Entscheidungsstichwort (Thema)

Nachträgliche Klagehäufung ist zustimmungsbedürftige Klageänderung

 

Leitsatz (NV)

Die Einführung weiterer selbständiger Verfahrensgegenstände in das Klageverfahren stellt eine Klageänderung dar, die nur zulässig ist, wenn die übrigen Beteiligten zustimmen oder das Gericht die Klageänderung für sachdienlich hält.

 

Normenkette

FGO § 62 Abs. 4, §§ 67, 128 Abs. 2

 

Verfahrensgang

FG Mecklenburg-Vorpommern (Beschluss vom 12.03.2009; Aktenzeichen 1 K 41/06)

 

Tatbestand

I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) hat beim Finanzgericht (FG) Mecklenburg-Vorpommern wegen einer Vielzahl von Steuer- und Feststellungsbescheiden unter dem Aktenzeichen 1 K 41/06 Klage erhoben.

Während des anhängigen Klageverfahrens hat der Beklagte und Beschwerdegegner --das Finanzamt (FA)-- (Erst-)Bescheide über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer zum 31. Dezember 2002 bis 31. Dezember 2006 erlassen. Die dagegen eingelegten Einsprüche hat das FA wegen Versäumung der Einspruchsfrist als unzulässig verworfen.

Im Klageverfahren 1 K 41/06 begehrt der Kläger klageerweiternd die Einspruchsentscheidung aufzuheben und die Feststellung der Verlustvorträge zum 31. Dezember 2002 bis 31. Dezember 2006 abzuändern.

Das FG hat nach Anhörung der Verfahrensbeteiligten das Verfahren wegen der Bescheide über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer zum 31. Dezember 2002 bis 31. Dezember 2006 mit Beschluss vom 12. März 2009 abgetrennt und diesem Verfahren das neue Aktenzeichen 1 K 96/09 zugeteilt. Auf die Unanfechtbarkeit des Beschlusses gemäß § 128 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ist ausdrücklich hingewiesen worden.

Gleichwohl legte der Kläger persönlich mit Schriftsatz vom 2. April 2009 sofortige Beschwerde beim FG ein, die er im Wesentlichen darauf stützt, dass die Voraussetzungen für eine Abtrennung des Verfahrens nicht vorliegen.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

1. Sie ist zum einen unstatthaft, weil Beschlüsse über die Trennung von Klageverfahren nach § 128 Abs. 2 FGO nicht mit der Beschwerde angefochten werden können, was auch aus der Rechtsmittelbelehrung in dem vorbezeichneten Beschluss hervorgeht.

2. Sie ist zum anderen unzulässig, weil der Kläger den Vertretungszwang vor dem Bundesfinanzhof (BFH) nach § 62 Abs. 4 FGO nicht beachtet hat. Vor dem BFH muss sich jeder Beteiligte, sofern es sich nicht um eine juristische Person des öffentlichen Rechts oder um eine Behörde handelt, durch einen Rechtsanwalt, Steuerberater, Steuerbevollmächtigten, Wirtschaftsprüfer oder vereidigten Buchprüfer als Bevollmächtigten vertreten lassen. Zur Vertretung berechtigt sind ferner auch Gesellschaften i.S. des § 3 Nr. 2 und 3 des Steuerberatungsgesetzes, die durch solche Personen handeln (§ 62 Abs. 4 Satz 3 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 FGO). Im Streitfall ist die Beschwerde nicht von einer solchen Person oder Gesellschaft eingelegt worden. Der Kläger selbst kann keine wirksame Prozesshandlung vornehmen.

3. Ergänzend weist der Senat auf Folgendes hin. Dem Begehren des Klägers, das Klageverfahren 1 K 41/06 um das Änderungsbegehren wegen der Bescheide über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer zum 31. Dezember 2002 bis 31. Dezember 2006 zu erweitern, konnte prozessrechtlich nicht entsprochen werden. Tatsächlich handelte es sich um einen Fall der nachträglichen objektiven Klagehäufung, weil der Kläger weitere selbständige Verfahrensgegenstände in das Verfahren einführen wollte. Die nachträgliche Klagehäufung ist aber eine Klageänderung i.S. des § 67 FGO (vgl. BFH-Urteil vom 5. Juni 1991 II R 83/88, BFH/NV 1992, 267). Eine Klageänderung ist indes nur zulässig, wenn die übrigen Beteiligten zustimmen oder das Gericht die Änderung für sachdienlich hält. Beide Voraussetzungen waren im Streitfall nicht erfüllt. Das FG hat das Klagebegehren daher im Ergebnis zutreffend als eigenständiges neues Klageverfahren in dem Gerichtsregister aufgenommen und ihm ein neues Aktenzeichen zugeteilt. Zwar hätte es insoweit eines Trennungsbeschlusses nicht bedurft. Durch den gleichwohl erlassenen Beschluss, der eine eigene Kostenfolge nicht ausgelöst hat, ist der Kläger aber in keiner Weise beschwert.

 

Fundstellen

Haufe-Index 2251949

BFH/NV 2010, 47

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