Leitsatz (amtlich)

1. Hat es eine ausländische Kapitalgesellschaft vertraglich übernommen, einen Gesangsstar sowie dessen Orchester und Sängerinnen für eine Veranstaltung einer inländischen Kapitalgesellschaft "zur Verfügung zu stellen", so hat die inländische Gesellschaft von der geschuldeten Vergütung keinen Steuerabzug vorzunehmen.

2. Der ausländischen Kapitalgesellschaft kann auch unter Berücksichtigung der sog. isolierenden Betrachtungsweise weder die von dem Gesangsstar ausgeübte Tätigkeit als Künstler zugerechnet werden noch kann sie als Kapitalgesellschaft Einkünfte aus selbständiger Arbeit erzielen (Bestätigung des BFH-Urteils vom 20. Februar 1974 I R 217/71, BFHE 111, 503, BStBl II 1974, 511).

 

Normenkette

EStG § 50a Abs. 4 Buchst. a, Abs. 5, § 49 Abs. 1, § 18; EStDV §§ 73e, 73g

 

Verfahrensgang

Hessisches FG

 

Tatbestand

Die Sache befindet sich im zweiten Rechtsgang.

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine GmbH mit Sitz im Inland, ist die Rechtsnachfolgerin der ..., die aus der ... und diese wiederum aus der S hervorgegangen ist. Die S hatte im November 1970 eine ... tagung veranstaltet. Dazu hatten lediglich geladene Gäste Zutritt, in erster Linie die ... und deren Ehefrauen. Die S hatte durch Vertrag ohne Datum mit der M, einer Kapitalgesellschaft mit Sitz in der Schweiz, vereinbart, daß bei ihrer Veranstaltung die Sängerin X sowie deren Orchester (sechs Musiker) und Sängerinnen (drei) auftreten sollten. Als Honorar waren 30 000 DM netto vereinbart worden, zuzüglich Reise- und Transportkosten (insgesamt 8 314 DM). Von diesen Beträgen wurden im November 1970 das Honorar (28 000 DM) und die Reise- und Transportkosten (6 664 DM) an die M, 2 000 DM an den künstlerischen Betreuer der X und 1 650 DM Umsatzsteuer an den Zustellungsbevollmächtigten der M im Inland gezahlt.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt -- FA --) forderte durch Haftungsbescheid vom 14. Dezember 1971 von der S gemäß § 50 a Abs. 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG) i. V. m. § 73 g der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) "17,74 v. H. (Abschn. 227 c EStDV) von 38 314 DM = 6 796,90 DM" und bat um "unverzügliche Zahlung einschließlich der verwirkten Säumniszuschläge".

Der gegen den. haftungsbescheid eingelegte Einspruch blieb erfolglos. Auf die Klage hob das Finanzgericht (FG) den Haftungsbescheid und die Einspruchsentscheidung auf.

Der Senat hob durch Urteil vom 3. August 1977 I R 215/74 die Entscheidung des FG wegen mangelnder Sachaufklärung auf. Zur Feststellung, daß nicht die X, sondern M Einkünfte erzielt habe, hätte es der Prüfung des vollständigen Vertrages zwischen der S und der M bedurft. Hinsichtlich einer steuerlichen Anerkennung der Zwischenschaltung der M seien die bestehenden vertraglichen und gesellschaftsrechtlichen Beziehungen zwischen der X und der M festzustellen und rechtlich zu würdigen.

Das FG gab im zweiten Rechtszug der Klage wiederum statt. Die Voraussetzungen für eine Inanspruchnahme der Rechtsvorgängerin der Klägerin als Haftungsschuldnerin (§ 50 a Abs. 4 Buchst. a, § 49 Abs. 1 Nrn. 2--4, § 50 a Abs. 5 EStG) durch Haftungsbescheid (§ 73 g EStDV) lägen nicht vor.

Mit der vom FG zugelassenen Revision rügt das FA Verletzung materiellen Rechts (§ 50 Abs. 4 Buchst. a, § 49 Abs. 1 Nr. 3 EStG, Art. 12 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der französischen Republik zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und über gegenseitige Amts- und Rechtshilfe auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen sowie der Gewerbesteuern und Grundsteuern vom 21. Juli 1959 i. d. F. des Revisionsprotokolls vom 9. Juni 1969, BGBl II 1970, 717 -- DBA-Frankreich --).

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA ist unbegründet.

Das FG hat den angefochtenen Haftungsbescheid und die Einspruchsentscheidung zu Recht aufgehoben. Die Klägerin haftet nicht als Schuldnerin für den Steuerabzug.

1. Die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Inanspruchnahme der Klägerin als Haftende sind nicht erfüllt.

Gemäß § 50 a Abs. 4 Buchst. a EStG wird bei Einkünften aus der Ausübung oder Verwertung einer Tätigkeit als Künstler die Einkommensteuer bei beschränkt Steuerpflichtigen im Wege des Steuerabzugs erhoben. § 50 a Abs. 4 Buchst. a EStG verweist hinsichtlich der dort genannten Einkünfte auf die in § 49 Abs. 1 Nrn. 2--4 EStG aufgeführten Einkünfte. Einkünfte aus einer Tätigkeit als Künstler (§ 50 a Abs. 4 Buchst. a EStG) unterliegen daher dem Steuerabzug, wenn die erzielten Einkünfte zu den inländischen Einkünften im Sinne der beschränkten Steuerpflicht (§ 49 Abs. 1 Nrn. 2--4 EStG) zählen. Den Steuerabzug hat der Schuldner der Tätigkeitsvergütung vorzunehmen (§ 50 a Abs. 5 EStG; § 73 e EStDV); unter bestimmten Voraussetzungen kann die Steuer durch Haftungsbescheid von ihm angefordert werden (§ 73 g EStDV).

Das FG hat den Vertrag zwischen der Klägerin und der M ohne Rechtsfehler ausgelegt. Es begegnet keinen Bedenken, allein die M als Gläubigerin der Vergütung für das Auftreten der X und ihrer Begleitung anzusehen. Diese Auffassung wird insbesondere durch die Vereinbarungen in Art.... des Vertrages bestätigt. Danach stellte M "den ... Star" X "für einen Galaabend ... zur Verfügung"; die Begleitung der X (Musiker, Sängerinnen, Regisseur usw.), die Dauer ihres Auftritts, die Zahlung der Umsatzsteuer sowie die der Reisekosten waren im einzelnen festgelegt. Diese Vereinbarungen machen deutlich, daß die M der Klägerin den Auftritt der X in seiner Gesamtheit "verkauft" und die Leistungen der X und ihrer Begleitung "zur Verfügung" zu stellen hatte. Die M erhielt das vereinbarte (Gesamt-)Entgelt für diese Leistungen nicht für die Ausübung einer Tätigkeit als Künstler i. S. des § 50 a Abs. 4 EStG. Demgegenüber vermag der Hinweis des FA in seiner Revision auf Art....des Vertrages nicht zu überzeugen. Darin wird "die Gage, die" X "erhalten wird", mit "DM 30 000 netto" vereinbart. Damit wird nach Ansicht des erkennenden Senats lediglich klargestellt, welcher Teil aus dem insgesamt von der Klägerin zu zahlenden Betrag auf die Gage der X (einschließlich des Anteils ihres künstlerischen Betreuers) entfiel. Das bestätigen auch die tatsächlichen Zahlungen der Klägerin im November 1970 (Teil der Gage und Reise- und Transportkosten an die M, Umsatzsteuer an den Zustellungsbevollmächtigten der M im Inland, und schließlich der Restteil der Gage an den künstlerischen Betreuer der X), die das FG für den Senat bindend (§ 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --) festgestellt hat. Zu einem anderen Ergebnis führen auch nicht die Vereinbarungen in ... des Vertrages zwischen der M und der X, auf die das FA in diesem Zusammenhang verweist. Darin wird festgelegt, daß M "direkt alle Einkünfte und generell alle Beträge" einzieht, die sich aus den Engagements der X ergeben. Das erklärt sich ("aus diesem Grund ...") aus dem Zusammenhang mit der Verpflichtung der X, die von der M geschlossenen Verträge "vollständig durchzuführen und anzuerkennen" und sich "weder direkt noch indirekt und ganz gleich in welcher Eigenschaft gegenüber Dritten ... einzuschalten". Es trifft nach allem nicht zu, daß die M -- wie das FA meint -- "lediglich als Zahlstelle fungierte" und Gläubigern des Entgelts im Verhältnis zur Klägerin die X war.

Damit entfällt die Möglichkeit, der X die der M zugeflossenen Beträge zuzurechnen. Der Bundesrepublik Deutschland kann daher insoweit auch kein Besteuerungsrecht zustehen. Ob der Auftritt der X eine "öffentliche Darbietung" i. S. des Art. 12 Abs. 2 Satz 2 DBA-Frankreich war, braucht deshalb nicht geprüft und entschieden zu werden ...

2. Der Senat teilt die Auffassung des FG, daß die sog. isolierende Betrachtungsweise (vgl. dazu Urteile des Bundsfinanzhofs -- BFH -- vom 4. März 1970 I R 140/66, BFHE 98, 420, BStBl II 1970, 428, und vom 18. Dezember 1974 I R 161/73, BFHE 115, 93, BStBl II 1975, 464; seit 1974 auch: § 49 Abs. 2 EStG) keine Steuerpflicht der M i. S. des § 49 Abs. 1 Nr. 3 EStG begründet. Die Ausübung einer Tätigkeit als Künstler durch die X (§ 50 a Abs. 4 Buchst. a EStG) führte nicht zu Einkünften der M aus selbständiger Arbeit. Das folgt aus § 49 Abs. 1 Nr. 3 EStG, der, wie der Klammerzusatz ausdrücklich bestimmt, an § 18 EStG anknüpft. Der M kann weder die von der X ausgeübte Tätigkeit als Künstlerin zugerechnet werden noch kann sie als Kapitalgesellschft Einkünfte aus selbständiger Arbeit erzielen (vgl. Urteil des Senats vom 20. Februar 1974 I R 217/71, BFHE 111, 503, BStBl II 1974, 511 mit weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung). An dieser Rechtsprechung hält der Senat für den Streitfall auch nach nochmaliger Prüfung fest. Ob dies auch für einen Fall wird gelten können, in dem § 49 Abs. 2 EStG in der ab 1974 geltenden Fassung anzuwenden ist, kann offenbleiben. Für den im Streitfall maßgebenden Veranlagungszeitraum 1970 galt diese Vorschrift noch nicht.

 

Fundstellen

Haufe-Index 74541

BStBl II 1983, 213

BFHE 1982, 320

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