Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Werbungskosten bei Rücktritt vom Kauf

 

Leitsatz (NV)

Verzugszinsen, die nach Aufgabe der Absicht, ein Grundstück zu erwerben und daraus Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung zu erzielen, gezahlt werden, sind nicht als Werbungskosten abziehbar.

 

Normenkette

EStG § 9 Abs. 1, § 21

 

Verfahrensgang

FG Köln

 

Tatbestand

Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind Ehegatten, die zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden. Der Kläger schloß 1973 mit einem Wohnungsbauunternehmen einen notariell beurkundeten Kaufanwartschaftsvertrag über den Erwerb einer Eigentumswohnung. Der in Raten zu zahlende Kaufpreis sollte zu einem erheblichen Teil durch Bankdarlehen finanziert werden. Für den Fall des Zahlungsverzugs war eine Verzinsung von 12 v. H. ab Fälligkeit vereinbart. Der Rücktritt des Klägers vom Kaufanwartschaftsvertrag bedurfte der Zustimmung des Wohnungsbauunternehmens. Da die Bank dem Kläger das vorgesehene Darlehen nicht gewährte, erklärte er vergeblich den Rücktritt vom Kaufanwartschaftsvertrag. Nachdem auch das Angebot des Wohnungsbauunternehmens, eine kleinere Wohnung zu erwerben, gescheitert war, wurde der Kläger verurteilt, an das Wohnungsbauunternehmen die vereinbarten Verzugszinsen zu zahlen. Das Vertragsverhältnis endete 1977 durch den Rücktritt des Wohnungsbauunternehmens.

In den Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre 1976 und 1977 machten die Kläger die an die Wohnungsbaugesellschaft gezahlten Verzugszinsen sowie die Anwaltskosten und gerichtliche Mahngebühren als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung geltend. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA - ) erkannte bei der Einkommensteuerfestsetzung 1976 die geltend gemachten Werbungskosten zunächst an, änderte diesen Bescheid jedoch nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) und ließ - ebenso wie bei der Einkommensteuerfestsetzung für 1977 - den Werbungskostenabzug nicht zu. Den Einspruch des Klägers wies das FA mit einer gegen beide Kläger gerichteten Einspruchsentscheidung zurück.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage mit der Begründung statt, zwischen den umstrittenen Aufwendungen und der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung bestehe ein ausreichend bestimmter wirtschaftlicher Zusammenhang.

Dagegen wendet sich das FA mit der vom FG wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassenen Revision, mit der es die Verletzung des § 9 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) rügt. Das FG habe verkannt, daß die umstrittenen Aufwendungen durch eine Handlung ausgelöst seien, welche die Aufnahme einer auf die Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung gerichteten Tätigkeit verhindern sollte. Dieser Zusammenhang bestehe unabhängig davon, ob der Rücktritt des Klägers zu Recht oder zu Unrecht erfolgt sei. Die Zinszahlung sei entgegen der Auffassung des FG nicht Vertragserfüllung, sondern vertraglich geregelte Folge der Nichterfüllung einer Nebenpflicht des Kaufvertrags, nämlich der Pflicht zur rechtzeitigen Zahlung der vereinbarten Anzahlung. Die Entscheidung könne nicht davon abhängen, welche Rechte (Erfüllung, Rücktritt, Schadensersatz wegen Nichterfüllung, Ersatz eines Verzugsschadens, Geltendmachung einer vereinbarten Vertragsstrafe) der Veräußerer wegen der Nichterfüllung des Vertrages gegen den Erwerber geltend mache. Entscheidend sei vielmehr das Handeln zur Verhinderung des Entstehens einer Einkunftsquelle.

Das FA beantragt sinngemäß, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet.

1. Soweit sie sich gegen das gegenüber der Klägerin ergangene Urteil richtet, muß sie schon deshalb Erfolg haben, weil die Klägerin keinen Einspruch eingelegt hat und die angefochtenen Bescheide ihr gegenüber unanfechtbar geworden sind. Das FG hätte deshalb ihre auf Änderung der Einkommensteuerbescheide und Aufhebung der Einspruchsentscheidung gerichtete Klage unter Aufhebung der ihr gegenüber ergangenen Einspruchsentscheidung ohne Sachprüfung abweisen müssen (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 27. November 1984 VIII R 73/82, BFHE 143, 32, BStBl II 1985, 296).

2. Die Revision des FA gegen das gegenüber dem Kläger ergangene Urteil ist ebenfalls begründet.

a) Soweit die Revision die Einkommensteuerfestsetzung 1976 betrifft, führt sie zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Die Vorentscheidung verletzt insoweit § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977. Das FG hat - von seinem Rechtsstandpunkt aus zu Recht - nicht geprüft, ob die Voraussetzungen für eine Änderung des Einkommensteuerbescheides 1976 nach dieser Vorschrift vorgelegen haben. Insoweit ist die Sache nicht spruchreif. Die tatsächlichen Feststellungen des FG reichen für eine abschließende Entscheidung nicht aus. Das FG wird die erforderlichen Feststellungen nachzuholen haben und insbesondere prüfen müssen, welche Tatsachen dem FA bei Erlaß des ursprünglichen Bescheides hinsichtlich der umstrittenen Aufwendungen bekannt waren oder ihm bei Erfüllung seiner Ermittlungspflicht hätten bekannt sein müssen.

b) Soweit die Revision die Einkommensteuerfestsetzung 1977 betrifft, führt sie zur Aufhebung der Vorentscheidung und Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 FGO). Die Vorentscheidung verletzt insoweit § 9 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 EStG. Nach diesen Vorschriften sind Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen und insbesondere Schuldzinsen, soweit sie mit einer Einkunftsart in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen, als Werbungskosten abziehbar. Nicht zu den abziehbaren Aufwendungen gehören nach der ständigen Rechtsprechung des BFH solche Kosten (Vertragsstrafe, Schadensersatz, Abstandszahlungen), die durch den Rücktritt von einem Grundstückskaufvertrag ausgelöst oder zur Beseitigung eines nicht wirksam gewordenen Pachtverhältnisses geleistet werden (Urteile vom 22. April 1975 VIII R 110/70, BFHE 115, 479, BStBl II 1975, 663; vom 15. Dezember 1981 VIII R 107/79, BFHE 135, 431, BStBl II 1982, 495, und vom 29. November 1983 VIII R 160/82, BFHE 140, 216, BStBl II 1984, 307). Es stellt nach dieser Rechtsprechung eine Überspannung des Begriffs der vorab entstandenen Werbungskosten dar, wenn in der Vorbereitungsphase einer auf die Erzielung von Einkünften gerichteten Tätigkeit auch solche Aufwendungen abziehbar sein sollen, die bereits der Beendigung der Tätigkeit dienen und sie verhindern sollen.

Der erkennende Senat hält an dieser Rechtsprechung trotz der im Schrifttum geäußerten Bedenken fest (ablehnend z. B. v. Bornhaupt, in Kirchhof / Söhn, Einkommensteuergesetz, Kommentar, § 9 Rdnr. B 239 ff. m. w. N.). Insbesondere wird gegen die höchstrichterliche Rechtsprechung eingewandt, die durch die Vertragsaufhebung ausgelösten Folgekosten stellten den Schlußpunkt eines einheitlichen Handlungsablaufs dar, der durch den Entschluß, künftig Einnahmen einer bestimmten Einkunftsart zu erzielen, eingeleitet und mit der Aufgabe dieser Absicht und seiner Vorbereitungshandlungen beendet werde. Ein derartiger Handlungsablauf müsse auch steuerrechtlich einheitlich in dem Sinne beurteilt werden, daß die Folgekosten als Werbungskosten abziehbar seien (v. Bornhaupt, a.a.O., Rdnr. B 241).

Die Betrachtungsweise berücksichtigt indes nicht genügend, daß die entscheidende Ursache für die Entstehung der Folgekosten die - wenn auch unfreiwillige - endgültige Aufgabe der Absicht ist, mit dem noch zu erwerbenden Grundstück Einkünfte zu erzielen. Solche Aufwendungen sind nicht durch die Einkunftsart Vermietung und Verpachtung veranlaßt. Durch diese Einkunftsart veranlaßt sind nur Aufwendungen, die objektiv in Zusammenhang mit der Vermietung und Verpachtung stehen und subjektiv zur Förderung der Nutzungsüberlassung oder Selbstnutzung gemacht werden (vgl. die Senatsurteile vom 23. Oktober 1984 IX R 48/80, BFHE 143, 313, BStBl II 1985, 453; vom 29. Oktober 1985 IX R 56/82, BFHE 145, 52, BStBl II 1986, 143, und vom 23. Februar 1988 IX R 151/86, BFH / NV 1989, 485). Hält man für die ,,Veranlassung" die subjektive Absicht der Förderung der Einkünfteerzielung für maßgebend, so können die umstrittenen Folgekosten keine Werbungskosten sein, weil der Steuerpflichtige schon im Zeitpunkt ihrer Entstehung und erst recht im Zeitpunkt der Zahlung, auf den es nach dem Urteil in BFHE 135, 431, BStBl II 1982, 495 ankommt, die Absicht, mit dem Vertragsgegenstand Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung zu erzielen, endgültig aufgegeben hat. Nicht anders ist zu entscheiden, wenn man wegen der Unfreiwilligkeit der Aufwendungen auf das Merkmal der subjektiven Förderungsabsicht verzichtet und einen objektiven (wirtschaftlichen) Zusammenhang mit der Einkunftsart genügen läßt (BFH-Urteil vom 4. Juli 1986 VI R 227/83, BFHE 147, 161, BStBl II 1986, 771; zum Streitstand Prinz, Finanz-Rundschau - FR - 1986, 397, 403; Schmidt / Drenseck, Einkommensteuergesetz, 8. Aufl., § 9 Anm. 2 d). Hat der Steuerpflichtige im Zeitpunkt der Entstehung der umstrittenen Aufwendungen die Absicht, mit dem noch zu erwerbenden Grundstück Einkünfte zu erzielen, endgültig aufgegeben, so steht damit fest, daß weder in der Vergangenheit Einnahmen angefallen sind noch in der Zukunft anfallen werden, mit denen die durch das vertragsuntreue Verhalten ausgelösten Folgekosten in objektivem wirtschaftlichen Zusammenhang stehen könnten. Der wirtschaftliche Zusammenhang mit der Einkunftsart besteht auch nicht deshalb, weil der Steuerpflichtige die vertragliche Verpflichtung zur Zahlung der Verzugszinsen bereits vor Aufgabe der Einkünfteerzielungsabsicht eingegangen ist. Denn die entscheidende Ursache für die Entstehung der Verpflichtung zur Zahlung ist der Zahlungsverzug, der auf der Aufgabe der Einkünfteerzielungsabsicht beruht. Der Zusammenhang mit der früher geplanten Einkünfteerzielung wird durch den - wenn auch unfreiwilligen - Entschluß zur Aufgabe dieser Absicht überlagert.

Entgegen der Ansicht der Vorinstanz kommt es auch nicht darauf an, daß die umstrittenen Aufwendungen im Streitfall nicht Folge des (unwirksamen) Vertragsrücktritts, sondern Folge der Nichterfüllung des Vertrages sind. Entscheidend ist vielmehr, daß die Folgekosten auch bei dieser Fallgestaltung unmittelbar mit der Aufgabe der Einkünfteerzielungsabsicht zusammenhängen.

Bei Anwendung dieser Grundsätze erweist sich die Klage des Klägers gegen die Einkommensteuerfestsetzung 1977 als unbegründet. Die Sache ist insoweit spruchreif. Die von dem Kläger in den Streitjahren gezahlten Verzugszinsen sind nicht als Werbungskosten abziehbar, weil sie nicht durch die Einkunftsart Vermietung und Verpachtung veranlaßt sind. Entsprechendes gilt für die Anwalts- und Gerichtskosten (vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 1. Dezember 1987 IX R 134 /83, BFHE 152, 237, BStBl II 1988, 431).

 

Fundstellen

Haufe-Index 62487

BFH/NV 1990, 94

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