Entscheidungsstichwort (Thema)

Widerruf der Bestellung auch angestellter Steuerberater bei Vermögensverfall

 

Leitsatz (NV)

  1. Bei Vermögensverfall eines Steuerberaters sind in der Regel Interessen der Auftraggeber gefährdet, es sei denn, der betreffende Steuerberater widerlegt diese Vermutung und weist nach, dass Auftraggeberinteressen ‐ ausnahmsweise ‐ trotz des Vermögensverfalls nicht gefährdet sind.
  2. § 46 Abs. 2 Nr. 4 StBerG ist auch auf angestellte Steuerberater anzuwenden; der Umstand, dass ein Steuerberater nur als Angestellter tätig wird, reicht nicht für den Nachweis aus, dass Mandanteninteressen von seinem Vermögensverfall nicht betroffen sind.
 

Normenkette

StBerG § 46 Abs. 2 Nr. 4

 

Nachgehend

BVerfG (Beschluss vom 08.10.2002; Aktenzeichen 1 BvR 1428/02)

 

Tatbestand

I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) ist Steuerberater. Derzeit übt er diesen Beruf im Angestelltenverhältnis aus. Der Kläger ist in Vermögensverfall geraten. Der Beklagte und Beschwerdegegner (die Steuerberaterkammer) hat deshalb seine Bestellung mit Bescheid vom 4. Februar 2000 widerrufen. Die dagegen erhobene Klage ist ohne Erfolg geblieben. In dem Urteil des Finanzgerichts (FG) heißt es, die Voraussetzungen des § 46 Abs. 2 Nr. 4 des Steuerberatungsgesetzes (StBerG), wonach die Bestellung bei Vermögensverfall zu widerrufen ist, lägen vor. Diese Vorschrift sei auf angestellte Steuerberater anzuwenden. Auch im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung sei ein Anspruch des Klägers auf Wiederbestellung, welcher die Aufrechterhaltung des Widerrufs der Bestellung ausschließe, nicht gegeben. Insbesondere habe der Kläger, um darzulegen, dass trotz des Vermögensverfalls Mandanteninteressen nicht beeinträchtigt seien, lediglich auf seine abhängige Stellung bei einem vereidigten Buchprüfer hingewiesen. Das reiche jedoch nicht aus. Weitere Gründe, die eine Interessengefährdung ausschließen könnten, ergäben sich weder aus den Akten noch aus dem Vorbringen des Klägers. Im Gegenteil gehe das Gericht von einer Interessengefährdung deshalb aus, weil der Kläger ersichtlich keinen Überblick mehr über seine eigenen finanziellen Angelegenheiten habe.

Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil richtet sich die Beschwerde des Klägers, mit der geltend gemacht wird, die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung und diene der Fortbildung des Rechts. Über den Fall eines Steuerberaters in Vermögensverfall, der nur angestellt tätig wird und gegen den ansonsten keine konkreten Vorwürfe erhoben werden, aus denen Interessen der Auftraggeber gefährdet sein könnten, sei bisher höchstrichterlich nicht entschieden. Die grundsätzliche Bedeutung ergebe sich im Übrigen aus der übermäßigen Beeinträchtigung der existenziellen Rechte aus Art. 12 Abs. 1 des Grundgesetzes. Ferner lägen Verfahrensfehler vor.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Beschwerde ist als unzulässig zu verwerfen. Sie ist zwar entgegen der Ansicht der Steuerberaterkammer wirksam dadurch erhoben worden, dass der Kläger die Beschwerdeschrift ―was nach Lage der Dinge nicht ernstlich zweifelhaft sein kann― namens seines Arbeitgebers unterzeichnet hat, welcher nach § 62a der Finanzgerichtsordnung (FGO) zum Auftreten vor dem Bundesfinanzhof (BFH) ―ebenso wie übrigens der Kläger selbst― befugt ist. Die Beschwerde scheitert jedoch daran, dass Verfahrensmängel, auf denen die Entscheidung des FG beruhen könnte (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO), in der Beschwerdebegründung nicht in einer den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO genügenden Weise bezeichnet sind, ohne dass dies näherer Ausführung bedürfte (§ 116 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 FGO), und dass auch sonst ein Revisionszulassungsgrund nicht schlüssig angegeben ist.

Die Beschwerde kann nämlich auch nicht nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 FGO zugelassen werden. Denn in der Beschwerdebegründung ist keine konkrete Rechtsfrage angegeben, die der Klärung in einem Revisionsverfahren bedürfte und in dem angestrebten Revisionsverfahren geklärt werden kann, und es ist auch sonst kein Grund bezeichnet, dessentwegen eine Revisionsentscheidung der Fortbildung des Rechts dienen könnte.

Der beschließende Senat hat in seinem Urteil vom 22. September 1992 VII R 43/92 (BFHE 169, 286, BStBl II 1993, 203) bereits rechtsgrundsätzlich geklärt, dass bei Vermögensverfall eines Steuerberaters in der Regel Interessen der Auftraggeber gefährdet sind und daher der Widerruf der Bestellung zu erfolgen hat, es sei denn der betreffende Steuerberater widerlegt die vorgenannte Vermutung und weist nach, dass Auftraggeberinteressen ―ausnahmsweise― trotz des Vermögensverfalls nicht gefährdet sind. Der Senat hat in diesem Zusammenhang hervorgehoben, dass es insoweit entscheidend auf die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles ankommt und der BFH an die tatrichterliche Würdigung des Sachverhaltes gebunden ist, wenn sie verfahrensrechtlich einwandfrei zustande gekommen und nicht durch Denkfehler oder die Verletzung von Erfahrungssätzen beeinflusst ist. Diese Entscheidung betraf allerdings einen Steuerberater, der selbständig tätig war. Es liegt jedoch auf der Hand und wird durch den Beschluss des Senats vom 8. Februar 2000 VII B 245/99 (BFH/NV 2000, 992) bestätigt, dass die Grundsätze dieser Entscheidung auf einen Steuerberater, der sich in einer Lage wie der Kläger befindet, übertragen werden können und dass dann statt auf die Gefährdung von Interessen der Mandanten des betreffenden Steuerberaters auf die Interessen der Mandanten seines Arbeitgebers abzustellen ist.

Der beschließende Senat hat ferner in diesem Beschluss in BFH/NV 2000, 992 ausgeführt, dass § 46 Abs. 2 Nr. 4 StBerG auch auf angestellte Steuerberater anzuwenden ist und dass der Umstand, dass ein Steuerberater nur als Angestellter tätig wird, nicht für den Nachweis ausreicht, dass Mandanteninteressen nicht betroffen sind. Der Streitfall unterscheidet sich zwar von dem dieser Entscheidung zugrunde liegenden Fall darin, dass der Steuerberater dort als Angestellter einer Steuerberatungsgesellschaft tätig war, er jedoch ―anders als der Kläger― aufgrund seiner gesellschaftsrechtlichen Stellung praktisch selbständig tätig war. Indes bedarf bei Berücksichtigung der beiden vorgenannten Entscheidungen nicht der Klärung in einem Revisionsverfahren, dass durch den bloßen Hinweis auf die Stellung als Angestellter die Vermutung einer Gefährdung von Mandanteninteressen auch dann nicht widerlegt werden kann, wenn es an einer vergleichbar selbständigen Stellung des betreffenden Steuerberaters fehlt. Auch in diesem Fall sind vielmehr nach den Grundsätzen des vorgenannten Urteils die Verhältnisse des Einzelfalls umfassend, und zwar in erster Linie vom Tatrichter, zu würdigen.

Welche grundsätzlich bedeutsame weitere Rechtsfrage die Beschwerde in dem angestrebten Revisionsverfahren geklärt wissen möchte und inwiefern eine Revisionsentscheidung in dem Fall des Klägers der Fortbildung des Rechts dienen soll, ist dem Beschwerdevorbringen nicht zu entnehmen. Das Beschwerdevorbringen befasst sich überwiegend nicht mit der Auslegung des § 46 Abs. 2 Nr. 4 StBerG und insbesondere den rechtlichen Anforderungen an die Widerlegung der von dem Vermögensverfall ausgelösten Vermutung der Gefährdung von Mandanteninteressen, sondern mit den konkreten Umständen des Falles des Klägers. Diesen hat indes das FG nachvollziehbar und insofern für den erkennenden Senat bindend anders gewürdigt als der Kläger; es hat insbesondere eingehend und ohne Verstoß gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze dargelegt, weshalb seiner Meinung nach die Vermutung einer Gefährdung von Mandanteninteressen nicht nur nicht entkräftet, sondern nach Sachlage konkret gegeben ist.

Dass der Widerruf der Bestellung des Klägers als Steuerberater in dessen Grundrecht auf freie Berufswahl eingreift und dieses angeblich verletzt, wie die Beschwerde sinngemäß rügt, ist nach § 115 Abs. 2 FGO kein Grund für die Zulassung einer Revision.

 

Fundstellen

Haufe-Index 776737

BFH/NV 2002, 1344

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