Entscheidungsstichwort (Thema)

Sofortabschreibung nach § 6 Abs. 2 EStG ist bei Totalgewinnprognose zu berücksichtigen

 

Leitsatz (NV)

1. Es ist geklärt, dass bei der Totalgewinnprognose einerseits negative Einkünfte aus der Anwendung von Subventions- und Lenkungsnormen nicht berücksichtigt werden dürfen, andererseits Auswirkungen von Vereinfachungsvorschriften einzubeziehen sind.

2. § 6 Abs. 2 EStG ist keine Subventionsnorm, sondern eine Vereinfachungsvorschrift.

 

Normenkette

EStG § 6 Abs. 2, § 15 Abs. 2

 

Verfahrensgang

Niedersächsisches FG (Urteil vom 09.11.2004; Aktenzeichen 12 K 383/98)

 

Gründe

Die Beschwerde ist nicht begründet und war deshalb zurückzuweisen.

1. Aus den von den Klägern und Beschwerdeführern (Kläger) herausgearbeiteten Rechtsfragen ergibt sich keine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO).

a) Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, wenn über Rechtsfragen zu entscheiden ist, deren Klärung das Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt und die klärungsbedürftig und im Streitfall klärbar sind (ständige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs --BFH--, vgl. z.B. Beschlüsse vom 15. Juli 1966 VI B 2/66, BFHE 86, 708, BStBl III 1966, 628, und vom 30. August 2001 IV B 79, 80/01, BFHE 196, 30, BStBl II 2001, 837). Nicht klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage, die höchstrichterlich bereits entschieden ist, ohne dass zwischenzeitlich neue gewichtige Gesichtspunkte in Erscheinung getreten sind (BFH-Beschluss vom 21. Juli 1977 IV B 16-17/77, BFHE 123, 48, BStBl II 1977, 760). Nicht grundsätzlich bedeutsam sind auch Streitigkeiten, die maßgeblich von der Beurteilung der tatsächlichen Besonderheiten des konkreten Sachverhalts abhängig sind (Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 115 Rz. 23).

b) Die Kläger machen geltend, die Feststellung der Gewinnerzielungsabsicht mittels einer Prognose über den Totalgewinn erfordere eine höchstrichterliche Befassung mit der Problematik der kurzfristigen Veräußerung. Die vom BFH hierzu aufgestellten Grundsätze seien für die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung von Immobilien auf der Grundlage einer typischen Nutzungsdauer von 99 Jahren entwickelt worden. Die Anwendung dieser Grundsätze auf kurzlebige Wirtschaftsgüter führe dazu, dass deren Übertragung stets mit dem Risiko behaftet sei, ein dauerhaft gewinnbringendes Geschäft könne nicht angenommen werden.

Diese Rechtsfrage verleiht dem Streitfall indessen keine grundsätzliche Bedeutung, weil es auf ihre Klärung für die Entscheidung nicht ankommt. Das Finanzgericht (FG) hat für die Totalgewinnprognose auf den Zeitraum von der Gründung der Gesellschaft bis zur unentgeltlichen Übertragung der Anteile auf die Kläger abgestellt. Die Lebensdauer der zum Betriebsvermögen gehörenden Wirtschaftsgüter war dafür ohne Bedeutung. Im Übrigen waren die entstandenen Verluste nicht eine Folge der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer der Wirtschaftsgüter, sondern der Inanspruchnahme der Sofortabschreibung nach § 6 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG).

c) Nicht klärungsbedürftig ist die von den Klägern herausgearbeitete Rechtsfrage, ob die Gewinnerzielungsabsicht verneint werden darf, wenn Minderungen des Betriebsvermögens alleine durch die Inanspruchnahme eines Bewertungswahlrechts entstehen.

Diese Frage ist insoweit durch die Rechtsprechung des BFH geklärt, als negative Einkünfte aus der Anwendung von Subventions- und Lenkungsnormen nicht berücksichtigt werden dürfen, um den Zweck der Begünstigung nicht zu gefährden (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 30. September 1997 IX R 80/94, BFHE 184, 406, BStBl II 1998, 771, Nr. 2 e, der Gründe). Andererseits ist ebenfalls geklärt, dass Auswirkungen aus der Anwendung von Vereinfachungsvorschriften für die steuerliche Gewinnermittlung bei der Totalgewinnprognose zu berücksichtigen sind; denn der Prognose ist der nach steuerlichen Grundsätzen ermittelte Gewinn zu Grunde zu legen (BFH-Urteil vom 6. März 2003 IV R 26/01, BFHE 202, 119, BStBl II 2003, 702).

§ 6 Abs. 2 EStG ist entgegen der Ansicht der Kläger keine Subventions- und Lenkungsnorm, sondern eine Vereinfachungsvorschrift, die eine "Sofortabschreibung" anstelle der an sich gebotenen Aktivierung und Aufwandsverteilung nach § 7 EStG gestattet (BFH-Urteil vom 27. Januar 1994 IV R 101/92, BFHE 174, 224, BStBl II 1994, 638). Wird von dieser Vereinfachung Gebrauch gemacht, ist die dadurch eingetretene Gewinnminderung im Rahmen der Totalgewinnprognose zu berücksichtigen.

Dies birgt allerdings entgegen der Auffassung der Kläger noch nicht automatisch die Gefahr, dass auf ein Fehlen der Gewinnerzielungsabsicht geschlossen wird. Denn im Rahmen der Totalgewinnprognose sind auch die stillen Reserven zu berücksichtigen, die aus der Inanspruchnahme der Sofortabschreibung resultieren. Dass sich die stillen Reserven im Streitfall aber nicht zugunsten des Vaters der Kläger auswirkten, hing alleine damit zusammen, dass die stillen Reserven planmäßig im Wege der unentgeltlichen Übertragung von Mitunternehmeranteilen auf die Kläger übergehen sollten. Dies ist allerdings eine Besonderheit des Streitfalls, die nicht zur Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung führen kann.

d) Auch aus dem Hinweis auf einen Verstoß gegen Art. 6 des Grundgesetzes (GG) kann sich keine grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 FGO ergeben. Die Kläger machen insoweit geltend, der Schutzbereich des Art. 6 GG sei verletzt, weil sie als Empfänger der unentgeltlichen Übertragung wegen der Nichtberücksichtigung der Anschaffungskosten des Vaters und Rechtsvorgängers einen zu hohen Gewinn hätten versteuern müssen. Die Nichtberücksichtigung der Anschaffungskosten beruht indessen lediglich darauf, dass der Vater ohne Gewinnerzielungsabsicht steuerliche Verluste dadurch geschaffen hat, dass die von ihm beherrschte KG für die angeschafften Kisten die sofortige Abschreibung nach § 6 Abs. 2 EStG gewählt hat. Es handelt sich dabei um einen Nachteil, der nicht auf die familiäre Bindung des Vaters zu seinen Kindern, sondern --wie z.B. auch in jedem Fall der sog. Liebhaberei-- auf das Fehlen der Gewinnerzielungsabsicht zurückzuführen ist. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass der Vater diesen Weg möglicherweise gewählt hat, um --entsprechend einem Gutachten "zu den ertrag- und schenkungsteuerlichen Voraussetzungen und Konsequenzen des sog. GWG-Familienfonds"-- den Wert der Kommanditbeteiligung im Hinblick auf die Bemessung der bei der Schenkung an seine Kinder zu erwartenden Erbschaftsteuer auszuhöhlen. Die Voraussetzungen für das Vorliegen eines "Generationenbetriebs" hat das FG aus tatsächlichen Gründen verneint.

Im Übrigen trifft es nicht zu, dass die Anschaffungskosten des Vaters endgültig unberücksichtigt blieben. Zwar konnte der Vater die Anschaffungskosten nicht in eigener Person ertragsteuerlich geltend machen, weil er mangels Gewinnerzielungsabsicht kein Mitunternehmer der damaligen Kommanditgesellschaft war. Stattdessen waren die steuerlichen Verluste jedoch der Komplementärin zuzurechnen, so dass sich die Anschaffungskosten des Vaters der Kläger jedenfalls in der Person der Komplementärin ertragsteuerlich ausgewirkt hätten.

Soweit das FG in diesem Punkt eine andere Rechtsauffassung vertreten hat, kann der beschließende Senat dem FG nicht folgen. Für die Kläger ergibt sich daraus jedoch kein Vorteil. Vorteilhaft ist die Rechtsauffassung des beschließenden Senats alleine für die vom FG beigeladene Rechtsnachfolgerin der Komplementärin, die jedoch keine Beschwerde wegen der Nichtzulassung der Revision erhoben hat.

2. Soweit sich die Kläger für die Zulassung der Revision auf § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO stützen, hat die Beschwerde ebenfalls keinen Erfolg.

a) Nach dieser Vorschrift ist die Revision zuzulassen, wenn eine Entscheidung des BFH zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist. Die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert die Zulassung der Revision jedenfalls dann, wenn eine Entscheidung des BFH geeignet und erforderlich ist, um künftige unterschiedliche Entscheidungen einer Rechtsfrage zu verhindern. Das kann dann der Fall sein, wenn das FG von der Rechtsprechung des BFH oder anderer Gerichte abgewichen ist oder Unterschiede in der finanzgerichtlichen Rechtsprechung bestehen oder zu erwarten sind (BFH-Beschluss vom 18. Juli 2001 X B 46/01, BFH/NV 2001, 1596).

Die nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO gebotene Darlegung des Revisionszulassungsgrundes erfordert, dass der Beschwerdeführer einen abstrakten Rechtssatz herausarbeitet, der das FG-Urteil trägt. Dem ist ein abweichender tragender Rechtssatz aus einer genau bezeichneten Entscheidung des BFH gegenüberzustellen (ständige Rechtsprechung des BFH, vgl. z.B. Beschlüsse vom 30. März 1983 I B 9/83, BFHE 138, 152, BStBl II 1983, 479, und vom 7. Oktober 2003 X B 52/03, BFH/NV 2004, 80).

b) Selbst bei Anlegung eines großzügigen Maßstabs kann danach die Rüge, mit der Ablehnung der Gewinnerzielungsabsicht wegen der kurzfristig geplanten Buchwertübertragung sei das FG von der Rechtsprechung des BFH abgewichen, nicht als schlüssig begründet angesehen werden. Denn es fehlt an der Bezeichnung einer konkreten BFH-Entscheidung und der Gegenüberstellung abweichender Rechtssätze. Die Ausführungen auf S. 3 ff. der Beschwerdebegründung enthalten lediglich eine inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Urteil des FG in der Art einer Revisionsbegründung. Dies ist für die schlüssige Darlegung einer Abweichung jedoch nicht ausreichend.

c) Soweit die Kläger eine Abweichung von dem BFH-Urteil vom 1. Oktober 1992 IV R 130/90 (BFHE 170, 36, BStBl II 1993, 574) geltend machen, kann dahinstehen, ob den genannten Anforderungen an eine schlüssige Darlegung der Abweichung genügt ist. Selbst wenn dies der Fall sein sollte, müsste die Zulassung der Revision daran scheitern, dass die Kläger durch die Abweichung nicht in ihren Rechten verletzt wären. Denn weder als Rechtsnachfolger ihres Vaters noch in eigener Person als Übertragungsempfänger hätten sie einen Vorteil davon, wenn die vom Vater wegen fehlender Mitunternehmerstellung nicht zu nutzenden Verluste der Komplementärin zuzurechnen wären (s. vorstehend unter 1.d). Lediglich die Komplementärin selber könnte eine Rechtsverletzung geltend machen. Sie war zwar als Beigeladene an dem Verfahren vor dem FG beteiligt, hat aber selbst keine Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision eingelegt.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1672488

BFH/NV 2007, 231

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