Entscheidungsstichwort (Thema)

Haftung des Gesellschafters für Grunderwerbsteuerschulden der Gesellschaft aus der Übertragung sämtlicher Gesellschaftsanteile

 

Leitsatz (NV)

1. Die Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts haften aufgrund ihrer gesamthänderischen Bindung mit ihrem Privatvermögen für die Grunderwerbsteuerschulden der Gesellschaft.

2. Die Übertragung sämtlicher Anteile an einer nur Grundbesitz haltenden Gesellschaft bürgerlichen Rechts kann auch dann als ein der Grunderwerbsteuer unterliegender Vorgang beurteilt werden, wenn der Gesellschafterwechsel nicht gleichzeitig oder nahezu gleichzeitig erfolgt, sondern wenn die einzelnen Übertragungsakte in einem größeren zeitlichen Abstand ausgeführt werden.

 

Normenkette

GrEStG 1983 § 1 Abs. 1 Nr. 1; AO 1977 §§ 37-38, 42, 191 Abs. 1; BGB §§ 427, 718

 

Tatbestand

Die X-KG hatte sich mit sieben weiteren Gesellschaftern zur Errichtung, Verwaltung und Verwertung des ,,Wohnparkes A" in der Grundstücksgesellschaft bürgerlichen Rechts Wohnpark A zusammengeschlossen. Die Gesellschafter waren an den der Gesellschaft dienenden Grundstücken zunächst als Bruchteilseigentümer in Höhe ihrer jeweiligen Gesellschaftsbeteiligung im Grundbuch eingetragen, und zwar die X-KG mit 78,36 v. H. und die übrigen Gesellschafter mit insgesamt 21,64 v. H. Durch notariell beurkundeten Vertrag vom 29. Juli 1980 wurde der Grundbesitz als Gesamthandseigentum in die Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) Wohnpark A eingebracht.

Mit Anteilsübertragungsvertrag vom 12. August 1980 übernahm Herr B, der Antragsteller und Beschwerdeführer (Antragsteller), 68,36 v. H. der Gesellschaftsanteile der X-KG sowie alle Anteile der übrigen Gesellschafter. Der von Herrn B für den Anteilserwerb von 90 v. H. zu entrichtende Kaufpreis betrug . . . DM. Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 26. November 1980 übertrug die X-KG die ihr verbliebenen 10 v. H. der Gesellschaftsanteile an Herrn C zu einem Kaufpreis von . . . DM.

Der Grundbesitz wurde durch notarielle Teilungserklärung vom 7. November 1980 in Wohnungseigentum aufgeteilt. Die Wohnungen wurden in der Folgezeit von der Wohnpark A GbR, an der nunmehr der Antragsteller und Herr C allein beteiligt waren, zum größten Teil veräußert.

Durch Grunderwerbsteuerbescheid vom . . . wurde gegen die Wohnpark A GbR Grunderwerbsteuer in Höhe von . . . DM festgesetzt. Nach Auffassung des Finanzamts (FA) waren die Anteilsübertragungsverträge vom 12. August und 26. November 1980 gemäß § 42 der Abgabenordnung (AO 1977) i. V. m. § 1 Abs. 1 Nr. 1 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG NW) so zu besteuern, als habe die aus den Erwerbern B und C bestehende Wohnpark A GbR den Grundbesitz gekauft. Einspruch und Klage gegen den Steuerbescheid hatten keinen Erfolg. Die Revision der Wohnpark A GbR hat der erkennende Senat mit Vorbescheid vom heutigen Tag als unbegründet zurückgewiesen.

Mit Bescheid vom . . . hat das FA den Antragsteller wegen der Grunderwerbsteuer der Wohnpark A GbR in Höhe von . . . DM als Haftungsschuldner in Anspruch genommen. Nach Auffassung des FA hat der Antragsteller als Gesellschafter der Wohnpark A GbR gemäß § 191 AO 1977, §§ 714, 421, 427 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) für die Steuerschuld der Wohnpark A GbR persönlich als Gesamtschuldner einzutreten. Über den gegen den Haftungsbescheid vom Antragsteller eingelegten Einspruch hat das FA noch nicht entschieden.

Nachdem das FA den Antrag, die Vollziehung des Haftungsbescheides auszusetzen, abgelehnt hatte, stellte der Antragsteller beim Finanzgericht (FG) den Antrag, die Vollziehung des Haftungsbescheides auszusetzen. Das FG wies den Antrag als unbegründet zurück.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde ist unbegründet. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des gegen den Antragsteller ergangenen Haftungsbescheides bestehen nicht.

Zu Recht konnten FA und FG davon ausgehen, daß die Übertragung sämtlicher Gesellschaftsanteile durch die Verträge vom 12. August und 26. November 1980 auf den Antragsteller und Herrn C gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG NW i. V. m. § 42 AO 1977 so zu beurteilen ist, als habe die aus den Erwerbern der Gesellschaftsanteile bestehende GbR die Gesellschaftsgrundstücke gekauft. Das entspricht der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats zur Übertragung sämtlicher Anteile an einer nur Grundbesitz haltenden GbR (vgl. Beschluß vom 7. Juni 1989 II B 111/88, BFHE 156, 527, BStBl II 1989, 803, m. w. N.). Dies gilt auch, wenn der Gesellschafterwechsel nicht gleichzeitig oder nahezu gleichzeitig erfolgt, sondern wenn die einzelnen Übertragungsakte in einem größeren zeitlichen Abstand ausgeführt werden (Urteil vom 4. März 1987 II R 150/83, BFHE 149, 75, BStBl II 1987, 394). Für ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Haftungsbescheides liegen insoweit keine Anhaltspunkte vor; der Antragsteller hat mit seiner Beschwerde hierzu auch nichts vorgetragen.

Der Antragsteller bringt vielmehr vor, es gebe keine gesetzliche Grundlage für die Haftung von Gesellschaftern einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts für Steuerschulden der Gesellschaft. Dieser Einwand ist, wie der VII. Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) in den Urteilen vom 23. Oktober 1985 VII R 187/82 (BFHE 145, 13, BStBl II 1986, 156), vom 27. Juni 1989 VII R 100/86 (BFHE 158, 1, BStBl II 1989, 952), vgl. auch Urteil vom 27. März 1990 VII R 26/89 (BFHE 161, 390, BStBl II 1990, 939) zur Haftung für Umsatzsteuerschulden der Gesellschaft bürgerlichen Rechts ausgeführt hat, nicht berechtigt. Der erkennende Senat teilt diese Auffassung; sie trifft auch auf die Haftung der Gesellschafter für die Grunderwerbsteuerschulden der Gesellschaft zu (vgl. Senatsurteil vom 6. September 1989 II R 61/86, BFH/NV 1990, 594 für einen dem dem Streitfall zugrunde liegenden vergleichbaren Sachverhalt).

Die Haftung der Gesellschafter mit ihrem Privatvermögen für Verbindlichkeiten der Gesellschaft, die über § 191 Abs. 1 AO 1977 vom FA durch Haftungsbescheid geltend zu machen ist, folgt zivilrechtlich aus dem gemeinschaftlichen Handeln der Gesellschafter oder dem Handeln durch berechtigte Vertreter (Urteile des Bundesgerichtshofs - BGH - vom 6. Juli 1971 VI ZR 94/69, BGHZ 56, 355; vom 8. November 1978 VIII ZR 190/77, BGHZ 72, 267; vom 30. April 1979 II ZR 137/78, BGHZ 74, 240; vom 15. Dezember 1980 II ZR 52/80, Neue Juristische Wochenschrift - NJW - 1981, 1213). Aus der gesamthänderischen Bindung (§ 718 BGB) ergibt sich über § 427 BGB die Verpflichtung jedes der Gesellschafter, für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft einzutreten. Dies gilt auch für die Grunderwerbsteuerschuld der Gesellschaft. Insbesondere steht dem nicht entgegen, daß der die Gesellschaft als Steuerpflichtige treffende Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis auf Grund Gesetzes entstanden ist (§§ 37, 38 AO 1977), denn der Steueranspruch entsteht als zwingende gesetzliche Folge des (rechtsgeschäftlichen) Handelns der Gesellschafter im Rahmen ihrer Gesellschafterstellung, das den Tatbestand verwirklicht, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft (§ 38 AO 1977; vgl. BFH-Urteil in BFHE 158, 1, BStBl II 1989, 952; Kruse in Tipke / Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, Lieferung April 1991 Tz. 19 Vor § 69 AO 1977; siehe auch Haftung des Gesellschafters einer BGB-Gesellschaft für Gewerbesteuer der Gesellschaft analog § 128 Abs. 1 Satz 1 des Handelsgesetzbuches, Oberlandesgericht Hamm, Urteil vom 19. Mai 1989 11 U 158/88, Betriebs-Berater 1989, 1218). Bei der Grunderwerbsteuer geschieht dies regelmäßig durch den Abschluß des Kaufvertrages oder - wie im Streitfall - durch eine diesem gleichstehende Übertragung sämtlicher Anteile an einer nur Grundbesitz haltenden Gesellschaft des bürgerlichen Rechts.

 

Fundstellen

Haufe-Index 417936

BFH/NV 1992, 56

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