Leitsatz (amtlich)

1. § 23 Abs. 4 EStG betrifft nur die Frage, wie der Spekulationsgewinn zu berechnen ist. Für welches Kalenderjahr der Spekulationsgewinn steuerlich erfaßt wird, ist nach § 11 EStG zu beurteilen.

2. Muß ein bereits vereinnahmter Kaufpreis nach Minderung durch den Käufer teilweise wieder zurückbezahlt werden, so ist der Spekulationsgewinn gleichwohl voll im Jahre der Vereinnahmung des Spekulationserlöses zu versteuern, wenn die Rückzahlung erst in ein späteres Jahr fällt.

 

Normenkette

EStG §§ 11, 23 Abs. 4

 

Tatbestand

Streitig ist bei der Einkommensteuerveranlagung 1960 der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), ob bei der Besteuerung von Spekulationsgewinnen eine in einem späteren Veranlagungszeitraum eingetretene Kaufpreisminderung bereits im Jahr der Veräußerung des Kaufgegenstandes und der Bezahlung des Kaufpreises zu berücksichtigen ist.

Die Klägerin erwarb im Jahre 1959 zwei Grundstücke, die sie bebaute und im Jahre 1960 weiterverkaufte. Die Kaufpreise überstiegen die Anschaffungs- und Bebauungskosten beider Grundstücke um insgesamt 26 681 DM. Der Überschuß wurde in der Einkommensteuerveranlagung 1960 als Spekulationsgewinn der Besteuerung unterworfen.

Mit Einspruch und Klage begehrte die Klägerin eine Herabsetzung des Spekulationsgewinns, weil der Käufer eines der Grundstücke im Prozeßwege eine Minderung des Kaufpreises beansprucht habe. Sie sei in erster Instanz unterlegen, habe im Jahre 1963 einen Teil des Kaufpreises zurückzahlen müssen und habe außerdem Aufwendungen für Prozeßkosten gehabt. Diese Beträge seien bei der Errechnung des Veräußerungsgewinns und somit bei der Einkommensteuerveranlagung 1960 zu berücksichtigen. In zweiter Instanz habe sie obgesiegt und daraufhin im Jahre 1965 einen Teil der Rückzahlung wieder erhalten. Diese Einnahmen seien erst 1965 steuerlich zu erfassen.

Einspruch und Klage blieben erfolglos.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) und das FG gingen davon aus, daß sich Minderung und Rückerstattung jeweils in den Jahren des tatsächlichen Zu- und Abflusses des Kaufpreises auswirkten.

 

Entscheidungsgründe

Auch die Revision ist nicht begründet.

Das FG geht mit Recht davon aus, daß der Klägerin im Jahre 1960 der Veräußerungspreis zugeflossen und mit 26 681 DM gemäß §§ 22 Nr. 2, 23 EStG der Einkommensteuer zu unterwerfen ist. In dieser Höhe ist der Kaufpreis nach § 11 Abs. 1 und § 23 Abs. 4 EStG als Spekulationsgewinn, d. h. als Unterschied zwischen dem Veräußerungspreis einerseits und den Anschaffungskosten und den Werbungskosten andererseits anzusetzen.

1. Spekulationsgewinne sind unabhängig davon, ob und nach welcher Rechtsgrundlage sich der Kaufpreis in späteren Veranlagungszeiträumen verändert, im Veranlagungszeitraum des Zuflusses zu versteuern. § 23 Abs. 4 EStG betrifft nur die Frage, wie der Spekulationsgewinn zu errechnen ist. Hierfür ist der tatsächliche Veräußerungspreis maßgebend, gleichgültig, wann und auf welche Weise er zu entrichten ist. Das gleiche gilt für die Frage, ob und in welcher Höhe ein Kaufpreis erzielt werden konnte. Nur insoweit hat eine vom Käufer erklärte Minderung unmittelbare steuerliche Wirkung. Für welches Kalenderjahr dagegen der Spekulationsgewinn steuerlich zu erfassen ist, ist nach § 11 EStG zu beurteilen. Spekulationsgewinne zählen zu den sonstigen Einkünften. Sie unterliegen deshalb den für die Besteuerung der Überschußeinkünfte geltenden Grundsätzen, wie sie sich aus den §§ 2 Abs. 3 Nr. 7, Abs. 4 Nr. 2, 11 EStG ergeben. Dies hat der BFH in seinem Urteil vom 13. April 1962 VI 194/61 U (BFHE 75, 102, BStBl III 1962, 306) für den ratenweisen Zufluß des Kaufpreises bestätigt. Für einen nachträglichen teilweisen Abfluß des erhaltenen Kaufpreises kann nichts anderes gelten.

Auch können Spekulationsgewinne Veräußerungsgewinnen, die bei der Veräußerung wesentlicher Beteiligungen nach § 17 EStG zu versteuern sind, nicht gleichgestellt werden. Der nach § 17 Abs. 2 EStG zu errechnende Veräußerungsgewinn gehört zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb und ist damit den nach § 2 Abs. 3 Nr. 2, Abs. 4 Nr. 1 EStG nach besonderen Grundsätzen zu erfassenden Gewinneinkünften zuzurechnen. Wenn deshalb der RFH in seinem Urteil vom 8. November 1933 VI A 1187/33 (RStBl 1933, 1226) festgestellt hat, daß die Besteuerung des Veräußerungsgewinns zu berichtigen sei, wenn das Veräußerungsgeschäft später und mit Erfolg als nichtig angefochten worden ist oder der Käufer gewandelt oder gemindert hat oder vom Verkauf zurückgetreten ist, so ist dies dadurch gerechtfertigt, daß bei Veräußerung einer wesentlichen Beteiligung auch der Gewinn schon mit dem Abschluß des Vertrages entsteht und nicht erst mit der Bezahlung. Darauf hat der RFH in einer späteren Entscheidung (Urteil vom 30. Oktober 1935 VI A 768/35, Steuer und Wirtschaft 1936 Nr. 215 Sp. 551/552) ausdrücklich hingewiesen. Gerade diese frühzeitige steuerliche Erfassung von Gewinnen aber soll durch § 11 EStG bei der Besteuerung der Überschußeinkünfte verhindert werden, um den Steuerpflichtigen nicht vor Zufluß seiner Einnahmen mit der vollen Steuer und dem Risiko des Kaufpreiseingangs zu belasten.

Auch § 4 Abs. 3 Nr. 2 StAnpG, der bei nachträglichem Wegfall eines Besteuerungsmerkmals eine Berichtigung der Steuerfestsetzung vorsieht, kann an diesem Ergebnis nichts ändern. § 11 EStG schließt seine Anwendung aus (BFH-Urteil vom 13. Dezember 1963 VI 22/61 S, BFHE 78, 477, BStBl III 1964, 184). Das gilt entgegen der Ansicht der Klägerin nicht nur für laufende, sondern auch für einmalige Einkünfte. Denn aus Sinn und Zweck des § 11 EStG ergibt sich nur, daß die Einnahmen dem Steuerpflichtigen im Rahmen einer der Einkunftsarten des § 2 Abs. 3 Nr. 4 bis 7 EStG zugeflossen sein müssen (§ 8 Abs. 1 EStG) und dieser Zufluß die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen stärkt. Ein über diesen - steuerlichen - hinausgehender bürgerlichrechtlicher oder wirtschaftlicher Grund ist nicht erforderlich (so schon RFH-Urteil vom 25. Februar 1931 VI A 604/30, RStBl 1931, 526). Die Erklärung der Minderung durch den Käufer wirkt nur auf den bürgerlichrechtlichen Grund, auf das "Behaltendürfen" der Leistung, ein. Dieses "Behaltendürfen" gehört nicht zu den Voraussetzungen des § 11 EStG. Es kommt hierauf nicht einmal dann an, wenn schon beim Zufluß feststeht, daß die Einnahmen später wieder zurückzuzahlen sind (BFH-Urteil vom 22. November 1963 VI 287/62, HFR 1964, 119, und vom 22. November 1962 VI 179/59 U, BFHE 76, 358, BStBl III 1963, 132). Ist aber allein auf den die Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen im Veranlagungszeitraum stärkenden Einnahmezufluß als solchen abzustellen, so trifft dies auf laufende und einmalige Einkünfte gleichermaßen zu.

2. Stellt es sich später heraus, daß der Steuerpflichtige einen ihm zunächst zugeflossenen Betrag nicht endgültig behalten darf, sondern wieder zurückzahlen muß, so ist das ein Vorgang, der sich - in der Form negativer Einnahmen - im Veranlagungszeitraum der Rückzahlung auswirkt. Die Rückzahlung in einem späteren Veranlagungszeitraum hebt den Zufluß in einem früheren Veranlagungszeitraum nicht wieder auf (BFH-Urteil VI 22/61 S). Aus demselben Grund sind auch rückerstattete Werbungskosten als Zufluß im Zeitpunkt ihrer Erstattung zu behandeln (BFH-Urteil vom 30. Oktober 1964 VI 346/61 U, BFHE 81, 188, BStBl III 1965, 67). Für rückerstattete Kaufpreisrückzahlungen gilt hier dasselbe.

Daß dem Steuerpflichtigen durch die Anwendung dieser Grundsätze möglicherweise Nachteile bei der Anwendung des Einkommensteuersatzes als Folge der Steuerprogression oder der fehlenden tatsächlichen Ausgleichsmöglichkeit negativer Einkünfte in einem späteren Veranlagungszeitraum entstehen können, kann zwar nicht ausgeschlossen werden. Es handelt sich jedoch um Nachteile, wie sie die Abschnittsbesteuerung ihrem Wesen nach mit sich bringen kann.

Darüber hinaus ergeben sich für die Besteuerung von Spekulationsgeschäften keine Besonderheiten. Zwar sieht § 23 Abs. 4 Satz 3 EStG vor, daß Verluste aus Spekulationsgeschäften nur bis zur Höhe des Spekulationsgewinns, den der Steuerpflichtige im gleichen Jahr erzielt hat, ausgeglichen werden können. Muß ein Teil des Gewinnes zurückbezahlt werden, so entsteht dadurch aber kein Spekulationsverlust im Jahr der Rückzahlung: Eine allgemeine Umschreibung des Begriffes "Verlust" ist im Gesetz nicht enthalten. Sein Inhalt ist entsprechend dem Sinn und Zweck des Gesetzes jeweils für den in Betracht kommenden Anwendungsbereich selbständig zu bestimmen. Aus der systematischen Stellung des § 23 Abs. 4 EStG folgt, daß sich ein Verlust aus Spekulationsgeschäften nur bei Errechnung des tatsächlichen Veräußerungspreises ergeben kann. Die Berücksichtigungsfähigkeit von Verlusten im Sinne negativer Einnahmen folgt dagegen unmittelbar aus § 11 EStG. Für einen solchen Verlust sieht das Gesetz ein Ausgleichsverbot nicht vor.

 

Fundstellen

Haufe-Index 70946

BStBl II 1974, 540

BFHE 1974, 348

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