Entscheidungsstichwort (Thema)

Auslegung der Klage; Beklagtenwechsel

 

Leitsatz (NV)

1. Die Frage, gegen welches FA sich die Klage richtet, ist nach allgemeinen Auslegungsregeln zu beantworten.

2. Ein Beklagtenwechsel ist nur innerhalb der Klagefrist zulässig.

 

Normenkette

FGO §§ 65, 67

 

Verfahrensgang

FG München

 

Gründe

Die Beschwerde ist zulässig, jedoch unbegründet. Sie war deshalb zurückzuweisen.

1. Das Finanzgericht (FG) ist ohne Rechtsfehler davon ausgegangen, daß sich die Klage ursprünglich gegen das Finanzamt T richtete. Zwar führt die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) in ihrer Beschwerdebegründung zutreffenderweise aus, daß jede Klage auslegungsfähig sei und daß es auf die objektive Würdigung des Erklärungsinhaltes der Klageschrift ankomme. Die Klageschrift der Klägerin enthielt jedoch keinen einzigen Anhaltspunkt, der auf das Finanzamt R als den tatsächlichen Beklagten hinwies. Dies gilt für die Wohnsitzbezeichnung der Klägerin schon deshalb, weil dieselbe keinen Rückschluß auf die beklagte Behörde erlaubt. Aus zahlreichen Gründen kann eine außerhalb des Zuständigkeitsbereiches eines FA ansässige Person gegen dasselbe klagen. Ebenso wenig erlaubt die Angabe der Daten der angefochtenen Körperschaftsteuerbescheide und der Einspruchsentscheidung einen Rückschluß auf das FA R als beklagte Behörde. Das FA T könnte zu derselben Zeit entsprechende Verwaltungsakte erlassen haben. Zwar ist es denkbar, daß sich aus der Steuernummer (StNr. ) bzw. aus der Rechtsbehelfslistennummer (RBl-Nr. ) ein Hinweis auf die betroffene Behörde ergibt. Dies gilt jedoch nur dann, wenn eine allgemein bekannte Finanzamtsnummer (FA-Nr. ) Teil der StNr. und/oder der RBl-Nr. ist (vgl. Niedersäch sisches FG, Urteil vom 17. März 1981 V 194/78, Entscheidungen der Finanzgerichte -- EFG -- 1981, 460). Für den Streitfall fehlt es an dieser Voraussetzung schon deshalb, weil die von der Klägerin in der Klageschrift angegebene StNr. und RBl-Nr. keine FA-Nr. enthalten. Damit konnte ein objektiver Leser der Klageschrift nur das FA T als die beklagte Behörde verstehen.

2. Das FG ist auch ohne Rechtsfehler davon ausgegangen, daß ein Beklagtenwechsel zulässigerweise nur innerhalb der Klagefrist erklärt werden kann. Zwar knüpft § 67 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) die Klageänderung alternativ nur an die Einwilligung der Beteiligten oder an ihre Sachdienlichkeit. Die Vorschrift ist jedoch unvollständig. § 67 Abs. 1 FGO kann und will nicht zwingende Sachurteilsvoraussetzungen unterlaufen. Er ist deshalb aus der Sicht des § 65 FGO auszulegen. Eine Klageänderung ist nur dann statthaft, wenn für das geänderte Klagebegehren die einschlägigen Sachurteilsvoraussetzungen erfüllt sind. Dazu gehört die Wahrung der Klagefrist, weshalb bei Anfechtungsklagen die Klageänderung vorbehaltlich einer Anwendung des § 56 FGO nur innerhalb der Klagefrist erklärt werden kann. Dies entspricht ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung, an der der Senat schon im Interesse der Rechtssicherheit festhält (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs vom 19. Mai 1972 III R 138/68, BFHE 106, 8, BStBl II 1972, 703, 705; vom 26. Februar 1980 VII R 60/78, BFHE 130, 12, BStBl II 1980, 331; vom 19. Mai 1983 IV R 125/82, BFHE 139, 1, BStBl II 1984, 15; vom 16. April 1985 VII K 17/84, BFH/NV 1985, 119; vom 17. Juli 1986 V R 85/82, BFH/NV 1987, 67; vom 16. September 1987 II R 237/84, BFH/NV 1988, 690; vom 10. Februar 1988 VIII R 334/82, BFH/NV 1988, 791; vom 22. November 1988 VIII R 205/84, BFHE 155, 457, BStBl II 1989, 460; vom 9. August 1989 II R 145/86, BFHE 158, 11, BStBl II 1989, 981; vom 2. Oktober 1990 VIII R 118/85, BFH/NV 1991, 429; vom 5. Juni 1991 II R 83/88, BFH/NV 1992, 267, 270).

Der Senat folgt auch nicht der Rechtsauffassung von Tipke/Kruse (Abgabenordnung- Finanzgerichtsordnung, 16. Aufl., § 65 FGO Rz. 3) und des FG Berlin, Urteil vom 10. April 1984 V 503/83 (EFG 1984, 560), wonach die "Rechtswohltat" des § 65 Abs. 2 FGO auch bei fehlerhafter Bezeichnung des Beklagten eingreifen müsse. Nach § 65 Abs. 1 Satz 1 FGO gehört die Bezeichnung des Beklagten zu den sog. Mußvoraussetzungen einer Klage. Zwar sieht § 65 Abs. 2 Satz 1 FGO die Möglichkeit der Ergänzung auch bezogen auf die sog. Mußvoraussetzungen vor. Dies gilt jedoch nur dann, wenn eine Klage den Anforderungen des § 65 Abs. 1 Satz 1 FGO noch nicht genügt. Entspricht dagegen die Klage -- wie im Streitfall bezogen auf die beklagte Behörde -- den Anforderungen des § 65 Abs. 1 Satz 1 FGO, so ist weder für eine Aufforderung gemäß § 65 Abs. 2 Satz 1 FGO noch für eine Fristsetzung gemäß § 65 Abs. 2 Satz 2 FGO Raum. In einem solchen Fall kann die "Rechtswohltat" des § 65 Abs. 2 FGO nicht mehr greifen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 422064

BFH/NV 1997, 588

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