Entscheidungsstichwort (Thema)

Umsatzsteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Frage des Leistungsaustausches zwischen dem Herausgeber einer Zeitschrift und dem sie herstellenden Verlag.

Umlagen zur Finanzierung einer Zeitschrift können Entgelte für ihre Lieferung oder nichtsteuerbare Mitgliederbeiträge darstellen.

 

Normenkette

UStG § 1 Ziff. 1, § 5/1/1; UStDB § 10; UStG § 10/1

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Stpfl.), ein eingetragener Verein, verfolgt den Zweck, "Verkehrsunfälle zu verhüten, die Verkehrssicherheit zu fördern, Verkehrserziehung zu betreiben und die Behörden auf diesen Gebieten zu beraten" (§ 2 der Satzung). Er erstrebt keinen Gewinn, sondern betätigt sich ausschließlich und unmittelbar gemeinnützig (§ 3 der Satzung). Ordentliche Mitglieder des Stpfl. sind die Landesverkehrswachten sowie interessierte Körperschaften, Verbände und Organisationen; als fördernde Mitglieder können natürliche und juristische Personen aufgenommen werden (§ 5 der Satzung).

Zur Durchführung des Vereinszwecks werden Verkehrserziehungswochen und Filmvorführungen veranstaltet, Plaketten für unfallfreies Fahren verliehen und Broschüren zur Erziehung im Straßenverkehr verteilt. Dem Vereinszweck dient außerdem eine Monatszeitschrift, die sich als "Organ aller Verkehrswachten im Bundesgebiet und in Westberlin" bezeichnet und als Herausgeber den Stpfl. angibt. Die redaktionelle Bearbeitung der Zeitschrift obliegt dem Stpfl. mit eigenen Kräften unter eigener Verantwortung. Herstellung, Versand und Vertrieb der Zeitschrift sowie Werbung und Verwaltung der Anzeigen und etwaiger Abonnements werden (seit 1957) vom Verlag besorgt.

Die Finanzierung der Zeitschrift vollzieht sich wie folgt: Der Verlag gibt dem Stpfl. monatlich seine Kosten auf. Von der Kostensumme zieht er einen bestimmten Betrag aus dem Erlös des Anzeigengeschäfts ("garantiert" ... DM je Anzeigenseite für die ersten vier Anzeigenseiten = ... DM, bei etwaigen weiteren Anzeigenseiten ... DM je Anzeigenseite) sowie ... v. H. der Abonnentenerlöse ab (Gutschrift für Stpfl.). Der verbleibende Betrag wird binnen zwei Wochen vom Stpfl. an den Verlag überwiesen. Der Stpfl. bestreitet einen Teil dieser monatlichen Zahlungen aus einer Umlage, die er von den Landesverkehrswachten für die an ihre Mitglieder ausgegebenen Zeitschriften nach der Zahl ihrer Mitglieder erhebt (sog. "Bezieheranteile" von ... Pfennig je Mitglied). Es hat sich bei dieser Abrechnungsmethode in allen in Streit befindlichen Veranlagungszeiträumen ein Unterschuß ergeben, der dem Stpfl. vom Bundesverkehrsministerium ersetzt worden ist.

Streitig ist, ob der Stpfl.

mit den ihm "gutgeschriebenen" Erlösen aus dem Anzeigen- und Abonnentengeschäft,

mit den "Bezieheranteilen" der Umsatzsteuer zu unterwerfen ist.

Der Beklagte und Revisionskläger (FA) erblickte in den streitigen Beträgen Entgelte für steuerpflichtige Leistungen und zog sie zur Umsatzsteuer heran. Der hiergegen eingelegte Einspruch blieb erfolglos. Dagegen stellte das FG den Stpfl. von der Umsatzsteuer frei, weil es in beiden Fällen an einer entgeltlichen Leistung des Stpfl. fehle.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. des Vorstehers des FA, die nach dem Inkrafttreten der FGO als Revision zu behandeln ist (§ 184 Abs. 2, §§ 115 f. FGO), hat keinen Erfolg.

Voraussetzung für die Annahme eines steuerbaren Umsatzes ist u. a., daß ein Leistungsaustausch vorliegt. Es muß einer Leistung eine Gegenleistung gegenüberstehen und beide müssen in einem unmittelbaren Zusammenhang miteinander stehen.

Als Leistung des Stpfl. gegenüber dem Verlag kommen die Beschaffung von Text und Bild außerhalb des Anzeigenteils der Zeitschrift, ihre redaktionelle Bearbeitung und die Tätigkeit als Herausgeber in Betracht. Die Gegenleistung des Verlages bestünde in der Gutschrift von Erlösteilen aus dem Anzeigen- und Abonnentengeschäft. Es fehlt jedoch an dem erforderlichen unmittelbaren Zusammenhang zwischen Leistung und Gegenleistung. Der Wille der Vertragspartner geht nicht dahin, dem Stpfl. für seine Tätigkeit bei der Gestaltung der Zeitschrift ein Honorar zu gewähren, sondern dahin, die Kosten des Verlages bei der Herstellung und beim Vertrieb der Zeitschrift, die der Stpfl. zu erstatten hat, herabzusetzen. Es soll auf diese Weise der Zuschuß des Stpfl. an den Verlag - gleichgültig, ob man ihn als zusätzliches Entgelt zu einem fremden Umsatz, als eigenes Leistungsentgelt oder als echten Zuschuß ansieht - verringert werden. Dann aber kommt den Gutschriften des Verlages lediglich die Bedeutung von Verrechnungsposten zu.

Zutreffend hat das FG die Leistungen jedes Vertragspartners umsatzsteuerrechtlich nicht in solche für den Anzeigenteil und solche für den übrigen Text- und Bildteil aufgespalten, sondern beide Teile als Ganzes gesehen, weil sie wirtschaftlich eng miteinander verflochten sind und sich gegenseitig bedingen. Dies steht nicht zu der Rechtsprechung des BFH in Widerspruch, nach der das Anzeigengeschäft im Rahmen der Vereinszeitschrift eines nach § 4 Abs. 1 Ziff. 6 KStG von der Körperschaftsteuer befreiten Vereins in der Regel einen besonderen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb im Sinne von § 6 der Gemeinnützigkeits-Verordnung (GemV) bildet (vgl. BFH-Urteil I 34/61 U vom 28. November 1961, BFH 74, 192, BStBl III 1962, 73). Die Unterhaltung eines "wirtschaftlichen Geschäftsbetriebes" führt zur Körperschaftsteuerpflicht von Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen, die sonst auf Grund einer speziellen Befreiungsvorschrift von der Körperschaftsteuer befreit wären. Das Vorliegen eines "Leistungsaustausches" ist eine der Grundvoraussetzungen für die Steuerbarkeit eines Umsatzes. Beide Begriffe haben nichts miteinander gemein. Daraus, daß der Begriff "wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb" (§ 6 Abs. 2 GemV) dem Unternehmerbegriff (§ 2 Abs. 1 UStG) nachgebildet ist, kann für den vorliegenden Fall - entgegen der Ansicht des FA - nichts hergeleitet werden, weil nicht die Unternehmereigenschaft des Stpfl., sondern das Vorliegen eines Leistungsaustausches streitig ist. Betrachtet man aber den Anzeigenteil und den Text (Bild)teil der Zeitschrift für die Frage des Leistungsaustausches als Ganzes, so fehlt es an einer Gegenleistung des Verlages an den Stpfl., weil der Verlag im Gesamtergebnis an den Stpfl. kein Entgelt gezahlt, sondern umgekehrt von ihm einen Zuschuß erhalten hat.

Die Heranziehung der von den Verkehrswachten erhobenen Umlagen zur Umsatzsteuer ist ebenfalls davon abhängig, ob ein Leistungsaustausch - in diesem Falle zwischen dem Stpfl. und den Landesverkehrswachten - stattfindet. Es fragt sich, ob die Zahlungen der Landesverkehrswachten nichtsteuerbare Mitgliederbeiträge oder Sonderentgelte für die Lieferung der Vereinszeitschrift darstellen. Während das FA unter Hinweis auf die Kennzeichnung der Umlagen als "Bezieheranteile" einen engen Zusammenhang zwischen den Zahlungen und dem Bezug der Zeitschrift für gegeben hält, erblickt das FG in den Umlagen Beiträge zur Erfüllung des satzungsmäßigen, über die Einzelinteressen der Mitglieder hinausgehenden Gemeinschaftszwecks des Stpfl. Das Handeln der Beteiligten sei nicht auf Leistungsaustausch, sondern auf Leistungsvereinigung gerichtet. Gemeinsames Ziel des Stpfl. und der auf der Landesebene tätigen Organisationen der Verkehrswacht sei die Förderung der Verkehrssicherheit.

Die umsatzsteuerrechtliche Würdigung der Beziehungen des Stpfl. zu den Landesverkehrswachten durch das FG ist in Anbetracht der besonderen Umstände des Falles nicht zu beanstanden. Die Umlage richtet sich nicht nach der Zahl der überlassenen Zeitschriften, sondern nach der Mitgliederzahl der Landesverkehrswachten. Wenn auch beide Zahlen im allgemeinen übereinstimmen werden, so zeigt die Handhabung jedenfalls, daß der Bezeichnung "Bezieheranteil" eine besondere Bedeutung nicht zukommt. Der Stpfl. und seine ordentlichen Mitglieder, die Landesverkehrswachten, erfüllen gemeinsam Aufgaben, die in erster Linie den Staat betreffen, weshalb sie auch vom Staat weitgehend finanziert werden. Die Verteilung der Vereinszeitschrift ist ein Mittel zur Erreichung des Vereinszwecks. Sie fördert nicht - wie es sonst die Regel ist - Sonderinteressen oder Gruppeninteressen der Bezieher, sondern ein wichtiges Teilgebiet der allgemeinen Daseinsvorsorge, die Sicherheit des Straßenverkehrs. Hierin unterscheidet sich der Streitfall von dem vom FA angeführten Fall des BFH-Urteils V 134/59 U vom 12. April 1962 (BFH 74, 703, BStBl III 1962, 260), in dem nicht Allgemeinbelange, sondern Sonderinteressen der Abnehmer den Ausschlag geben. Es bestehen daher keine Bedenken dagegen, daß das FG einen Leistungsaustausch zwischen dem Stpfl. und den Landesverkehrswachten nicht als gegeben angesehen und die Umlage als einen nicht steuerbaren Beitrag der Mitglieder des Stpfl. zur Erzielung des allgemeinen Vereinszwecks beurteilt hat.

Die Revision des FA war daher mit der Kostenfolge aus § 135 Abs. 2 FGO als unbegründet zurückzuweisen.

 

Fundstellen

BStBl III 1967, 502

BFHE 1967, 529

BFHE 88, 529

StRK, UStG:1/1 R 433

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