Entscheidungsstichwort (Thema)

Klarer Inhalt der Akten; vGA

 

Leitsatz (NV)

1. Folgt das FG nicht den Ausführungen eines Beteiligten, so liegt darin allein kein Verstoß gegen den klaren Inhalt der Akten.

2. Ein Verstoß gegen den klaren Inhalt der Akten setzt voraus, daß der Vorgang überhaupt Eingang in den Akten gefunden hat.

3. Eine vGA kann insbesondere bei beherrschenden Gesellschaftsverhältnissen vorliegen, wenn Verträge nicht vereinbarungsgemäß durchgeführt werden. Ob Dritte etwas anderes vereinbart hätten, spielt für die Frage der tatsächlichen Durchführung keine Rolle.

4. Eine unrichtige Vertragsauslegung ist ein materieller, kein verfahrensrechtlicher Fehler.

5. Umsatzbeteiligungen für Gesellschafter- Geschäftsführer sind, sofern nicht besondere Umstände vorliegen, vGA. Dies gilt auch wenn der Gesellschafter-Geschäftsführer eine Kapitalgesellschaft ist.

6. Die Nichtgeltendmachung bestehender und fälliger Forderungen des beherrschenden Gesellschafters ist ein Indiz für eine vGA.

 

Normenkette

FGO §§ 76, 96, 115 Abs. 2 Nr. 3; KStG § 8 Abs. 3 S. 2

 

Verfahrensgang

FG des Saarlandes

 

Gründe

Die Nichtzulassungsbeschwerde kann keinen Erfolg haben. Weder liegen die Revisionszulassung tragende Verfahrensfehler i. S. des §115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) vor noch hat die von der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) aufgeworfene Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung. Im einzelnen:

1. Soweit die Klägerin rügt, daß das Finanzgericht (FG) ihre Äußerungen im Schriftsatz vom 14. August 1996 mißverstanden habe, kann ein Verstoß gegen den klaren Inhalt der Akten nicht angenommen werden (vgl. hierzu z. B. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., §115 Rdnr. 26, m. w. N.). Eine solche Rüge kann nur Erfolg haben, wenn das FG seiner Entscheidung einen Sachverhalt zugrunde gelegt hat, der dem schriftlichen oder protokollierten Vorbringen der Beteiligten nicht entspricht, oder es eine nach den Akten klar feststehende Tatsache unberücksichtigt gelassen hat. Allein deswegen, weil das FG bei der Auslegung von Verträgen dem Parteivortrag nicht folgt, kann ein Verstoß gegen den klaren Inhalt der Akten nicht bejaht werden. Im übrigen ist der Vortrag der Klägerin im Zusammenhang mit den vereinbarten Zahlungsmodalitäten keineswegs klar. Die Klägerin hat im Schriftsatz vom 14. August 1996 vortragen lassen, "daß gemäß Vereinbarung vom 5. 4. 1986 und der Ergänzungsvereinbarung vom 29. 12. 1986 die Zahlung eines jährlichen Betrages vereinbart war". Da unstreitig laut Vereinbarung vom 5. April 1986 das Entgelt "nachträglich" zu zahlen war, kann der Vortrag der Klägerin durchaus dahin verstanden werden, daß die Klägerin eine nachträgliche Zahlung des Jahresentgelts -- in Raten -- für möglich gehalten hat.

2. Soweit die Klägerin rügt, das FG habe gegen den klaren Inhalt der Akten verstoßen, weil es Äußerungen der Klägerin in der mündlichen Verhandlung interpretiert habe, die diese nicht abgegeben habe, liegt keine schlüssige Verfahrensrüge vor. Ein Verstoß gegen den klaren Inhalt der Akten setze voraus, daß das angeblich mißverstandene Vorbringen der Klägerin überhaupt Eingang in die Akten gefunden hat. Dies ist aber nach eigenem Vortrag der Klägerin gerade nicht der Fall.

Auch soweit die Klägerin in diesem Zusammenhang rügt, daß das FG zur Aufklärung von Mißverständnissen die mündliche Verhandlung wieder hätte eröffnen müssen, verkennt sie, daß aus der Sicht des FG kein Mißverständnis vorlag. Ob dem FG ein Verfahrensfehler unterlaufen ist, bestimmt sich nach dem Standpunkt des FG (vgl. Gräber/Ruban, a. a. O., §115 Rdnr. 24).

3. Keinen Erfolg kann auch die Rüge der Klägerin haben, wonach das FG zur Frage der üblichen monatlichen Abschlagszahlungen das angebotene Sachverständigengutachten hätte einholen müssen. Auf der unterlassenen Beweiserhebung beruht das Urteil nicht (§115 Abs. 2 Nr. 3 FGO).

Nach ständiger Rechtsprechung des er kennenden Senats müssen zur Vermeidung verdeckter Gewinnausschüttungen (vGA) Vereinbarungen zwischen einer Kapital gesellschaft und ihrem beherrschenden Gesellschafter u. a. tatsächlich, so wie vereinbart, durchgeführt werden (vgl. z. B. Nachweise bei Streck, Körperschaftsteuergesetz, 4. Aufl., §8 Anm. 137). Maßgeblich ist daher für das FG gewesen, welche Zahlungsmodalitäten die Beteiligten vereinbarten und ob sie sich daran hielten. Die Frage, was zwischen fremden Dritten diesbezüglich üblich ist, hat für die Entscheidung des FG keine Rolle gespielt, so daß die Entscheidung des FG nicht auf der gerügten unterlassenen Beweiserhebung beruht (vgl. §115 Abs. 2 Nr. 3 FGO). Entsprechendes gilt für die Ausführungen der Klägerin, wonach üblicherweise die Höhe der Abschlagszahlungen nicht von vornherein vereinbart werde. Maßgeblich ist auch hier das tatsächlich im Streitfall Vereinbarte.

Im Grunde rügt die Klägerin fehlerhafte Auslegung der geschlossenen Vereinbarungen. Selbst wenn dem FG der Vorwurf zu machen wäre, es habe bei der Auslegung der Verträge gegen allgemeine Auslegungsregeln, Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstoßen (vgl. hierzu z. B. Gräber/Ruban, a. a. O., §118 Rdnr. 17), so läge darin kein Verfahrensfehler, sondern ein materieller Rechtsfehler. Ein solcher kann aber, wie dem abschließenden Zulassungskatalog in §115 Abs. 2 Nr. 3 FGO zu entnehmen ist, nicht zur Revisionszulassung führen.

4. Soweit die Klägerin rügt, das FG hätte auch deswegen ein Sachverständigengutachten einholen müssen, weil es ausdrücklich seine mangelnde Sachkenntnis über eine "Umsatz-Entgelt-Relation" zugestanden habe, ist diese Rüge ebenfalls unbegründet. Zwar hat ein FG bei mangelndem eigenen Sachverstand ggf. Gutachten einzuholen. Im Streitfall war aber -- wie bereits dargestellt -- für das FG letztlich nicht entscheidend, ob, ggf. in welcher Höhe eine Beteiligung am Umsatz üblich ist. Das FG hat die von der Klägerin vereinbarten unterschiedlichen Beteiligungsquoten lediglich als zusätzliches Indiz für eine Gewinnabschöpfung angesehen. Im übrigen wird darauf hingewiesen, daß nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senats Umsatzbeteiligungen für einen Gesellschafter-Geschäftsführer grundsätzlich als vGA zu beurteilen sind (vgl. zuletzt Beschluß vom 28. Septemer 1995 I B 201/94, BFH/NV 1996, 365, m. w. N.). Die Tatsache, daß im Streitfall die Geschäfte der Klägerin nicht von einer natürlichen, sondern von einer juristischen Person geführt wurden, macht keinen rechtserheblichen Unterschied. Da am Umsatz orientierte Tätigkeitsentgelte bereits dem Grunde nach vGA sind, ist der Umfang der Geschäftsführungsaufgaben, dargelegt von der Klägerin im Schriftsatz vom 14. August 1996, insoweit ohne Entscheidungsrelevanz.

5. Soweit die Klägerin rügt, das FG habe unter Verstoß gegen den klaren Akteninhalt nicht erkannt, daß die in der Vereinbarung vom 5. April 1986 genannten 15 % eine Obergrenze seien, sind ihre Ausführungen unverständlich. Das FG spricht in diesem Zusammenhang ausdrücklich von einem Entgelt "bis" zu 15 % des geplanten Haushaltsvolumens.

6. Keinen Erfolg hat auch die Rüge der Klägerin, das FG habe insoweit §96 FGO verletzt, als es die Gründe für die Erhöhung des Gesamtentgelts 1987 nicht gewürdigt habe. Das FG hat die Frage, ob allein die Erhöhung für die Annahme von vGA spreche, "letztlich dahinstehen" lassen. Dann kann aber die Vorentscheidung auch nicht auf einem in diesem Zusammenhang geltend gemachten Verfahrensfehler beruhen.

7. Die von der Klägerin aufgeworfene Rechtsfrage, ob eine vGA anzunehmen sei, wenn Zahlungsverpflichtungen der Kapitalgesellschaft gegenüber ihrem Gesellschafter erst bei den Jahresabschlußarbeiten eingebucht und nicht eingefordert würden, bedarf keiner grundsätzlichen Klärung. Es ist eindeutig, daß die Nichtgeltendmachung bestehender und fälliger Forderungen des Alleingesellschafters ein Indiz für eine vGA ist. Insoweit fehlt es -- wie dargelegt -- an der notwendigen tatsächlichen Durchführung der getroffenen Vereinbarungen. Im übrigen reicht nach nunmehr ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senats für die Annahme einer vGA eine Vermögensminderung in der Steuerbilanz aus (so seit dem Urteil vom 22. Februar 1989 I R 44/85, BFHE 156, 177, BStBl II 1989, 475). Eine solche liegt bei der Passivierung einer Verbindlichkeit zweifelsfrei vor. Die Frage, ob darüber hinaus auch von einer "Zuwendung" an den Gesellschafter auszugehen ist, ist nicht entscheidungserheblich. Wenn die Klägerin insoweit noch Klärungsbedarf sieht (vgl. z. B. Urteil des Bundesfinanzhofs vom 2. März 1988 I R 103/86, BFHE 153, 313, BSTBl II 1988, 786), hätte sie diesen im einzelnen darlegen müssen (vgl. z. B. Gräber/Ruban, a. a. O., §115 Rdnr. 62, m. w. N.).

8. Das FG hat auch insoweit nicht §76 FGO verletzt, als es kein Sachverständigengutachten zu der Frage eingeholt hat, ob für die Vermittlung von Heimbewohnern üblicherweise Provisionen bezahlt würden. Da das FG der Auffassung war, daß die Anwerbung von Kunden zur Tätigkeit der Geschäftsführung gehöre und daß K als Geschäftsführer der Klägerin und als Geschäftsführer der Gesellschaft ... auch diese Aufgabe wahrzunehmen habe, kommt es auf die Üblichkeit von Provisionszahlungen nicht an.

9. Soweit die Klägerin Verstoß gegen Denkgesetze rügt, rügt sie einen materiellen Rechtsfehler, nicht aber einen Verfahrensverstoß (vgl. Gräber/Ruban, a. a. O., §118 Rdnr. 23, m. w. N.).

10. Unbegründet sind auch Verfahrensrügen der Klägerin im Zusammenhang mit der Behandlung von Zahlungen der Gesellschaft ... an K. Diese Fragen sind hier nicht entscheidungserheblich.

11. Das FG hat auch der Klägerin aus reichendes rechtliches Gehör gewährt. Im Zusammenhang mit den Zahlungen der Klägerin an die Gesellschaft ... geht es im wesentlichen um die Auslegung der getroffenen Vereinbarungen. Die Klägerin hatte ausreichend Gelegenheit, hierzu Stellung zu nehmen. Hiervon hat sie auch Gebrauch gemacht.

Abschließend bleibt darauf hinzuweisen, daß die Mehrzahl der Ausführungen der Klägerin darauf abzielen, die Rechtmäßigkeit der Vorentscheidung in Frage zu stellen. Hierzu kann in diesem Verfahren nicht Stellung genommen werden.

Im übrigen ergeht dieser Beschluß gemäß Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs vom 8. Juli 1975 (BGBl I 1975, 1861, BStBl I 1975, 932) i. d. F. des Gesetzes vom 26. November 1996 (BGBl I 1996, 1810, BStBl I 1996, 1522) ohne Begründung.

 

Fundstellen

Haufe-Index 66605

BFH/NV 1998, 353

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