Entscheidungsstichwort (Thema)

Wiedereinsetzung wegen Versäumung der Frist für den Antrag auf Wiedereinsetzung wegen Versäumung der Klagefrist

 

Leitsatz (NV)

1. Wenn ein Kläger ohne Verschulden verhindert war, die Zweiwochenfrist für den Antrag auf Wiedereinsetzung wegen Versäumung der Klagefrist einzuhalten, ist ihm auf Antrag innerhalb von zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses insoweit Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.

2. Ein Verfahrensfehler des Finanzgerichts, der darin bestehen soll, daß es den Beginn der Frist für den Antrag auf Wiedereinsetzung verkannt habe, rechtfertigt eine Nichtzulassungsbeschwerde (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) nur, wenn das finanzgerichtliche Urteil auf dem Verfahrensfehler beruhen kann.

 

Normenkette

FGO § 56 Abs. 2, § 115 Abs. 2 Nr. 3

 

Verfahrensgang

FG Köln

 

Gründe

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nicht zulässig und war deshalb zu verwerfen.

1. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) begehrt sinngemäß die Zulassung der Revision wegen Verfahrensmangels (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung - FGO -), den er ausdrücklich als Verletzung des rechtlichen Gehörs bezeichnet hat, der aber nach dem gesamten Vorbringen auch in der Verletzung der Amtsaufklärungspflicht durch das Finanzgericht (FG) bestehen könnte. Der Kläger macht geltend, daß die angefochtene Entscheidung auf den erwähnten Verfahrensfehlern beruhe.

Das Vorbringen des Klägers erfüllt jedoch nicht die formellen Anforderungen, die § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO an die Begründung der Rüge solcher Verfahrensmängel stellt. Da es sich bei der Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs und der Verletzung der Amtsaufklärungspflicht durch das FG um sog. verzichtbare Verfahrensmängel handelt (§ 155 FGO i. V. m. § 295 der Zivilprozeßordnung - ZPO -), muß zur Bezeichnung der Mängel auch vorgetragen werden, daß der jeweilige Verfahrensverstoß vor dem FG gerügt worden ist (Beschluß des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 5. Oktober 1967 V B 29/67, BFHE 90, 452, BStBl II 1968, 179; Klein / Ruban, Der Zugang zum Bundesfinanzhof, Rdnr. 167). Das ist nicht geschehen. Aus der Begründung des Klägers ergibt sich ferner nicht, daß entsprechende Rügen vor dem FG nicht möglich gewesen seien.

Das finanzgerichtliche Urteil beruht u. a. auf der Feststellung, daß der am 17. März 1987 beim FG eingegangene Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der am 20. Januar 1987 (Dienstag) abgelaufenen Klagefrist gegen den Umsatzsteuerbescheid für 1980 verspätet gestellt worden ist, weil der Kläger durch die am 20. Februar 1987 zur Post gegebene Verfügung des FG Kenntnis von der verspäteten Klageerhebung erhalten hat. Verfahrensfehlerhaft soll das FG nach Darlegung des Klägers nicht erkannt haben, daß die Frist für den Antrag auf Wiedereinsetzung erst am 13. März 1987 nach Kenntnis von der bezeichneten Verfügung anläßlich der Rückkehr von einer Geschäftsreise begonnen habe. Über diese Frage ist aber nach der eigenen Darstellung des Klägers in seinem Schriftsatz vom 12. Februar 1988 (S. 3) vor dem FG gesprochen worden, ohne daß er ausweislich des Protokolls über die mündliche Verhandlung vor dem FG vom 23. September 1987 eine entsprechende Rüge erhoben oder Antrag auf Aufklärung des Sachverhalts gestellt hat.

2. Hinzu kommt, daß das finanzgerichtliche Urteil nicht auf dem angeblichen Verfahrensfehler - der Nichtberücksichtigung des Beginns der Frist für den Antrag auf Wiedereinsetzung erst am 13. März 1987 - beruhen kann.

a) Der Kläger räumt in dem erwähnten Schriftsatz vom 12. Februar 1988 ein, bei der Erklärung zur Niederschrift des Urkundsbeamten am 26. Januar 1987 sei über die Rechtzeitigkeit der Klageerhebung beim FG gesprochen und ihm sei erklärt worden, die Verspätung sei entschuldigt. Der BFH ist berechtigt, diese nach Ablauf der Beschwerdefrist vorgetragenen Tatsachen zu berücksichtigen und zu würdigen (Beschluß vom 30. April 1987 V B 86/86, BFHE 149, 437, BStBl II 1987, 502). Danach hatte der Kläger bereits vor dem oder spätestens am 26. Januar 1987 Kenntnis von der Verspätung. Die Zweiwochenfrist für den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 56 Abs. 2 Satz 1 FGO begann somit nicht erst mit dem Zugang des Schreibens des FG vom 20. Februar 1987, sondern bereits am 26. Januar 1987. Diese Frist war nach zwei Wochen, am 9. Februar 1987, abgelaufen. Wenn der Kläger ohne Verschulden verhindert gewesen sein sollte, die gesetzliche Zweiwochenfrist für den Antrag auf Wiedereinsetzung, betreffend Versäumung der Klagefrist, gemäß § 56 Abs. 2 Satz 1 FGO einzuhalten, so war ihm auf Antrag innerhalb von zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses insoweit Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Wird zugunsten des Klägers unterstellt, daß er wegen der behaupteten Auskunft beim FG vom 26. Januar 1987, die Verspätung der Klageerhebung sei entschuldigt, ohne Verschulden verhindert war, den Antrag auf Wiedereinsetzung wegen Versäumung der Klagefrist bereits innerhalb von zwei Wochen seit dem 26. Januar 1987 zu stellen, dann war dieses Hindernis mit der Kenntnis des Schreibens des FG vom 20. Februar 1987 weggefallen. Diesem Schreiben konnte der Kläger nämlich entnehmen, daß die verspätete Klageerhebung nicht als entschuldigt angesehen wurde. Nunmehr hätte der Kläger innerhalb von zwei Wochen Wiedereinsetzung wegen Versäumung der Frist für den Antrag auf Wiedereinsetzung betreffend die Versäumung der Klagefrist beantragen müssen. Dies hat der Kläger jedoch nicht getan. In dem beim FG am 17. März 1987 eingegangenen Schriftsatz vom 13. März 1987 hat der Kläger nur Wiedereinsetzung wegen Versäumung der Klagefrist beantragt. Wiedereinsetzung wegen Versäumung der spätestens am 13. März 1987 (Zeitpunkt, zu dem der Kläger nach seinen Angaben Kenntnis von der Verfügung des FG erhalten hat - Bl. 2 des Schriftsatzes vom 16. November 1987 -) begonnenen Zweiwochenfrist für diesen Wiedereinsetzungsantrag hat der fachkundig vertretene Kläger nicht begehrt.

b) Das Urteil des FG beruht im übrigen auch deshalb nicht auf dem angeblichen Verfahrensmangel, weil das FG in einer zusätzlichen Begründung für die Klageabweisung deutlich gemacht hat, daß es die Voraussetzungen für die Wiedereinsetzung wegen Versäumung der Klagefrist - unabhängig von dem Beginn der Frist für den Wiedereinsetzungsantrag - nicht als vorhanden angesehen hat. Gegen die Tatsachenwürdigung des FG, wonach der Kläger die Wiedereinsetzungsfrist schuldhaft versäumt hat, sind keine die Zulassung der Revision rechtfertigenden Gründe bezeichnet worden. Ist eine Entscheidung des FG aber auf mehrere tragende Gründe gestützt worden, muß hinsichtlich jedes Grundes ein Zulassungsgrund vorgebracht werden (vgl. BFH-Entscheidung vom 2. Mai 1974 IV B 3/74, BFHE 112, 337, BStBl II 1974, 524).

Im übrigen ergeht die Entscheidung ohne Bekanntgabe weiterer Gründe nach Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs.

 

Fundstellen

Haufe-Index 416231

BFH/NV 1989, 705

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