Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechtsmittel gegen Zurückweisung eines offensichtlich unzulässigen Ablehnungsgesuchs

 

Leitsatz (NV)

Die Zurückweisung eines offensichtlich unzulässigen Ablehnungsgesuchs in den Urteilsgründen kann nicht mit der Beschwerde angefochten werden.

 

Normenkette

FGO §§ 51, 128

 

Tatbestand

Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) erhoben unter dem Datum des 29. Oktober 1991 Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 1990 (Streitjahr) vom 11. Oktober 1991. Im Laufe des Einspruchsverfahrens trug ihr Bevollmächtigter (B) u. a. vor, der Grundfreibetrag und die Kinderfreibeträge seien aus verfassungsrechtlichen Gründen zu niedrig. Außerdem rügte B die Beschränkung der Abziehbarkeit von Vorsorgeaufwendungen, die Nichtberücksichtigung des Arbeitnehmerfreibetrages sowie den Ansatz einer zumutbaren Belastung. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt -- FA --) teilte B im Schreiben vom 13. Dezember 1991 mit, daß z. Zt. keine Einspruchsentscheidung ergehen könne, weil das Bundesverfassungsgericht durch Beschluß vom 12. Juni 1990 1 BvL 72/86 (BStBl II 1990, 664) die Kinderfrei beträge in der Fassung des Haushaltsbegleitgesetzes 1983 vom 20. Dezember 1982 (BGBl I 1982, 1857) für verfassungswidrig erklärt habe und nicht absehbar sei, wie der Gesetzgeber den Kinderlastenausgleich neu regeln werde und welche Folgerungen für die Jahre nach 1985 zu ziehen seien.

Mit Schriftsatz vom 27. Mai 1992, beim Finanzgericht (FG) eingegangen am 7. September 1992, erhoben die Kläger durch B Untätigkeitsklage gemäß § 46 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Mit Schreiben vom 15. März 1994, beim FG eingegangen am 20. Januar 1995 (Tag der mündlichen Verhandlung), lehnte B den Vorsitzenden Richter R sowie die -- nicht (mehr) am Verfahren beteiligten -- Richter N und O wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Hierzu bezog sich B auf diverse, dem Ablehnungsgesuch in Ablichtung beigefügte Schreiben, in denen B insbesondere das Verhalten des Vorsitzenden Richters R in anderen Verfahren rügte, in denen B Prozeßbevollmächtigter gewesen war. Zuletzt beantragte B, einen Kinderfreibetrag von 17 000 DM zu berücksichtigen. Außerdem wandte er sich dagegen, daß das FA den angefochtenen Einkommensteuerbescheid hinsichtlich einzelner Besteuerungsgrundlagen für vorläufig erklärt hatte.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 20. Februar 1995 erschien für die Kläger niemand. Das FG verwarf die Klage als unzulässig, da für sie kein Rechtsschutzbedürfnis bestehe. In den Urteilsgründen wies es auch das Befangenheitsgesuch zurück. Es führte hierzu aus, daß das Ablehnungsgesuch fast ausschließlich verunglimpfenden Charakter habe und daß offensichtlich verfahrensfremde Zwecke wie die Verzögerung des Verfahrens verfolgt werden sollten. Der Ablehnungsantrag könnte daher ohne weiteres als rechtsmißbräuchlich oder unbeachtlich angesehen werden. Dies brauche jedoch nicht entschieden zu werden. Das Befangenheitsgesuch sei unzulässig, weil die Klägerseite das Ablehnungsrecht verwirkt habe. Dem Prozeßbevollmächtigten seien die geltend gemachten Befangenheitsgründe bereits vor Erlaß des Vorbescheids bekannt gewesen. Er habe mündliche Verhandlung beantragt, ohne diese Gründe geltend zu machen. Der einzig neue Tatsachenvortrag sei bar jeden Wahrheitsgehalts. Das FG ließ die Revision zum Bundesfinanzhof (BFH) nicht zu.

Gegen die Nichtzulassung wandten sich die Kläger mit der Beschwerde. In der Rechtsmittelfrist führte B eingangs außerdem aus, daß er auch gegen die Entscheidung des FG über das Ablehnungsgesuch betreffend den Vorsitzenden Richter R Beschwerde einlege. Eine Begründung wollte er nachreichen, sie ging jedoch nicht ein.

 

Entscheidungsgründe

Der erkennende Senat wertet die Ausführungen zu Beginn der Rechtsmittelschrift nicht als bloße unselbständige Verfahrensrüge im Rahmen der gegen das Urteil eingelegten Nichtzulassungsbeschwerde, sondern als selbständige Beschwerde. Zwar hat der Senat mit Beschluß vom 8. Mai 1992 III B 123/92 (BFH/NV 1993, 244) ähnliche Ausführungen wie in der Beschwerdeschrift aus Kostengründen nicht als selbständiges Rechtsmittel angesehen. Eine solche Auslegung ist hier jedoch nicht möglich. Da B in Kenntnis der erwähnten Senatsentscheidung in BFH/NV 1993, 244 im Streitfall wiederum ausdrücklich neben der Nichtzulassungsbeschwerde und der -- zwischenzeitlich zurückgenommenen -- Revision Beschwerde gegen die Verwerfung des Ablehnungsgesuchs eingelegt hat und auch noch eine eigene Begründung angekündigt hat, kann dies nur so verstanden werden, daß es sich um eine selbständige Beschwerde handeln soll.

Die Beschwerde ist unzulässig.

Die Zurückweisung eines Antrags auf Ablehnung eines Richters ist nur dann selbständig mit der Beschwerde anfechtbar, wenn sie durch gesonderten Beschluß erfolgt (vgl. Senatsbeschluß in BFH/NV 1993, 244). Ein solcher gesonderter Beschluß ist nicht erforderlich, wenn das Ablehnungsgesuch mißbräuchlich oder aus sonstigen Gründen offenbar unzulässig ist (Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl., § 51 Rz. 57; vgl. auch BFH-Beschlüsse vom 22. März 1994 X B 81/93, BFH/NV 1994, 498 sowie vom 13. März 1995 X B 227/94, BFH/NV 1995, 905). In solchen Fällen kann das Gericht in den Urteilsgründen darlegen, daß es das Ablehnungsgesuch für unzulässig hält. Diese Urteilsgründe können nicht selbständig angefochten werden; sie unterliegen der Prüfung nur im Rahmen von Rechtsmitteln gegen das Urteil.

Im Streitfall hat das FG das Ablehnungs gesuch als offensichtlich unzulässig an gesehen und daher darüber nicht in einem gesonderten Beschluß, sondern in den Urteilsgründen befunden. Die Beschwerde dagegen ist nicht statthaft.

 

Fundstellen

Haufe-Index 421519

BFH/NV 1997, 38

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