Leitsatz (amtlich)

Die Revision ist "schriftlich" zu begründen. Dieses Gebot bedeutet grundsätzlich handschriftliche Unterzeichnung.

 

Normenkette

FGO § 120 Abs. 1

 

Tatbestand

Das FA legte gegen das Urteil des FG in gesetzlicher Form und Frist Revision ein. Binnen eines weiteren Monats nach Zustellung des FG-Urteils ging eine auf einem Geschäftsbogen des FA niedergeschriebene Begründung der Revision ein. Das Schriftstück trägt keine Unterschrift. Es enthält am Ende lediglich in Maschinenschrift den eingeklammerten Namen "X"; es ist dies der Name des Beamten des FA, der einen Monat vorher die Einlegung der Revision unterzeichnet hat.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision des FA muß als unzulässig verworfen werden.

Nach § 120 Abs. 1 FGO ist die Revision "schriftlich einzulegen und spätestens innerhalb eines weiteren Monats zu begründen". Schon ein unbefangenes, verständiges Lesen des Satzes rechtfertigt die Deutung, daß das Wort "schriftlich" nicht nur zu "einzulegen", sondern auch zu "begründen" gehört. Die Vorschrift geht offensichtlich davon aus, daß die Begründung mit der Einlegung der Revision verbunden werden und dann eben gar nicht anders als die eigentliche Einlegung selbst nur schriftlich geschehen kann. Um dem Revisionsführer ausreichend Zeit für die Überlegung zu belassen, mit welchen Erwägungen er das Urteil des FG angreifen will, hat der Gesetzgeber über die Einlegungsfrist hinaus einen weiteren Zeitraum von einem Monat gegeben. Es ist nicht einzusehen, warum die so motivierte zweite Monatsfrist dazu führen soll, den Grundsatz der Schriftlichkeit insoweit aufzugeben. Ferner ist zu berücksichtigen, daß nach der Regelung durch die FGO mit der Einlegung der Revision ein voll wirksames, den BFH zu einer Sachentscheidung zwingendes Rechtsmittel noch gar nicht vorhanden ist. Erst die Begründung der Revision macht den Streit der Sache nach beim BFH anhängig. Fehlt sie, ist die "Revision" als nach § 124 Satz 2 FGO unzulässig durch Verfahrensentscheidung gemäß § 126 Abs. 1 FGO zu verwerfen. Gehören aber zum Wesen der Revision zwei Elemente die Einlegung und die Begründung, leuchtet ein, daß das Wort "schriftlich" in § 120 Abs. 1 Satz 1 FGO sich auf die beiden Teile des Revisionsvorgangs bezieht (siehe im gleichen Sinne die Kommentatoren, die entweder von einer "Begründungsschrift" sprechen oder als ganz selbstverständlich ausdrücklich sagen, die Revision sei "schriftlich zu begründen": v. Wallis-List in Hübschmann-Hepp-Spitaler, Kommentar zur AO/FGO, § 120 FGO Anm. 14; Tipke-Kruse, AO/FGO, Kommentar, § 120 FGO Anm. 5; Görg-Müller, FGO, § 120 Tz. 655; Kühn, AO, FGO, 9. Aufl., § 120 FGO Anm. 3; Birkholz, Die Revision im finanzgerichtlichen Verfahren, Forkel-Verlag, Stuttgart, S. 62; Barske-Woerner, FGO, S. 122).

Die Schriftlichkeit aber bedeutet - von dem Sonderfall der Übermittlung durch Telegramm abgesehen (BFH-Entscheidung III B 36/67 vom 21. Juni 1968, BFH 92, 438, BStBl II 1968, 589) - Unterschriftlichkeit durch handschriftliche Unterzeichnung, wie im BFH-Urteil VII R 92/68 vom 29. Juli 1969 (BFH 96, 381, BStBl II 1969, 659) unter Hinweis auf die Rechtsprechung anderer oberster Bundesgerichte ausgesprochen ist. Das Urteil des VII. Senats betraf den § 64 Abs. 1 FGO, wonach die Klage beim FG schriftlich zu erheben ist. Hierzu wird ausgeführt, bei der Klage handele es sich um einen "bestimmenden" Schriftsatz, der Anlaß und Voraussetzung für die Tätigkeit des Gerichts sei. Eine zweckentsprechende Verfahrensordnung müsse aber darauf sehen, daß für einen vor Gericht geführten Rechtsstreit eine möglichst sichere Grundlage vorhanden sei. Dafür reiche nicht aus, daß das Klagebegehren schriftlich abgefaßt werde; dem hierüber gefertigten Schriftstück müsse auch in zuverlässiger Weise zu entnehmen sein, daß sein Urheber mit ihm eine rechtserhebliche Erklärung im Sinne einer Klageerhebung abgeben wolle. Dies sei am besten gewährleistet, wenn die Klageschrift eigenhändig unterschrieben werde, eine Form, die auch sonst im deutschen Rechtsleben üblich sei und für die Abgabe rechtserheblicher Erklärungen allgemeiner Rechtsüberzeugung entspreche. Gegenüber diesem einfachen und leicht feststellbaren Merkmal der handschriftlichen Unterzeichnung würde es eine unnötige Erschwerung des gerichtlichen Verfahrens bedeuten, wenn man statt dessen darauf abstellen wolle, "ob die jeweiligen Umstände des einzelnen Falles mit hinreichender Zuverlässigkeit ergeben, von wem die Klage stammt und daß ihr Urheber damit eine rechtserhebliche Erklärung gegenüber dem Gericht abgeben wollte". Damit wird für sog. bestimmende Schriftsätze ausdrücklich die Auffassung abgelehnt, es genüge, wenn "nach den Umständen" ihre Herkunft zu identifizieren sei.

Der erkennende Senat schließt sich der Rechtsauffassung des VII. Senats an und billigt sie. Was dort zur Erhebung der Klage gesagt ist, gilt in gleicher Weise für die Revision. Denn auch durch sie nimmt der betreffende Beteiligte einen bestimmenden Einfluß auf das Verfahren. Wie die Klage den Fall beim FG anhängig macht, so wird der Rechtsstreit durch die Revision zur Entscheidung des BFH gestellt. Zweiter wesentlicher Bestandteil der Revision ist, wie oben dargelegt, die Begründung.

Dieser fehlt im Streitfall die Unterschrift. Damit ist die Revision des FA nicht in der gesetzlichen Form begründet. Sie ist deshalb unzulässig und gemäß § 126 Abs. 1 FGO durch Beschluß zu verwerfen.

Da der Mangel erst unmittelbar bei der Vorbereitung der gegenwärtigen Entscheidung bemerkt wurde, ist dem FA von der fehlenden Unterschrift bisher nichts mitgeteilt worden. Es hat auch keinen Zweck, das jetzt noch zu tun. Die Unterschrift kann, nachdem die Monatsfrist für die Revisionsbegründung längst abgelaufen ist, nicht mehr nachgeholt werden. Es erübrigt sich ferner, Erwägungen wegen einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand anzustellen. Abgesehen davon, daß § 56 FGO nach seinem Wortlaut nur die Nichteinhaltung einer Frist - nicht einer Form - betrifft, ist die Jahresfrist des § 56 Abs. 3 FGO seit dem 21. Oktober 1969 abgelaufen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 68747

BStBl II 1970, 329

BFHE 1970, 233

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