Entscheidungsstichwort (Thema)

Unterschiedliche Fristen für Abgabe einer Steuererklärung und für Antragsveranlagung verfassungsgemäß

 

Leitsatz (NV)

Die unterschiedlichen Fristen für die Abgabe einer Steuererklärung einerseits und für einen Antrag auf Veranlagung gemäß §46 Abs. 2 Nr. 8 EStG andererseits verstoßen offensichtlich nicht gegen den Gleichheitssatz.

 

Normenkette

EStG § 46 Abs. 2 Nr. 8; GG Art. 3 Abs. 1

 

Gründe

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs abgesehen.

Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

Es kann dahinstehen, ob die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache hinreichend dargelegt (§115 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --) oder nicht nur behauptet haben (vgl. dazu Beschlüsse des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 20. Juni 1994 III B 39/94, BFH/NV 1995, 50, und vom 1. September 1995 VIII B 12/95, BFH/NV 1996, 228).

a) Sie läßt sich jedenfalls nicht auf die von den Klägern vorgebrachten Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des §149 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) stützen; denn die unterschiedlichen Fristen für die Abgabe einer Steuererklärung einerseits und für einen Antrag auf Veranlagung gemäß §46 Abs. 2 Nr. 8 des Einkommensteuergesetzes (EStG) andererseits sind offensichtlich nicht gleichheitswidrig, weshalb die aufgeworfene Rechtsfrage nicht klärungsbedürftig ist (vgl. Senatsbeschluß vom 13. September 1991 IV B 105/90, BFHE 165, 469, BStBl II 1992, 148, unter 2. a).§

149 Abs. 2 AO 1977 regelt vorbehaltlich einer anderweitigen Bestimmung in einem Steuergesetz die Frist für die Abgabe einer Steuererklärung, zu der der Steuerpflichtige nach §149 Abs. 1 AO 1977 verpflichtet ist. An einer solchen Verpflichtung fehlt es, wenn der Steuerpflichtige gemäß §46 Abs. 2 Nr. 8 EStG eine Veranlagung ausschließlich im eigenen Interesse durchgeführt wissen will, insbesondere für den dort genannten Fall der Anrechnung von Lohnsteuer auf die Einkommensteuer. Die Veranlagung erfolgt dementsprechend in diesem Fall nicht von Amts wegen, sondern auf Antrag des Steuerpflichtigen. Dieser Antrag kann für Veranlagungszeiträume seit 1990 nicht mehr formlos gestellt werden, sondern nur in Form einer Einkommensteuererklärung (vgl. BFH-Urteil vom 14. März 1989 I R 77/85, BFH/NV 1991, 311). Dies ändert jedoch nichts daran, daß es sich bei dem Antrag nach §46 Abs. 2 Nr. 8 EStG nicht um eine Steuererklärung i. S. der §§149, 150 AO 1977 handelt. Der Antrag wird vielmehr lediglich durch Abgabe einer Steuererklärung gestellt (vgl. auch Nolde in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, §46 EStG Anm. 175; Trzaskalik in Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, §46 Rdnr. A 11, C 58 f.; Heuermann in Blümich, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, §46 EStG Rz. 114; Schmidt/Glanegger, Einkommensteuergesetz, 16. Aufl., §46 Rz. 86 f.).

Angesichts der Unterschiede, die bei einer Veranlagung von Amts wegen einerseits und einer Antragsveranlagung gemäß §46 Abs. 2 Nr. 8 EStG andererseits bestehen (vgl. auch BFH-Urteil vom 3. April 1973 VIII R 19/73, BFHE 109, 130, BStBl II 1973, 484), können die unterschiedlichen Fristen für die Abgabe der Steuererklärungen und für das Stellen des Antrags auch nicht als evident sachwidrig und damit willkürlich, d. h. gegen Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes verstoßend, angesehen werden.

Verpflichtet der Gesetzgeber den Steuerpflichtigen, eine Steuererklärung abzugeben (vgl. §25 Abs. 3 EStG i. V. m. §56 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung, §18 Abs. 3 des Umsatzsteuergesetzes), so liegt dem die Annahme zugrunde, daß auf die Steuerschuld des jeweiligen Steuerabschnitts bereits vorausgezahlte oder auf Rechnung des Steuerpflichtigen einbehaltene Beträge möglicherweise nicht ausreichen, um die tatsächlich entstandene Steuerschuld zu decken. Die Finanzbehörde soll dies anhand der Steuererklärung prüfen, um einen etwa noch ausstehenden Restbetrag erheben zu können. Diese Erhebung liegt im allgemeinen Interesse, durch ein vollständiges Steueraufkommen die Finanzausstattung des Staates zu gewährleisten und zugleich alle Steuerpflichtigen in gleicher Weise an der Finanzierung staatlicher Aufgaben zu beteiligen (vgl. auch BFH-Urteil vom 11. Dezember 1991 I R 73/90, BFH/NV 1992, 577). Die Nichtabgabe einer Steuererklärung oder ihre verspätete Abgabe ist deshalb in mehrfacher Hinsicht sanktioniert oder kann zu anderen Nachteilen führen. So kann die Finanzbehörde zur Abgabe der Steuererklärung Zwangsmittel verhängen (§§328 ff. AO 1977), bei Nichtabgabe der Erklärung die Steuer unter Schätzung der Besteuerungsgrundlagen festsetzen (§162 AO 1977) und gemäß §152 AO 1977 einen Verspätungszuschlag festsetzen. Die Nichtabgabe der Steuererklärung kann zudem den Tatbestand der Steuerhinterziehung erfüllen (§370 Abs. 1 und 4 AO 1977). Angesichts dieser Bedeutung der Steuererklärung liegt es nahe, für ihre Abgabe -- wie in §149 Abs. 2 AO 1977 geschehen -- eine zeitnahe Frist vorzusehen.

Liegen die Voraussetzungen für eine Veranlagung von Amts wegen dagegen nicht vor, so geht der Gesetzgeber davon aus, daß die Steuerschuld durch vorausgezahlte oder auf Rechnung des Steuerpflichtigen einbehaltene Beträge bereits gedeckt oder ein etwa noch ausstehender Betrag so gering ist, daß der mit einer Veranlagung verbundene Aufwand den dadurch für die Allgemeinheit entstehenden Vorteil überwiegt. Der Gesetzgeber stellt es deshalb dem Steuerpflichtigen bei dieser Sachlage frei, die Veranlagung im vorrangig eigenen Interesse durchführen zu lassen oder darauf zu verzichten. Folgerichtig ist das Absehen von der Antragstellung mit keinen Nachteilen oder Sanktionen verbunden. Die Frist für einen Antrag auf Veranlagung kann, weil die Veranlagung nicht im Allgemein-, sondern im Individualinteresse erfolgt, zugleich -- wie in §46 Abs. 2 Nr. 8 Satz 2 EStG -- großzügiger bemessen werden als die Frist für die Abgabe einer Steuererklärung.

Die aufgezeigten Unterschiede machen deutlich, daß abweichende Fristen für die Abgabe einer Steuererklärung und für einen Antrag auf Veranlagung nicht willkürlich sind. Der Gesetzgeber hat jedenfalls den ihm zustehenden weiten Gestaltungsspielraum durch die in §149 Abs. 2 AO 1977 einerseits und §46 Abs. 2 Nr. 8 Satz 2 EStG andererseits bestimmten Fristen offensichtlich nicht überschritten.

Soweit das Ministerium der Finanzen des Landes Sachsen-Anhalt in dem im Einvernehmen mit den obersten Finanzbehörden des Bundes, der anderen neuen Länder und des Landes Berlin ergangenen Erlaß vom 7. September 1992 (Deutsches Steuerrecht 1992, 1512) angesichts der Besonderheiten in den neuen Bundesländern unmittelbar nach der Wiedervereinigung Deutschlands speziell für die Abgabe der Einkommensteuererklärung 1991 die Anweisung erteilt hat, bei Arbeitnehmern grundsätzlich auf die Festsetzung von Verspätungszuschlägen zu verzichten, wenn die Einkommensteuererklärung 1991 erst bis zum 31. Dezember 1993 abgegeben wird, handelt es sich um eine Ermessensrichtlinie zur Anwendung des §152 AO 1977, auf die sich die Kläger mangels Erfüllung der darin aufgestellten Voraussetzungen nicht berufen können. Der Erlaß hat im übrigen auf die gesetzlichen Regelungen in §149 Abs. 2 AO 1977 und §46 Abs. 2 Nr. 8 EStG keinen Einfluß.

b) Die Ausführungen in der Beschwerdeschrift zur Ausnahmesituation in der Praxis des Prozeßbevollmächtigten der Kläger sind gleichfalls nicht geeignet, die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache darzulegen. Sie betreffen vielmehr nur Umstände, die für die Handhabung des §152 AO 1977 im Einzelfall von Bedeutung sein könnten.

 

Fundstellen

Haufe-Index 67259

BFH/NV 1998, 846

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