Entscheidungsstichwort (Thema)

Umsatzsteuerrückerstattungsanspruch im Konkurs

 

Leitsatz (NV)

Hat das FA im Voranmeldungsverfahren dem späteren Gemeinschuldner zu Unrecht Umsatzsteuer vergütet, so entsteht der Saldo zwischen der (positiven) Jahressteuer und der im Voranmeldungsverfahren insgesamt vergüteten (negativen) Umsatzsteuer nicht erst mit der nach Konkurseröffnung erfolgten Jahresveranlagung, sondern bereits mit Ablauf des veranlagten Kalenderjahres. War zu diesem Zeitpunkt der Konkurs noch nicht eröffnet, handelt es sich bei dem Saldo zugunsten des FA um eine betagte Forderung i.S. des § 61 Nr.2 KO.

 

Normenkette

UStG 1973/1980 § 13; UStG 1973/1980 § 18; AO 1977 §§ 37-38; KO § 61 Nr. 2

 

Verfahrensgang

FG Düsseldorf

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Konkursverwalter über den Nachlaß des am 3. Februar 1982 verstorbenen X (im folgenden: Steuerpflichtiger). Das Konkursverfahren wurde am 23. Februar 1982 eröffnet.

Der Steuerpflichtige hatte mit neuen und gebrauchten Maschinen gehandelt. Wie bei einer Umsatzsteuersonderprüfung festgestellt wurde, hatte er in erheblichem Umfang Leistungen anderer Unternehmer an sein Unternehmen vorgetäuscht und die entsprechenden Vorsteuerbeträge abgezogen.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) meldete ursprünglich . . . DM Umsatzsteuer zur Konkurstabelle an. Auf den Widerspruch des Klägers erließ er auf § 251 Abs. 3 der Abgabenordnung (AO 1977) i.V.m. § 146 der Konkursordnung (KO) gestützte Feststellungsbescheide (Feststellungsbescheide vom 5. Dezember 1982 i.d.F. der Einspruchsentscheidung vom 13. Juli 1989), mit denen er folgende Umsatzsteuerforderungen geltend machte:

1979 ... DM zuzüglich bereits vergüteter Umsatzsteuer von ... DM

1980 ... DM zuzüglich bereits vergüteter Umsatzsteuer von ... DM

1981 ... DM zuzüglich bereits vergüteter Umsatzsteuer von ... DM

Für diese Forderungen stellte das FA das Konkursvorrecht des § 61 Abs. 1 Nr.2 KO fest.

Die hiergegen erhobene Klage hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG), dessen Urteil in Umsatzsteuer-Rundschau (UR) 1991, 146 veröffentlicht ist, führte aus: Der Vorsteuerrückerstattungsanspruch des FA sei mit der Auszahlung der überhöhten Vorsteuern entstanden. Er sei aber mangels Festsetzung zur Zeit der Konkurseröffnung noch nicht fällig gewesen; er sei deshalb gemäß § 65 KO betagt und gelte somit als fällig. Damit seien die Tatbesstandsvoraussetzungen des § 61 Nr.2 KO erfüllt.

Mit der Revision macht der Kläger Verletzung materiellen Rechts geltend. Der Kläger meint, nach § 38 AO 1977 entstünden die Ansprüche aus dem Steuerverhältnis, sobald der Tatbestand verwirklicht sei, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpfe. Dies sei nicht bereits die Auszahlung der rechtskräftig festgesetzten Vorsteuererstattungsansprüche, sondern die anderweitige Steuerfestsetzung, die erstmals nach Konkurseröffnung gemäß § 251 Abs. 3 AO 1977 erfolgt sei.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

Im Rang des § 61 Nr.2 KO sind die Konkursforderungen der Staatskassen wegen öffentlicher Abgaben zu befriedigen, welche im letzten Jahr vor Eröffnung des Konkursverfahrens fällig geworden sind oder nach § 65 KO als fällig gelten. Nach § 65 Abs. 1 KO gelten betagte Forderungen als fällig; das sind solche Forderungen, die bei Konkurseröffnung bereits entstanden, aber noch nicht fällig waren (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 16. Juli 1987 V R 80/82, BFHE 150, 211, BStBl II 1987, 691 unter II. 2. b). Im Rang des § 61 Nr.6 KO werden die nicht in § 61 Nrn.1 bis 5 KO genannten Konkursforderungen befriedigt.

Die streitigen Ansprüche des FA waren mit Ablauf der Kalenderjahre 1979 bis 1981 und Auszahlung der zurückgeforderten Umsatzsteuervergütungen und damit vor der Konkurseröffnung im Jahre 1982 entstanden; es handelt sich um betagte Forderungen im Rang des § 61 Nr.2 KO.

Das FG hat die Ansprüche des FA im Anschluß an das BFH-Urteil vom 21. Mai 1985 VII R 191/82 (BFHE 143, 412, BStBl II 1985, 488) auf § 37 Abs. 2 AO 1977 gestützt. Der Senat läßt dahingestellt, ob dem zu folgen ist. Jedenfalls sind die Ansprüche auch nach § 18 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1973/1980 begründet. Das FA macht den Saldo zwischen der festgesetzten (positiven) Jahressteuer und der im Voranmeldungsverfahren insgesamt vergüteten (negativen) Umsatzsteuer geltend. Dieser ,,Unterschiedsbetrag" hat sich dadurch ergeben, daß im Voranmeldungsverfahren zu hohe Umsatzsteuervergütungen (Überschüsse i.S. des § 18 Abs. 2 Satz 3 UStG 1967/73) festgesetzt und ausgezahlt wurden (BFH-Urteil vom 5. Februar 1976 V B 73/75, Steuerrechtsprechung in Karteiform - StRK -, Umsatzsteuergesetz 1967, § 18, Rechtsspruch 8). Für diesen Anspruch regeln § 18 Abs. 4 Satz 1 und 3 UStG 1973 und § 18 Abs. 4 Satz 1 und 2 UStG 1980 in den dort genannten Fällen die Fälligkeit. Der Unterschiedsbetrag zugunsten des FA wird einen Monat nach der Veranlagung bzw. nach Eingang der einer Veranlagung gleichstehenden (§ 168 AO 1977) Steueranmeldung für das Kalenderjahr fällig. Dies setzt voraus, daß ein entsprechender Anspruch schon vorher entstanden ist.

Die streitigen Ansprüche (Saldo zwischen Jahressteuer und im Voranmeldungsverfahren vergüteter Umsatzsteuer) sind mit Entstehung der Jahressteuer 1979 bis 1981 und Auszahlung der Umsatzsteuervergütungen für die entsprechenden Voranmeldungszeiträume entstanden. Nach § 38 AO 1977 entstehen die Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft. Mit Entstehung der Jahressteuer und Auszahlung der Umsatzsteuervergütungen für die Voranmeldungszeiträume des Kalenderjahres war der Tatbestand verwirklicht, an den § 18 Abs. 4 UStG 1973/80 die Leistungspflicht knüpft.

Die Jahressteuer entsteht gemäß § 38 AO 1977, § 13 UStG 1973/80 mit Ablauf des Kalenderjahres. Mit Ablauf des Kalenderjahres sind gemäß § 38 AO 1977 die Tatbestände verwirklicht, an die das UStG die Jahressteuer knüpft. Nach § 13 Abs. 1 Nr.1 Buchst. a und b Nr.2 UStG 1973/80 entsteht die Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen sowie für den Eigenverbrauch mit Ablauf des jeweiligen Voranmeldungszeitraums. Diese Regelung betrifft unmittelbar die Steuer für den Voranmeldungszeitraum (Vorauszahlung, vgl. § 18 Abs. 1 Satz 1 UStG 1980). Aus ihr folgt, daß die Steuer für das Kalenderjahr mit Ablauf des letzten Voranmeldungszeitraums für das Kalenderjahr und damit mit Ablauf des Kalenderjahres entsteht.

Demnach sind die streitigen Erstattungsansprüche mit Ablauf der Kalenderjahre 1979 bis 1981 und Auszahlung der Umsatzsteuervergütungen für die entsprechenden Voranmeldungszeiträume entstanden.

 

Fundstellen

Haufe-Index 418686

BFH/NV 1993, 208

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