schwer möglich. Das FG hätte deshalb die Aufwendungen selbst prüfen und schätzen müssen. In den angegebenen Aufwendungen ist ein Taschengeld für den Sohn nicht enthalten. Berücksichtigt man dieses, so kann im Wege der Schätzung der Gesamtaufwand für Unterhalt und Ausbildung des Sohns jedenfalls mit monatlich 350 DM angesetzt werden. Die Angaben darüber, wieviel der Sohn des Steuerpflichtigen monatlich beigesteuert hat, sind schwer nachprüfbar. Das FA hat aber die Angaben des Steuerpflichtigen, sein Sohn habe monatlich - mit Ausnahme von den Monaten April bis Juli - 125 DM beigesteuert, nicht bestritten. Legt man diese Angaben zugrunde, so hat der Steuerpflichtige in mindestens vier Monaten des Streitjahrs die Kosten des Unterhalts und der Berufsausbildung für seinen Sohn überwiegend getragen und damit die Voraussetzung für die Gewährung eines Kinderfreibetrags erfüllt.

Die Vorentscheidung war danach wegen Rechtsirrtums aufzuheben. Nach § 126 Abs. 3 FGO kann der Senat in der Sache selbst entscheiden. Die Sache ist spruchreif. Der Senat hält die Darlegungen des Steuerpflichtigen für glaubhaft und sieht die Voraussetzungen des § 32 Abs. 2 EStG, wie bereits dargelegt, als erfüllt an. Der steuerpflichtige Arbeitslohn von unstreitig 10 447 DM führt danach in Steuerklasse III/1 zu einer Lohnsteuer von 936 DM. Dementsprechend muß das FA den zu erstattenden Betrag neu festsetzen.

Den Freibetrag nach § 33a Abs. 2 Satz 3 in Verbindung mit § 26 Abs. 1 EStG kann der Steuerpflichtige jedoch nicht erhalten. Nach seinen eigenen Angaben sind ihm durch die auswärtige Unterbringung des Sohns in der Finanzschule keine zusätzlichen Aufwendungen entstanden. Der Steuerpflichtige hat zwar zusätzliche Aufwendungen von monatlich 40 DM geltend gemacht; bei ihnen handelt es sich aber nicht um Aufwendungen für die auswärtige Unterbringung des Sohns. Diese wurden vielmehr im vollen Umfang von der Finanzverwaltung getragen. Die von ihm geltend gemachten Kosten sind ausschließlich Kosten des Unterhalts im Sinne des § 32 Abs. 2 Nr. 2 EStG, ihnen stehen wegen der Übernahme der Kosten des Unterhalts durch die Finanzverwaltung während der Zeit der Unterbringung auf der Schule erhebliche Einsparungen an Kosten für den sonst gewährten Unterhalt entgegen. Daß die auswärtige Unterbringung eines Finanzanwärters in einer Finanzschule in der Regel zu keinem weiteren Freibetrag führt, hat der Senat auch in dem Urteil VI R 15/68 vom 2. August 1968 (BFH 93, 241, BStBl II 1968, 740) dargelegt.

 

Fundstellen

Haufe-Index 68217

BStBl II 1968, 817

BFHE 1968, 426

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