Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur notwendigen Beiladung eines Komplementärs, der Kommanditist wird; Verstoß gegen den klaren Inhalt der Akten

 

Leitsatz (NV)

1. Ein Komplementär, der Kommanditist wird, ist nicht als ausgeschiedener Gesellschafter nach § 48 Abs. 1 Nr. 3 FGO klagebefugt und deshalb auch nicht nach § 60 Abs. 3 FGO notwendig beizuladen.

2. Auch der Verfahrensfehler eines Verstoßes gegen den klaren Inhalt der Akten führt nur zur Zulassung der Revision, wenn die angefochtene Entscheidung auf diesem Fehler beruht.

 

Normenkette

FGO § 40 Abs. 2, § 48 Abs. 1 Nr. 3, § 60 Abs. 3 S. 2, § 96 Abs. 1 S. 1, § 115 Abs. 2 Nr. 3; HGB § 160 Abs. 3; GG Art. 19 Abs. 4

 

Verfahrensgang

FG Hamburg (Urteil vom 04.12.2008; Aktenzeichen 5 K 81/07)

 

Gründe

1

Die Nichtzulassungsbeschwerde hat keinen Erfolg. Es kann offenbleiben, ob in der Begründung der von der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) und dem Beigeladenen und Beschwerdeführer (Beigeladener) --zusammen: Beschwerdeführer-- eingelegten Nichtzulassungsbeschwerde die geltend gemachten Zulassungsgründe in einer den gesetzlichen Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) genügenden Weise dargelegt sind. Denn die Beschwerde ist jedenfalls unbegründet.

2

1. Der von den Beschwerdeführern geltend gemachte Verfahrensmangel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) der vom Finanzgericht (FG) unterlassenen notwendigen Beiladung (§ 60 Abs. 3 FGO) eines ehemaligen Komplementärs (K), der nach dem Vortrag der Beschwerdeführer mit seinem Ausscheiden als Komplementär als nicht geschäftsführender Kommanditist (wieder) in die von der streitigen Feststellung betroffene Gesellschaft eingetreten ist, liegt nicht vor. Gemäß § 60 Abs. 3 Satz 2 FGO gelten die Grundsätze der notwendigen Beiladung nach Satz 1 der Vorschrift nicht für Mitberechtigte, die nach § 48 FGO nicht klagebefugt sind. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer ist K auch nicht als ausgeschiedener Gesellschafter nach § 48 Abs. 1 Nr. 3 FGO klagebefugt.

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Die Beiladung des ausgeschiedenen Gesellschafters ist erforderlich, weil er seit seinem Ausscheiden von den Organen der Gesellschaft nicht mehr vertreten wird (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 12. Februar 1992 XI R 41/89, juris). Bei den Regeln zur Klagebefugnis ausgeschiedener Gesellschafter und ihrer notwendigen Beiladung handelt es sich nämlich um eine Konkretisierung der in Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes, § 40 Abs. 2 FGO garantierten Grundregel individueller Rechtsschutzgewährung (Gräber/von Groll, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 48 Rz 33). Mit dem Ausscheiden des Einzelnen aus dem Verbund entfällt die Legitimation für die (teilweise) Übertragung verfassungsrechtlich abgesicherter Rechtsschutzbefugnisse auf die Gesellschaft bzw. deren Vertreter oder Bevollmächtigte; die Rechtsbeeinträchtigung i.S. des § 40 Abs. 2 FGO des ausgeschiedenen Gesellschafters ist (wieder) uneingeschränkt von diesem selbst wahrzunehmen (vgl. Gräber/von Groll, a.a.O., § 48 Rz 33). Diese Grundsätze finden indes auf einen Komplementär, der Kommanditist wird, keine Anwendung. Denn dieser bleibt --wenn auch mit begrenzter Haftung-- weiterhin Gesellschafter, dessen Rechtsschutzinteressen im Rahmen gesetzlicher Prozessstandschaft (vgl. z.B. Gräber/von Groll, a.a.O., § 48 Rz 1, 8 und 12) weiter von der Gesellschaft wahrgenommen werden. Deshalb besteht auch unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten kein Anlass, die Vorschrift des § 48 Abs. 1 Nr. 3 FGO auf den Komplementär, der Kommanditist wird, anzuwenden. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt) weist zu Recht darauf hin, dass nach § 160 Abs. 3 des Handelsgesetzbuchs auf einen Gesellschafter, der Kommanditist wird, nur zum Zweck der Begrenzung seiner Haftung die für einen aus der Gesellschaft ausscheidenden Gesellschafter geltenden Absätze 1 und 2 der Vorschrift entsprechend anzuwenden sind; auch hieraus folgt nicht, dass dieser Gesellschafter als ausgeschiedener Gesellschafter i.S. des § 48 Abs. 1 Nr. 3 FGO anzusehen ist.

4

2. Die sinngemäß erhobene Rüge, das FG habe gegen den klaren Inhalt der Akten verstoßen, führt gleichfalls nicht zur Zulassung der Revision.

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Ein Verfahrensmangel i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO i.V.m. § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO ist gegeben, wenn das FG seiner Entscheidung nicht das Gesamtergebnis des Verfahrens zugrunde legt, insbesondere wenn das Gericht bei seiner Entscheidung von einem Sachverhalt ausgeht, der dem schriftlichen oder protokollierten Vorbringen der Beteiligten widerspricht, oder wenn das Gericht eine nach den Akten klar feststehende Tatsache unberücksichtigt gelassen hat (BFH-Beschluss vom 30. Mai 2007 X B 176/06, BFH/NV 2007, 1698). Kein Verfahrensfehler ist hingegen die fehlerhafte Würdigung des Beteiligtenvorbringens. Einwendungen gegen die tatrichterliche Würdigung des streitigen Sachverhalts oder die rechtliche Würdigung betreffen keinen Verfahrensmangel, sondern die Anwendung materiellen Rechts, und führen als solche nicht zur Zulassung der Revision (BFH-Beschlüsse vom 28. März 2000 X B 82/99, BFH/NV 2000, 1186; vom 24. Juli 2006 VIII B 233/05, BFH/NV 2006, 2110; vom 28. Mai 2009 VI B 127/08, juris; Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 115 FGO Rz 100). Auch bei Vorliegen eines Verfahrensmangels darf die Revision gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO nur zugelassen werden, wenn die Entscheidung auf diesem Verfahrensfehler beruhen kann; diese Voraussetzung ist nur erfüllt, wenn die Möglichkeit besteht, dass das Urteil bei richtigem Verfahren anders ausgefallen wäre (vgl. z.B. Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz 96, m.w.N.).

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Soweit die Beschwerdeführer rügen, die Feststellungen des FG stimmten nicht mit dem Vortrag der Klägerin zu den Eigentumsverhältnissen an Materialien und Teilen einer galvanischen Anlage, zu den zivilrechtlichen Grundlagen der Nutzung einer Halle und zur Höhe von Anzahlungen der Klägerin überein, kann offenbleiben, ob es sich hierbei um einen Verfahrensmangel i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO handelt. Denn es ist schon nicht schlüssig dargetan oder sonst ersichtlich, dass es hierauf für die angefochtene Entscheidung überhaupt ankam. Das FG hat seine Würdigung, dass die streitbefangene Forderung der Klägerin aus dem vom Beigeladenen abgegebenen abstrakten Schuldanerkenntnis nicht gewinnmindernd abgeschrieben werden könne, darauf gestützt, dass dieses Schuldanerkenntnis durch die gesellschaftliche Beteiligung des Beigeladenen und nicht durch den Betrieb der Klägerin veranlasst gewesen sei. Hat das FG damit auch einen Zusammenhang mit der vom Beigeladenen herzustellenden Anlage verneint, so kam es für die Entscheidung des FG auf den angeblich falsch gewürdigten oder unberücksichtigt gelassenen Vortrag der Klägerin nicht an.

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Im Übrigen wenden sich die Beschwerdeführer im Kern nur gegen die tatsächliche und rechtliche Würdigung des FG, was --wie ausgeführt-- schon keinen die Zulassung der Revision rechtfertigenden Verfahrensfehler begründet.

 

Fundstellen

Haufe-Index 2276849

BFH/NV 2010, 445

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