Leitsatz (amtlich)

Ein Grundstückskaufvertrag ist im allgemeinen mit Abgabe der notariellen Vertragserklärungen rechtswirksam abgeschlossen, unabhängig davon, ob Wirksamkeitsvoraussetzungen (u. a. aufschiebende Bedingungen, Zeitbestimmungen, Genehmigungen) erst später eintreten. Ein rechtswirksamer Abschluß setzt allerdings eine Bindung der Vertragspartner voraus.

 

Normenkette

EStG 1977 §§ 7b, 52 Abs. 10

 

Verfahrensgang

Niedersächsisches FG

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist Eigentümerin einer von ihr selbst bewohnten Eigentumswohnung. Sie hatte der früheren Eigentümerin den Kauf der Wohnung mit notarieller Urkunde vom 25. November 1976 angeboten. Die frühere Eigentümerin nahm das Angebot mit notarieller Urkunde vom 8. Dezember 1976 an. Nach dem Inhalt der Teilungserklärung war die Zustimmung des Wohnungsverwalters erforderlich, die am 6. Januar 1977 notariell beglaubigt erteilt wurde. Die Wohnung wurde am 1. Januar 1977 übergeben. Die Auflassung erfolgte am 2. März 1977.

Die Klägerin machte in der Einkommensteuererklärung 1978 eine erhöhte Absetzung nach § 7b des Einkommensteuergesetzes (EStG) 1977 geltend. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) versagte die erhöhte Absetzung, weil der Kaufvertrag bereits vor dem 1. Januar 1977 rechtswirksam abgeschlossen worden sei (§ 52 Abs. 10 EStG 1977, Abschn. 52 Abs. 1 Nr. 3 der Einkommensteuer-Richtlinien - EStR - 1978).

Einspruch und Klage blieben erfolglos. Das Finanzgericht (FG) führte aus (Urteil vom 6. Februar 1981 VI 71/80, Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1981, 621): Die Genehmigung des Wohnungsverwalters habe die Rechtswirksamkeit des Kaufvertrags nicht erst 1977 eintreten lassen. Genehmigungen wirkten auf den Abschluß des Rechtsgeschäfts zurück, soweit nichts anderes bestimmt sei (§ 184 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB -). Dieser Einschränkung der Rückwirkung werde in Abschn. 52 Abs. 1 Nr. 3 EStR 1978 zwar nicht voll Rechnung getragen. Hinsichtlich der Wirkung einer Genehmigung nach § 12 Abs. 1 des Wohnungseigentumsgesetzes (WEG) sei allerdings nichts anderes bestimmt. Das Gericht folge der herrschenden Meinung, daß die Genehmigung die schwebende Unwirksamkeit des Vertrags rückwirkend heile. Sonach sei der Kaufvertrag im Streitfall mit der Genehmigung des Wohnungsverwalters zum 8. Dezember 1976 (Annahme des Kaufangebots durch die Verkäuferin) wirksam geworden. Auch grunderwerbsteuerrechtlich sei der Steuertatbestand vor dem 1. Januar 1977 verwirklicht worden. Art. 97 § 4 des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung (EGAO 1977) greife nicht ein; die Genehmigung nach § 12 WEG sei weder eine Bedingung i. S. des Art. 97 § 4 Nr. 1 EGAO 1977 noch eine behördliche Genehmigung gemäß Art. 97 § 4 Nr. 2 EGAO 1977.

Die Klägerin rügt mit der Revision unrichtige Auslegung des § 52 Abs. 10 EStG 1977: Abschn. 52 Abs. 1 Nr. 3 EStR 1978 sei - wovon auch das FG ausgehe - nur mit Einschränkungen anzuwenden. Die Rechtsnatur der Genehmigung nach § 12 WEG sei nicht abschließend geklärt. Unverständlich sei die Ungleichbehandlung zwischen Einkommensteuer und Grunderwerbsteuer.

Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid 1978 vom 3. Dezember 1979 unter Berücksichtigung negativer Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung von ... DM zu ändern.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Es erwidert: Für die in Abschn. 52 Abs. 1 Nr. 3 EStR 1978 vertretene Auffassung sprächen beachtliche Gründe. Auch ein bedingtes Rechtsgeschäft sei bereits tatbestandlich vollendet. Die rechtlichen Grundlagen stünden unabänderlich fest; es fehle nur noch eine Wirksamkeitsvoraussetzung. Abschlußzeitpunkt und Eintritt der vollen Wirksamkeit könnten auseinanderfallen. Ein obligatorischer Vertrag sei bereits in dem Zeitpunkt rechtswirksam abgeschlossen, in dem feststehe, daß aufgrund dieses Vertrags bestimmte Rechtswirkungen eintreten könnten. Es sei auch nicht anzunehmen, daß die Vertragspartner die vertragliche Bindung bis zur Erteilung der Genehmigung hätten hinausschieben wollen. Hilfsweise sei der Auffassung des FG zuzustimmen. Eine Gleichbehandlung mit der Grunderwerbsteuer sei nicht erforderlich.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

Nach § 7 b Abs. 1 Satz 1 EStG i. d. F. des Gesetzes über steuerliche Vergünstigungen bei der Herstellung oder Anschaffung bestimmter Wohngebäude vom 11. Juli 1977 (BGBl I 1977, 1213 - § 7 b EStG 1977 -) kann auch der Erwerber von im Inland belegenen Einfamilienhäusern, Zweifamilienhäusern oder Eigentumswohnungen die Anschaffungskosten erhöht absetzen. Diese Vorschrift ist jedoch erstmals bei Einfamilienhäusern, Zweifamilienhäusern oder Eigentumswohnungen anzuwenden, die durch einen nach dem 31. Dezember 1976 rechtswirksam abgeschlossenen obligatorischen Vertrag oder gleichstenhenden Rechtsakt angeschafft worden sind (§ 52 Abs. 10 a EStG i. d. F. des Gesetzes vom 11. Juli 1977, § 52 Abs. 10 EStG 1977). Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall nicht vor.

§ 52 Abs. 10 EStG 1977 stellt auf das schuldrechtliche (obligatorische) Grundstücksanschaffungsgeschäft - insbesondere einen Grundstückskaufvertrag - ab. Der Senat schließt sich im wesentlichen der Verwaltungsauffassung in Abschn. 52 Abs. 1 Nr. 3 EStR 1978 an, daß ein solcher Vertrag bereits in dem Zeitpunkt rechtswirksam abgeschlossen ist, in dem er notariell beurkundet worden ist, und dies z. B. auch in den Fällen gilt, in denen der Vertrag einer Genehmigung bedarf (s. schon Schreiben des Bundesministers der Finanzen - BMF - vom 30. September 1977 IV B 1-S 2197-556/77 unter I. Abs. 3, BStBl I 1977, 457). Der Senat folgt nicht der einengenden Auslegung des FG, das nur bei Genehmigungen mit Rückwirkung (§ 184 Abs. 1 BGB) auf den früheren Vertragsabschluß abstellen möchte (ähnlich Urteil des FG Hamburg vom 17. Oktober 1980 VI 100/79, EFG 1981, 121; Urteil des FG Düsseldorf vom 23. Oktober 1980 VI/I 822/78 E, EFG 1981, 170). Eine Ausnahme ist allerdings - abweichend von der Verwaltungsauffassung - für den Fall zu machen, daß die Vertragserklärungen für die Vertragsparteien zunächst nicht bindend sind.

Ein Vertrag, durch den die Verpflichtung begründet wird, das Eigentum an einem Grundstück zu übertragen und zu erwerben, bedarf der notariellen Beurkundung (§ 313 Satz 1 BGB). Entsprechendes gilt für die Verpflichtung zur Übertragung und zum Erwerb von Wohnungseigentum (§ 4 Abs. 3 WEG). Solche Verträge kommen durch die notarielle Beurkundung der Erklärungen der gleichzeitig anwesenden Vertragsparteien oder, wenn wie im Streitfall Angebot und Annahme getrennt erklärt werden, mit der notariellen Beurkundung der Annahme zustande (§ 152 Satz 1 BGB). Damit ist der obligatorische Vertrag über den Erwerb des Grundeigentums im allgemeinen rechtswirksam abgeschlossen - hier am 8. Dezember 1976 -. Die Vertragspartner sind gebunden und können sich nicht mehr einseitig aus dieser Bindung lösen. Rechtswirksam abgeschlossen ist auch ein Vertrag, der erst nach Eintritt einer aufschiebenden Bedingung (§ 158 Abs. 1 BGB), nach Ablauf einer Frist (§ 163 BGB), nach Erteilung der Genehmigung eines Dritten (§ 184 Abs. 1 BGB) oder einer behördlichen Genehmigung wirksam werden soll. Der Vertragsabschluß ist auch in diesen Fällen bindend, unbeschadet dessen, daß er insgesamt oder in gewissen Beziehungen erst später - sei es ex tunc oder ex nunc - Rechtswirkungen entfaltet. § 52 Abs. 10 EStG 1977 spricht von dem "rechtswirksam abgeschlossenen" Vertrag. Diese Formulierung macht deutlich, daß der Vertrag nicht schon beim Abschluß in jeder Beziehung rechtswirksam sein müßte. Bedingung, Zeitbestimmung und Genehmigung sind Wirksamkeitsvoraussetzungen, d. h. Erfordernisse, die außerhalb des Geschäftsakts (Vertragsabschlusses) liegen (Larenz, Allgemeiner Teil des deutschen Bürgerlichen Rechts, 5. Aufl. 1980, S. 284). Insbesondere die Genehmigung (als Unterfall der Zustimmung) ist ein ergänzendes Rechtsgeschäft zu dem (auf den Vertragserklärungen beruhenden) Hauptrechtsgeschäft (Staudinger/Dilcher, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 12. Aufl. 1980, § 182 Rz. 8). Sie Bedarf - anders als das obligatorische Hauptrechtsgeschäft (§ 313 Satz 1 BGB) - keiner notariellen Beurkundung (§ 182 Abs. 2 BGB).

Es wird eingewandt, in § 52 Abs. 10 EStG 1977 sei das Wort "rechtswirksam" überflüssig, wenn auf den Vertragsabschluß abzustellen sei. Indessen wird hierdurch zum Ausdruck gebracht, daß der Vertragsabschluß für die Partner bindend sein muß. Eine solche Bindung kann trotz Abgabe der Vertragserklärungen vorerst fehlen, z. B. im Falle eines Kaufs auf Probe oder eines Vertragsabschlusses durch einen Vertreter ohne Vertretungsmacht. In diesen Fällen ist der Vertrag rechtswirksam (bindend) erst abgeschlossen, wenn der Kaufgegenstand die Billigung des Probekäufers findet (§ 495 BGB) oder vom Vertretenen genehmigt wird (§§ 177, 178 BGB).

Sonach kommt es entgegen der Auffassung des FG nicht darauf an, ob ein schwebend unwirksamer Grundstückskaufvertrag durch die Genehmigung eines Dritten oder einer Behörde ex tunc oder ex nunc geheilt wird. Es braucht nicht dazu Stellung genommen zu werden, ob die vom Wohnungsverwalter am 6. Januar 1977 erteilte Genehmigung den schwebend unwirksamen Kaufvertrag vom 25. November/8. Dezember 1976 rückwirkend zum 8. Dezember 1976 oder erst am 6. Januar 1977 in Wirkung setzte (eine Rückwirkung verneinend Weitnauer/Wirths, Wohnungseigentumsgesetz, 5. Aufl. 1974, § 12 Anm. 6; bejahend u. a. Baur in Soergel, 11. Aufl. 1978, § 12 WEG Anm. 12; nicht eindeutig Bärmann/Pick/Merle, Wohnungseigentumsgesetz, 4. Aufl. 1980, § 12 Anm. 41).

Die Maßgeblichkeit der bindend abgegebenen Vertragserklärungen entspricht Sinn und Zweck des § 52 Abs. 10 EStG 1977. Die Ausdehnung des § 7 b EStG auf Erwerbsfälle wurde durch das Gesetz vom 11. Juli 1977 (a. a. O.) rückwirkend zum 1. Januar 1977 eingeführt. Es wurde davon abgesehen, zeitlich nach dem Erwerbsvorgang abzugrenzen. Der Grundstücksmarkt sollte vielmehr dadurch belebt werden, daß auch Steuerpflichtigen, die sich zum Erwerb von Gebäudeeigentum entschlossen, die erhöhten Absetzungen gemäß § 7 b EStG zugestanden wurden. Maßgeblich sollte der Investitionsentschluß (Kaufentschluß) sein. Außerdem sollte ein praktikables Abgrenzungskriterium gefunden werden (Bericht des Finanzausschusses des Deutschen Bundestags, BTDrucks 8/463, 3). Diesen Gesichtspunkten entspricht am ehesten eine Auslegung, die auf den für die Vertragsparteien bindenden Vertragsabschluß abstellt. Hierdurch wird auch vermieden, daß langanhaltende Schwebezustände einer abschließenden steuerlichen Beurteilung entgegenstehen.

Eine Gleichstellung mit der grunderwerbsteuerrechtlichen Behandlung ist nicht geboten. Das durch Art. 3 des Gesetzes vom 11. Juli 1977 (a. a. O.) eingeführte Gesetz zur Grunderwerbsteuerbefreiung beim Erwerb von Einfamilienhäusern, Zweifamilienhäusern oder Eigentumswohnungen (GrEStEigWoG) hat eine Übergangsvorschrift, die anders als § 52 Abs. 10 EStG 1977 gefaßt ist. Die Grunderwerbsteuerbefreiung ist gemäß § 5 GrEStEigWoG erstmals auf Erwerbsvorgänge anzuwenden, die nach dem 31. Dezember 1976 verwirklicht worden sind. Diese Bestimmung ist nach dem Urteil des II. Senats des Bundesfinanzhofs vom 30. Oktober 1979 II R 142/78 (BFHE 131, 399, BStBl II 1980, 754) dahin zu verstehen, daß die Grunderwerbsteuerpflicht für den abgeschlossenen Grundstückskaufvertrag entstanden sein muß; dies setzt auch die Erteilung der erforderlichen Genehmigungen voraus. Eine solche anderweite Abgrenzung war sachgerecht. § 52 Abs. 10 EStG 1977 sollte den Beginn einer neu eingeführten Begünstigung festlegen. § 5 GrEStEigWoG hingegen sollte auch abgrenzend gegenüber bereits vorhandenen landesrechtlichen Grunderwerbsteuerbegünstigungen wirken. In einem solchen Fall ist es zweckmäßig, auf die Entstehung der Steuerschuld abzustellen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 74252

BStBl II 1982, 390

BFHE 1982, 300

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