Leitsatz (amtlich)

Bei einer Anpassung der Einkommensteuervorauszahlungen gemäß § 35 Abs. 2 Satz 3 EStG (sog. fünfte Vorauszahlung) war, wenn die Fälligkeit im Erhebungszeitraum lag, der Konjunkturzuschlag festzusetzen.

 

Normenkette

EStG § 35 Abs. 2; KonjZG § 1

 

Tatbestand

Streitig war die Festsetzung des Konjunkturzuschlags nach dem Gesetz über die Erhebung eines rückzahlbaren Konjunkturzuschlags zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer – KonjZG – vom 23. Juli 1970 (BGBl I 1970, 1125, BStBl I 1970, 914) bei der nachträglichen Anpassung der Einkommensteuervorauszahlungen gemäß § 35 Abs. 2 Satz 3 EStG.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (Finanzamt – FA –) hatte mit Vorauszahlungsbescheid vom 12. Mai 1971 (Absendetag) im Wege der nachträglichen Anpassung gemäß § 35 Abs. 2 Sätze 3 und 4 EStG (sog. fünfte Vorauszahlung) unter Berücksichtigung der zum 10. Oktober 1970 bereits festgesetzten Einkommensteuervorauszahlungen für 1970 weitere Vorauszahlungen von 26 300 DM und den Konjunkturzuschlag mit 2 630 DM festgesetzt.

Nach erfolgloser Beschwerde gegen die Festsetzung des Konjunkturzuschlags begehrte der Kläger und Revisionskläger (Kläger) beim Finanzgericht (FG), den Vorauszahlungsbescheid vom 12. Mai 1971 insoweit aufzuheben, als er die Festsetzung des Konjunkturzuschlags betraf. Das FG wies die Klage ab. Es führte aus, daß zu den im KonjZG genannten Voraussetzungen nicht nur die zu den in § 35 Abs. 1 EStG bestimmten Vorauszahlungsterminen zu leistenden Steuerbeträge, sondern auch die im Erhebungszeitraum (1. August 1970 bis 30. Juni 1971) erstmals fällig gewordenen Anpassungsvorauszahlungen gemäß § 35 Abs. 2 Sätze 3 und 4 EStG gehörten. Maßgebend sei der erstmalige Fälligkeitszeitpunkt.

In seiner Revision beantragte der Kläger, die Vorentscheidung aufzuheben und ihn entsprechend dem Klageantrag von der Erhebung des Konjunkturzuschlags in Höhe von 2 630 DM freizustellen. Er stützte sich darauf, daß der Vorauszahlungstermin der sog. fünften Rate nicht gesetzlich bestimmt sei. Der gemäß § 35 Abs. 2 Sätze 3 und 4 BStG nachgeforderte Vorauszahlungsbetrag habe vielmehr den Charakter einer vorweggenommenen Abschlußzahlung.

Das FA beantragte, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Der Rechtsstreit hat sich in der Hauptsache erledigt, da der Konjunkturzuschlag inzwischen nicht mehr erhoben wird und erhobene Beträge zurückzuzahlen sind (§ 3 Abs. 1 und 2 KonjZG; Verordnung über die Freigabe des Konjunkturzuschlags vom 15. Mai 1972, BGBl I 1972, 773, BStBl I 1972, 397). Da die Beteiligten ihrerseits die Hauptsache für erledigt erklärt haben, hat der Senat nach § 138 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) nur noch über die Kosten zu entscheiden. Die Entscheidung geschieht nach billigem Ermessen. Dabei ist der bisherige Sach- und Streitstand zu berücksichtigen. Hiernach sind die Kosten dem Kläger aufzuerlegen. Denn in der Sache selbst war die Rechtsauffassung des FA begründet.

Nach § 1 Abs. 1 KonjZG hatten unbeschränkt Steuerpflichtige, die zur Einkommensteuer veranlagt wurden, zu den Vorauszahlungen (§ 35 EStG), die in der Zeit nach dem 31. Juli 1970 und vor dem 1. Juli 1971 fällig wurden, einen rückzahlbaren Zuschlag in Höhe von 10 v. H. zu entrichten, falls die betreffenden Vorauszahlungen jeweils mehr als 300 DM betrugen. Um die Festsetzung einer Vorauszahlung im Sinne dieser Vorschrift handelte es sich auch bei der im Streitfall vorgenommenen Anpassung der Vorauszahlungen gemäß § 35 Abs. 2 Satz 3 EStG. Diese sog, fünfte Vorauszahlung ist nach dem klaren Wortlaut des § 35 Abs. 2 EStG und nach der Stellung der Vorschrift im Gesetz (die Überschrift des § 35 EStG lautet: „Vorauszahlungen”) eine echte Vorauszahlung und nicht eine vorweggenommene Abschlußzahlung, wie der Kläger meint. Dies ergibt sich auch aus der Vorschrift des § 47 EStG, welche die Abschlußzahlungen regelt. In Abs. 2 dieser Vorschrift werden die nach § 35 Abs. 2 Sätze 3 und 4 EStG festgesetzten Zahlungen ausdrücklich als Vorauszahlungen bezeichnet. In § 1 Abs. 1 KonjZG ist auf § 35 EStG ohne Einschränkung Bezug genommen.

Auch der Gesetzeszweck läßt eine unterschiedliche Behandlung der Vorauszahlungen im Sinne des § 35 Abs. 1 EStG einerseits und der fünften Vorauszahlung gemäß § 35 Abs. 2 Satz 3 EStG andererseits im Hinblick auf die Erhebung des Konjunkturzuschlags als nicht gerechtfertigt erscheinen. Der Zweck des Gesetzes war, mit verhältnismäßig geringem Verwaltungsaufwand möglichst schnell das konjunkturpolitisch erwünschte Ziel einer Dämpfung der Gesamtnachfrage durch Abschöpfung von Massenkaufkraft zu erreichen. Aus diesem Grunde knüpfte der Gesetzgeber für die Erhebung des Konjunkturzuschlags nicht an das endgültig festgestellte Einkommen, sondern an die vorläufig ermittelten Beträge (Einkommensteuervorauszahlungen, Lohnsteuerabzüge) an, wobei in Kauf genommen wurde, daß diese Beträge höher oder geringer sein konnten als diejenigen, die sich aufgrund der endgültig ermittelten Steuer ergeben hätten (vgl. Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 15. Dezember 1970 1 BvR 559, 571, 586/70, BStBl II 1971, 39, Abschn. II 2, III 1). Dementsprechend führte nach § 1 Abs. 2 KonjZG „jede Lohnzahlung” zur Erhebung des Konjunkturzuschlags, gleichgültig, ob es sich um laufende Bezüge, um Vorschüsse oder um Nachzahlungen handelte, vorausgesetzt nur, daß die tatsächliche Zahlung in den für Lohnsteuerpflichtige maßgeblichen Erhebungszeitraum zwischen dem 1. August 1970 und dem 30. Juni 1971 fiel (vgl. Herrmann-Heuer, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, Anm. 16 zu § 35 [Anh.] EStG; Erlaß des Bundesministers der Finanzen vom 22. Juli 1970, BStBl I 1970, 917). Dieser für Lohnsteuerpflichtige maßgebenden Regelung entspricht es, für Steuerpflichtige, die zur Einkommensteuer veranlagt werden, jede Vorauszahlung im Sinne des § 35 EStG, bei der der erstmalige Fälligkeitstag in den Erhebungszeitraum vom 1. August 1970 bis 30. Juni 1971 fiel, mit der Festsetzung eines Konjunkturzuschlags zu verknüpfen. Die an die fünfte Vorauszahlung geknüpfte Konjunkturzuschlagspflicht zu verneinen ist um so weniger gerechtfertigt, als – wie im Streitfalle – die Anpassung zum vierten Vorauszahlungstermin (10. Dezember 1970) bereits zur Festsetzung und Erhebung des Konjunkturzuschlags geführt hätte. Aus alledem folgt, daß bei einer rückwirkenden Erhöhung der Vorauszahlungen der Konjunkturzuschlag festzusetzen war, wenn die Fälligkeit (§ 35 Abs. 2 Satz 4 EStG) im Erhebungszeitraum lag (vgl. auch Herrmann-Heuer, a. a. O., Anm. 15 zu § 35 [Anh.] EStG).

Gegen die Feststellung des FG, daß im Streitfall der Fälligkeitstermin noch im Erhebungszeitraum lag, hat der Kläger keine Einwendungen erhoben.

 

Fundstellen

Haufe-Index 514584

BFHE 1974, 565

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