Entscheidungsstichwort (Thema)

Größe der Wohnfläche als Merkmal besonderer Gestaltung i.S. des § 76 Abs. 3 Nr. 1 BewG

 

Leitsatz (NV)

Eine Wohnfläche von mehr als 220 qm führt bei einem Einfamilienhaus oder einem Zweifamilienhaus, bei dem zumindest eine Wohnung diese Größe aufweist, unabhängig von der Anzahl der in dem Haus bzw. der Wohnung lebenden Personen zur Anwendung des Sachwertverfahrens. Eine übliche Miete ist für derartige Gebäude nicht zu ermitteln, weil Einfamilienhäuser oder Wohnungen in Zweifamilienhäusern von dieser Größe zum 1. Januar 1964 nicht in ausreichend repräsentativer Zahl vermietet waren.

 

Normenkette

FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1; BewG § 76 Abs. 3 Nr. 1

 

Verfahrensgang

FG Köln (Urteil vom 19.06.2002; Aktenzeichen 4 K 207/99)

 

Tatbestand

I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) hat im Jahr 1992 sein damals im Ertragswertverfahren bewertetes Zweifamilienhaus mit einem Aufwand von rd. 630 000 DM umgebaut und erweitert. Die Hauptwohnung erhielt dadurch ohne das Arbeitszimmer eine Wohnfläche von 238 qm. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt ―FA―) stellte bzw. setzte für das Grundstück durch Bescheide auf den 1. Januar 1993 vom 2. Januar 1997 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 7. Dezember 1998 im Sachwertverfahren einen Einheitswert von 208 900 DM sowie einen Grundsteuermessbetrag von 647,59 DM fest. Die Klage, mit der sich der Kläger gegen die Anwendung des Sachwertverfahrens wandte, blieb erfolglos. Auch nach Ansicht des Finanzgerichts (FG) rechtfertigte bereits die Größe der Hauptwohnung mit einer Wohnfläche von mehr als 220 qm die Anwendung des Sachwertverfahrens.

Mit der Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision trägt der Kläger sinngemäß vor, der Sache komme grundsätzliche Bedeutung wegen der Rechtsfrage zu, ob es der Schutz von Ehe und Familie nach Art. 6 des Grundgesetzes (GG) sowie der Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG verlange, die Größe der Wohnfläche eines Einfamilienhauses oder der (Haupt-)Wohnung eines Zweifamilienhauses nicht starr ab einer Grenze von 220 qm als Ausdruck einer besonderen Gestaltung des Hauses i.S. des § 76 Abs. 3 Nr. 1 des Bewertungsgesetzes (BewG) anzusehen, sondern in Abhängigkeit von der Anzahl der im Haus bzw. einer Wohnung des Zweifamilienhauses lebenden Personen. Die Frage sei im Streitfall auch klärungsfähig, da er, der Kläger, die Hauptwohnung mit Ehefrau und drei Kindern im Alter von 11, 15 und 21 Jahren bewohne und zeitweise seine 92 Jahre alte pflegebedürftige Mutter bei sich aufnehme. Im Übrigen ließe sich eine übliche Miete ohne weiteres schätzen.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Beschwerde ist unbegründet. Die aufgeworfene Rechtsfrage von angeblich grundsätzlicher Bedeutung ist nicht klärungsbedürftig.

1. Eine Rechtsfrage hat grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO), wenn ihre Beantwortung durch den Bundesfinanzhof (BFH) aus Gründen der Rechtssicherheit, der Rechtseinheitlichkeit und/oder der Rechtsentwicklung im allgemeinen Interesse liegt und wenn es sich bei ihr um eine klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage handelt (vgl. BFH-Beschluss vom 16. Juli 1999 IX B 81/99, BFHE 189, 401, BStBl II 1999, 760).

2. Im Streitfall fehlt es bereits an der Klärungsbedürftigkeit. Der BFH hat an der mit Urteil vom 12. Februar 1986 II R 192/78 (BFHE 146, 96, BStBl II 1986, 320) begründeten Rechtsprechung zur Bedeutung einer Wohnfläche von rd. 220 qm für die Anwendung des Sachwertverfahrens in der Folgezeit unter Abwägung der dagegen vorgebrachten Gründe festgehalten (vgl. Urteil vom 17. Mai 1995 II R 22/92, BFHE 177, 502, BStBl II 1995, 577, sowie Beschluss vom 6. Februar 2002 II B 45/01, BFH/NV 2002, 761). Eine Wohnfläche von mehr als 220 qm gibt dem Einfamilienhaus bzw. dem Zweifamilienhaus, das mindestens eine Wohnung dieser Größe enthält, eine besondere Gestaltung i.S. des § 76 Abs. 3 Nr. 1 BewG. Neben dieser besonderen Gestaltung bedarf es keiner besonderen Ausstattungsmerkmale, um die Anwendung des Sachwertverfahrens zu rechtfertigen. Gemäß § 76 Abs. 3 Nr. 1 BewG reicht es für die Wertermittlung im Sachwertverfahren aus, dass entweder eine besondere Gestaltung oder eine besondere Ausstattung vorliegt. Da die Frage, ob die Tatbestandsmerkmale des § 76 Abs. 3 Nr. 1 BewG ―also eine besondere Gestaltung und/oder eine besondere Ausstattung― gegeben sind, eine Frage der Wertverhältnisse ist und dabei auf die Wertverhältnisse im Hauptfeststellungszeitpunkt 1. Januar 1964 abzustellen ist (vgl. BFH-Urteil vom 21. Oktober 1987 II R 26/87, BFHE 151, 88, BStBl II 1987, 841), kommt es auf die behaupteten gewandelten Wertvorstellungen seit der Entscheidung des BFH in BFHE 146, 96, BStBl II 1986, 320 nicht an.

Soweit der Kläger die Rechtsfrage aufwirft, ob die Größe der Wohnfläche nicht in Bezug zur Anzahl der in der Wohnung lebenden Personen gesetzt werden müsse, ist diese Rechtsfrage ohne weiteres aus dem Gesetz zu beantworten. Sowohl das Ertragswertverfahren gemäß den §§ 78 bis 82 BewG als auch das Sachwertverfahren gemäß den §§ 83 bis 90 BewG sind spezielle Bewertungsverfahren zur Ermittlung des typisierten gemeinen Werts des Grundvermögens (vgl. BFH-Urteil vom 3. Juli 1981 III R 53/79, BFHE 134, 41, BStBl II 1981, 761, unter 2. d; Gürsching/ Stenger, Kommentar zum Bewertungsgesetz und Vermögensteuergesetz, 73. Lieferung, April 1994, § 76 BewG Anm. 2.1). Dieses Ziel wird zwar aus einer Reihe von Gründen bei beiden Bewertungsverfahren mit fortschreitender Zeit in wachsendem Maß verfehlt; unverändert bestehen geblieben ist aber die dem Einheitswert als typisiertem gemeinen Wert innewohnende Eigenschaft eines objektiven Werts, der unter Außerachtlassen persönlicher Verhältnisse zu ermitteln ist (§ 9 Abs. 2 Satz 3 BewG). Die Familienverhältnisse des Grundstückseigentümers gehören zu den persönlichen Verhältnissen, die unberücksichtigt zu bleiben haben (vgl. Beschluss des BFH vom 20. Dezember 2002 II B 44/02, BFH/NV 2003, 508). Soweit die Einheitswerte des Grundvermögens nur noch für die Grundsteuer von Bedeutung sind, wäre eine Berücksichtigung der Familienverhältnisse auch mit der Eigenschaft der Grundsteuer als Realsteuer nicht zu vereinbaren.

Der Aussage des Klägers, wonach sich im Streitfall eine übliche Miete ohne weiteres schätzen ließe, ist kein Grund für eine Zulassung der Revision i.S. des § 115 Abs. 2 FGO zu entnehmen. Die vom Kläger vorgeschlagene Multiplizierung der Mietspiegelmieten mit der Zahl der Quadratmeter derartig großer Wohnungen ist nicht möglich, da die Mieten der Mietspiegel nicht für Wohnungen dieser Größe ermittelt worden sind. Wohnungen dieser Größenordnung waren nämlich zum 1. Januar 1964 nicht in ausreichend repräsentativer Zahl vermietet.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1129438

BFH/NV 2004, 763

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