Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsätzliche Bedeutung bei behaupteter Verfassungswidrigkeit

 

Leitsatz (NV)

Wird die grundsätzliche Bedeutung auf einen Verstoß der in §10 d EStG enthaltenen Regelung des Verlustabzugs gestützt, muß dargelegt werden, inwieweit der Gesetzgeber die Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit in willkürlicher Weise nicht eingehalten hat.

 

Normenkette

FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 S. 3; EStG § 10d

 

Verfahrensgang

FG Münster

 

Tatbestand

Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) und seine mit ihm zusammenveranlagte Ehefrau erzielten in den Veranlagungszeiträumen 1983 bis 1990 u. a. Werbungskostenüberschüsse aus Vermietung und Verpachtung, die dazu führten, daß in den Veranlagungszeiträumen 1984 bis 1987 der Gesamtbetrag der Einkünfte jeweils negativ war. In allen Veranlagungszeiträumen standen den Eheleuten Kinderfreibeträge für zwei Kinder zu.

Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt -- FA --) trug den nicht ausgeglichenen Verlust des Veranlagungszeitraums 1984 auf den Veranlagungszeitraum 1983 zurück, den nicht ausgeglichenen Verlust des Veranlagungszeitraums 1985 auf die Veranlagungszeiträume 1987, 1988, 1989 und 1990 sowie den nicht ausgeglichenen Verlust des Veranlagungszeitraums 1986 auf den Veranlagungszeitraum 1990 vor und setzte die Einkommensteuer für alle Veranlagungszeiträume auf 0 DM fest. Außerdem stellte er mit geändertem Feststellungsbescheid vom 14. November 1996 den verbleibenden Verlustabzug des Klägers und seiner Ehefrau zum 31. Dezember 1990 auf 18 259 DM fest.

Mit der Klage gegen den Feststellungsbescheid machte der Kläger geltend, der verbleibende Verlustabzug sei auf 84 710 DM festzustellen. Entgegen der Regelung des §10 d des Einkommensteuergesetzes (EStG) dürften bei den Veranlagungen für die Veranlagungszeiträume 1983 bis 1990 nicht nur die nicht ausgeglichenen Verluste (negativen Gesamtbeträge der Einkünfte) abgesetzt werden; abzuziehen seien vielmehr die (höheren) negativen zu versteuernden Einkommen, und diese auch nicht wie Sonderausgaben vom Gesamtbetrag der Einkünfte, sondern vom zu versteuernden Einkommen (also erst nach Abzug der Sonderausgaben, außergewöhnlichen Belastungen und Kinderfreibeträge). §10 d EStG verstoße gegen Art. 3 des Grundgesetzes (GG), weil er durch Verluste belastete Steuerpflichtige benachteilige, indem er ihnen die steuerliche Wirksamkeit von Kinderfreibeträgen vorenthalte.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab (Entscheidungen der Finanzgerichte -- EFG -- 1997, 353). Die in §10 d EStG enthaltene gegenständliche Beschränkung des Rück- und Vortrags auf negative Gesamtbeträge der Einkünfte entspreche dem allgemeinen Grundsatz des Einkommensteuerrechts, daß sich bei einem Gesamtbetrag der Einkünfte von 0 DM alle diejenigen Beträge, die von diesem gemäß §2 Abs. 4 und 5 EStG abgezogen werden können (Sonderausgaben, außergewöhnliche Belastungen und tarifliche Freibeträge), nicht steuermindernd auswirken, weil das EStG für einen solchen Fall ohnehin eine Einkommensteuer von 0 DM vorsehe. Dies sei verfassungsrechtlich unbedenklich. Dem Gesetzgeber stehe bei der Regelung des Ausgleichs des negativen Ergebnisses eines Veranlagungszeitraums mit positiven Ergebnissen anderer Veranlagungszeiträume ein weiterer Gestaltungsspielraum zu.

Mit der Nichtzulassungsbeschwerde macht der Kläger die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend. Diese sei gegeben, weil alle in Verlust geratenen Steuerpflichtigen betroffen seien, bei denen Verlustrückträge oder -vorträge vorgenommen würden. Die dabei eintretende Versagung des steuerlichen Vorteils aus Kinderfreibeträgen sei eine Ungleichbehandlung gegenüber anderen Steuerpflichtigen und somit ein soziales Anliegen. Die Rechtsfrage des Verlustabzugs sei auch noch nicht endgültig geklärt. In keinem der vom FG zitierten Urteile handle es sich exakt um den Verlustabzug negativ zu versteuernden Einkommen vom zu versteuerndem Einkommen.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde ist unzulässig; der Kläger hat die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht ausreichend dargelegt (§115 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --).

Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung i. S. des §115 Abs. 2 Nr. 1 FGO, wenn eine Rechtsfrage zu entscheiden ist, an deren Beantwortung ein allgemeines Interesse besteht, weil ihre Klärung das Interesse der Allgemeinheit an der Fortentwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen muß in der Beschwerdeschrift schlüssig und substantiiert dargelegt werden. Das bedeutet, daß der Beschwerdeführer konkret darauf eingehen muß, inwieweit die Rechtsfrage im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig ist und ggf. in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen die Rechtsfrage umstritten ist; das gilt auch, wenn die grundsätzliche Bedeutung auf einen Verstoß gegen das GG gestützt wird (vgl. Beschluß des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 14. Dezember 1987 V B 77/87, BFH/NV 1989, 27).

Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdeschrift im Streitfall nicht. Die Begründung des Klägers erschöpft sich im Kern in der bloßen Behauptung der Verfassungswidrigkeit der in §10 d EStG enthaltenen Regelung des Verlustabzugs, die darin liegen soll, daß sich bei einem Abzug der nicht ausgeglichenen Verluste vom Gesamtbetrag der Einkünfte -- statt vom zu versteuernden Einkommen -- eventuelle Kinderfreibeträge nicht mehr steuerlich auswirken können.

Durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist der Prüfungsmaßstab für die Vereinbarkeit eines Gesetzes mit dem Gleichheitssatz geklärt. Es ist nicht zu untersuchen, ob der Gesetzgeber die zweckmäßigste und gerechteste Lösung gefunden, sondern nur, ob er die verfassungsrechtlichen Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit eingehalten hat (vgl. BFH-Beschluß vom 29. Mai 1991 V B 14/91, Steuerrechtsprechung in Karteiform, Umsatzsteuergesetz 1980, §4 Nr. 16, Rechtsspruch 1 unter 4.). Um darzulegen, daß die Frage der Verfassungsmäßigkeit des Verlustabzugs klärungsbedürftig ist, muß deshalb aufgezeigt werden, inwieweit der Gesetzgeber die Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit in willkürlicher Weise nicht eingehalten hat. Dazu hat der Kläger jedoch keine Ausführungen gemacht.

 

Fundstellen

Haufe-Index 66705

BFH/NV 1998, 594

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