Entscheidungsstichwort (Thema)

NZB: Wiedereinsetzung, Versäumung der Frist zur Einlegung der NZB

 

Leitsatz (NV)

1. Die Fristversäumung ist verschuldet, wenn die gebotene und nach den Umständen zumutbare Sorgfalt außer Acht gelassen wird. Jedes Verschulden ‐ auch einfache Fahrlässigkeit ‐ schließt die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aus.

2. Führen Steuerpflichtige für gleichgelagerte Sachverhalte in verschiedenen Streitjahren nicht ‐ was ihnen möglich gewesen wäre ‐ einen sondern zwei Prozesse, die beim FG unter verschiedenen Aktenzeichen geführt werden, müssen sie davon ausgehen, dass demgemäß auch zwei FG-Entscheidungen ergehen, die ihnen zuzustellen sind.

3. Enthält eine Zustellungsurkunde zwei Aktenzeichen sowie den Hinweis "Urteile vom 22.11.2001" muss einem geschäftlich nicht unerfahrenen Empfänger dieser Schriftstücke auffallen, dass ihm zwei verschiedene Schriftstücke zugestellt werden.

 

Normenkette

FGO §§ 56, 116 Abs. 2 S. 1

 

Verfahrensgang

FG Köln (Urteil vom 22.11.2001; Aktenzeichen 10 K 6472/98)

 

Gründe

Die Beschwerde ist unzulässig. Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) haben gegen das ihnen am 11. bzw. am 15. Dezember 2001 zugestellte finanzgerichtliche Urteil, mit dem ihre Klage teilweise abgewiesen wurde, Nichtzulassungsbeschwerde erhoben. Die Beschwerde ist jedoch nicht innerhalb der Monatsfrist des § 116 Abs. 2 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) sondern erst am 25. Februar 2002 beim Bundesfinanzhof (BFH) eingegangen. Sie ist daher zu verwerfen (§ 116 Abs. 5 FGO).

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde ist den Klägern nicht zu gewähren. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 56 FGO) kommt nur in Betracht, wenn der Kläger ohne Verschulden verhindert war, die Beschwerde innerhalb der Monatsfrist des § 116 Abs. 2 Satz 1 FGO durch eine zur Vertretung vor dem BFH befugte Person einlegen zu lassen (§ 62 a Abs. 1 Satz 2 FGO). Hier kann jedoch nicht davon ausgegangen werden, dass die Kläger die Frist zur Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde unverschuldet versäumt haben. Den Klägern ist zwar zuzugestehen, dass die Zustellung der beiden Urteile des Finanzgerichts (FG) Köln 10 K 6472/98 und 10 K 5735/96 in einem Briefumschlag theoretisch Anlass für eine Verwechselung bzw. einen Irrtum sein könnte. Andererseits ist zu bedenken, dass die Kläger vor dem FG für gleichgelagerte Sachverhalte in verschiedenen Streitjahren (1994 und 1995) nicht --was ihnen möglich gewesen wäre-- einen, sondern zwei Prozesse geführt haben, die beim FG verschiedene Aktenzeichen hatten. Die Kläger mussten deshalb davon ausgehen, dass demgemäß auch zwei FG-Urteile ergehen, die ihnen zuzustellen waren. Da zudem die Zustellungsurkunden zwei Aktenzeichen enthielten sowie den Hinweis "Urteile vom 22.11.2001" hätte den geschäftlich nicht unerfahrenen Klägern als Empfänger dieser Schriftstücke auffallen müssen, dass ihnen zwei verschiedene Schriftstücke zugestellt werden. Da die Fristversäumung verschuldet ist, wenn die gebotene und nach den Umständen zumutbare Sorgfalt außer Acht gelassen wurde und jedes Verschulden --also auch eine einfache Fahrlässigkeit-- die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ausschließt (vgl. BFH-Beschluss vom 11. Oktober 1991 VII R 32/90, BFH/NV 1994, 553; Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 56 Rz 11, m.w.N.), kam Wiedereinsetzung nicht in Betracht.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1411474

BFH/NV 2005, 1821

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