Entscheidungsstichwort (Thema)

Glaubhaftmachung der Tatsachen zur Begründung eines Wiedereinsetzungsantrags bei Fristversäumnis infolge Postverschuldens

 

Leitsatz (NV)

Wird ein Wiedereinsetzungsantrag damit begründet, das zur Wahrung der Frist bestimmte Schreiben sei von dem Prozeßbevollmächtigten rechtzeitig vor Ablauf der Frist an das Gericht abgesandt worden, es sei jedoch -- falls es dem Gericht nicht vorliege -- bei der Post verlorengegangen, müssen zur Glaubhaftmachung des Wiedereinsetzungsgrundes auch die näheren Umstände der Absendung des Schreibens und der Postausgangskontrolle dargelegt und durch Vorlage von Beweismitteln (z. B. des Postausgangsbuchs) oder einer Versicherung an Eides Statt der mit der Absendung des Schreibens befaßten Person glaubhaft gemacht werden.

 

Normenkette

FGO §§ 56, 120 Abs. 1, §§ 124, 126 Abs. 1; ZPO § 294

 

Tatbestand

Satzungsmäßiger Zweck des Klägers und Revisionsklägers (Kläger) -- eines eingetragenen Vereins -- ist die Förderung der ... Im März 1990 beantragte er beim Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt -- FA --), ihn als gemeinnützig anzuerkennen und einen Freistellungsbescheid zu erteilen. Das FA setzte durch Bescheid vom 4. April 1990 die Körperschaftsteuer-Vorauszahlungen für 1990 und die ersten beiden Quartale 1991 auf jeweils 0 DM fest. In der dem Bescheid beigefügten Erläuterung führte es aus, der Kläger verfolge keine gemeinnützigen Zwecke, dies ergebe sich aus der Aufzählung in § 52 Abs. 2 Nr. 4 der Abgabenordnung (AO 1977), die abschließend sei.

Das Finanzgericht (FG) wies die nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage ab und ließ die Revision zu. Es hielt die Klage für unzulässig, da der Kläger nicht geltend machen könne, durch den angefochtenen Bescheid in seinen Rechten verletzt zu sein.

Das FG-Urteil wurde dem Prozeßbevollmächtigten des Klägers am 27. September 1995 zugestellt. Am 24. Oktober 1995 hat der Kläger Revision eingelegt. Die Revisionsbegründung vom 28. November 1995 ging am gleichen Tag beim Bundesfinanzhof (BFH) ein.

Mit Schreiben vom 5. Dezember 1995 hat der Vorsitzende des beschließenden Senats den Prozeßbevollmächtigten des Klägers auf den Ablauf der Revisionsbegründungsfrist am 27. November 1995 und die §§ 56 und 124 der Finanzgerichtsordnung (FGO) hingewiesen. Der Prozeßbevollmächtigte hat daraufhin mit Schriftsatz vom 15. Dezember 1995 vorgetragen: Er habe durch Schreiben vom 20. November 1995 beantragt, die Revisionsbegründungsfrist bis zum 31. Dezember 1995 zu verlängern. Sollte dieses Schreiben wegen einer Postlaufzeit von über einer Woche erst nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist beim BFH eingegangen sein oder sollte es aufgrund eines Postverschuldens verlorengegangen sein, werde Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Dem Schriftsatz war eine Kopie des an den BFH adressierten und das Aktenzeichen des Revisionsverfahrens enthaltenden Schreibens vom 20. November 1995 beigefügt.

Das Originalschreiben vom 20. November 1995 ist beim BFH nicht eingegangen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision war gemäß § 126 Abs. 1 FGO durch Beschluß zu verwerfen. Sie ist nicht fristgerecht begründet worden und -- da dem Kläger keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren ist -- unzulässig (§ 124 FGO).

1. Die Revisionsbegründungsfrist lief am 27. November 1995 ab, da das FG-Urteil dem Kläger am 27. September 1995 zugestellt wurde und die Begründungsfrist nicht aufgrund eines vor Fristablauf beim BFH eingegangenen Antrags verlängert worden ist (§ 120 Abs. 1 FGO).

2. Dem Antrag des Klägers, ihm gemäß § 56 FGO wegen Versäumung der Revisionsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, konnte nicht entsprochen werden. Der Kläger hat die Tatsachen zur Begründung des Antrags nicht -- wie dies § 56 Abs. 2 Satz 2 FGO fordert -- glaubhaft gemacht.

Dazu hätte er nicht nur -- wie geschehen -- vortragen müssen, sein Prozeßbevollmächtigter habe das Schreiben vom 20. November 1995 mit dem Antrag auf Verlängerung der Revisionsbegründungsfrist rechtzeitig vor Ablauf der Frist an den BFH abgesandt und das Schreiben sei, wenn es dem BFH nicht vorliege, bei der Post verlorengegangen. Er hätte vielmehr auch noch die näheren Umstände des Absendens des Schreibens und der Postausgangskontrolle darlegen und durch Vorlage von Beweismitteln (z. B. des Postausgangsbuchs) oder einer Versicherung an Eides Statt (§ 294 der Zivilprozeßordnung i. V. m. § 155 FGO) der mit der Absendung des Schriftsatzes vom 20. November 1995 befaßten Person glaubhaft machen müssen (s. Senatsurteil vom 13. März 1985 I R 122/83, BFH/NV 1986, 48).

 

Fundstellen

Haufe-Index 421373

BFH/NV 1996, 630

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