Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfahrensrecht/Abgabenordnung

 

Leitsatz (amtlich)

Wird über einen Antrag auf Fristverlängerung nicht vor dem Ablauf der beantragten Frist entschieden, darf sich der Prozeßbevollmächtigte nicht darauf verlassen, daß die Frist ohne weiteres über den beantragten Zeitpunkt hinaus verlängert wird und er zunächst den Eingang der Entscheidung abwarten kann. Ist die Frist wegen der verzögerten Entscheidung über den beantragten Zeitpunkt hinaus verlängert, aber vom Prozeßbevollmächtigten nicht eingehalten worden, so ist die Frist nicht schuldlos versäumt und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht mit der Begründung möglich, daß die Mitteilung der Fristverlängerung bei dem Prozeßbevollmächtigten nicht eingegangen sei.

 

Normenkette

FGO § 56

 

Tatbestand

Der Einspruch, mit dem sich der Revisionskläger (Steuerpflichtige - Stpfl. -) gegen die Hinzurechnung von Dauerschuldzinsen und Dauerschulden im endgültigen Gewerbesteuermeßbescheid 1960 wandte, blieb ohne Erfolg. Im Berufungs- (Klage-) Verfahren erweiterte der Stpfl. seinen Antrag auf Berücksichtigung des Verlustvortrags aus dem Jahre 1958. Das Finanzgericht (FG) entsprach dem Klageantrag hinsichtlich der Hinzurechnungen, verneinte aber die Vortragsfähigkeit des Verlustes 1958, weil es an einer ordnungsmäßigen Buchführung gefehlt habe.

Gegen das am 10. März 1966 zugestellte Urteil des FG legte der Stpfl. fristgemäß Revision ein. Mit Schreiben vom 7. Mai 1966, eingegangen beim BFH am 10. Mai 1966, bat der Bevollmächtigte des Stpfl., wegen Erkrankung die Frist für die Revisionsbegründung um einen weiteren Monat zu verlängern. Ihm wurde darauf mit Schreiben vom 12. Mai 1966 geantwortet, daß die Streitsache dem BFH bisher nicht vorliege und über den Fristverlängerungsantrag nach Eingang der angeforderten Akten entschieden werde. Mit Schreiben vom 27. Juni 1966 teilte der Vorsitzende des Senats dem Bevollmächtigten die Verlängerung der Begründungsfrist bis zum 20. Juli 1966 mit. Auf den Hinweis des Vorsitzenden des Senats vom 1. August 1966, dem Bevollmächtigten zugestellt am 3. August 1966, daß die Revisionsbegründung nicht vorliege, beantragte der Bevollmächtigte mit Schreiben vom 13. August 1966, eingegangen am 17. August 1966, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand mit der Begründung, daß ihm eine Mitteilung über die Verlängerung der Frist für die Revisionsbegründung bis zum 20. Juli 1966 nicht vorliege. Gleichzeitig fügte er die Revisionsbegründung bei, mit der die Anrechnung des Verlustvortrags 1958 beantragt wird.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unzulässig. Unstreitig ist die Revision nicht innerhalb der Frist des § 120 Abs. 1 FGO begründet worden. Nach § 56 FGO ist auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten. Ein Verschulden des Bevollmächtigten muß der Steuerpflichtige sich zurechnen lassen. Im Streitfall kann die Fristversäumung nicht als unverschuldet angesehen werden. Der Bevollmächtigte hatte rechtzeitig Fristverlängerung um einen Monat, also bis zum 10. Juni 1966, beantragt. Da über dem Antrag nicht alsbald entschieden wurde, blieb für den Bevollmächtigten ungewiß, ob sein Antrag genehmigt würde. War somit schon die Verlängerung der Frist bis zum 10. Juni 1966 zweifelhaft, so konnte er keinesfalls annehmen, daß die Frist über die beantragte Dauer hinaus verlängert werde und weiterlaufe, bis ihm die Entscheidung über seinen Antrag zugehe. Mindestens hätten ihm bei ordnungsmäßiger Bearbeitung Zweifel kommen müssen, ob die Frist gewahrt werde, wenn er einfach abwarte. Nach der Rechtsprechung erfordert die Sorgfaltspflicht, sicherheitshalber vom ungünstigsten Fall auszugehen (vgl. z. B. Urteil des RFH VI A 83/29 vom 6. März 1929, Steuer und Wirtschaft, Bd. II, 1929, Nr. 481; Urteil des BFH II 110/63 vom 18. Mai 1966, Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs Bd. 86 S. 257, BStBl III 1966, 561). Bestanden Gründe für eine weitere Fristverlängerung, hätte diese rechtzeitig beantragt werden müssen.

Die Behauptung des Bevollmächtigten, ihm liege eine Mitteilung des Vorsitzenden des Senats über die Fristverlängerung bis zum 20. Juli 1966 nicht vor, kann auch dann nicht als Entschuldigungsgrund anerkannt werden, wenn man sie so versteht, daß die Mitteilung nicht bei ihm eingegangen sei. Da er sich auf eine Fristverlängerung über den von ihm beantragten Termin hinaus nicht verlassen durfte, kann er sich nicht darauf berufen, daß ihm die Mitteilung der Fristverlängerung nicht zugegangen sei. Außerdem hat er seine Behauptung nicht glaubhaft gemacht, obwohl im Schreiben des Vorsitzenden des Senats vom 1. August 1966 auf die Notwendigkeit der Glaubhaftmachung ausdrücklich hingewiesen worden war.

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kann aus den vorstehenden Gründen nicht gewährt werden. Da die Revision nicht fristgemäß begründet wurde, ist sie als unzulässig zu verwerfen (§§ 124, 126 Abs. 1 FGO).

 

Fundstellen

Haufe-Index 412416

BStBl III 1967, 145

BFHE 1967, 378

BFHE 87, 378

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