Entscheidungsstichwort (Thema)

Nichtzulassungsbeschwerde; Verfahrensmängel; Beweislast von Verfahrenstatsachen; Divergenz

 

Leitsatz (NV)

1. Die Beweislast für Verfahrenstatsachen, auf die eine Verfahrensrüge gestützt wird, trägt derjenige, der die Rüge vorbringt.

2. Rügt der Kläger Verletzung rechtlichen Gehörs mit der Begründung, ihm sei ungeachtet eines entsprechenden Antrags das Sitzungsprotokoll nicht übersandt worden, kann er damit nur gehört werden, wenn die behauptete Antragstellung durch die Sitzungsniederschrift belegt wird.

3. Bei den nach § 94 FGO i.V.m. § 160 ZPO in die Niederschrift aufzunehmenden ,,Anträgen" handelt es sich nur um die Sachanträge.

4. Die Bezugnahme im Urteil auf Urkunden, die sich bei den Gerichtsakten befinden, ist zulässig.

5. Eine Abweichung liegt nicht vor, wenn der vom FG beurteilte Sachverhalt sich in so bedeutsamer und wesentlicher Weise von dem Sachverhalt der zitierten BFH-Entscheidungen unterscheidet, daß durch den vom BFH aufgestellten Rechtssatz der Sachverhalt des FG nicht als ,,mitentschieden" anzusehen ist.

 

Normenkette

FGO §§ 78, 94, 195 Abs. 3, § 116; ZPO §§ 137, 160, 297

 

Verfahrensgang

Hessisches FG

 

Gründe

. . .

1. Die Kläger berufen sich zu Unrecht auf Verfahrensfehler des FG.

a) Keinen Erfolg hat der Einwand der Kläger, das FG hätte das angefochtene Urteil wegen der Ablehnung des gesamten Spruchkörpers nicht in der geschäftsplanmäßigen Besetzung fällen dürfen. Diesen Einwand haben die Kläger zwar nicht unmittelbar mit der Nichtzulassungsbeschwerde erhoben. Sie haben jedoch - obwohl sie bereits Revision eingelegt hatten - ausdrücklich unter Hinweis auf das Az. der anhängigen Nichtzulassungsbeschwerde ,,Beschwerde" eingelegt gegen die im Urteil ausgesprochene Verwerfung ihres Ablehnungsgesuchs.

aa) Der Senat wertet diese Beschwerde - auch aus Kostengründen - nicht als selbständiges Rechtsmittel, sondern als Verfahrensrüge im Rahmen des gegen das angefochtene Urteil eingelegten Rechtsmittels. Das FG hat über das Ablehnungsgesuch nicht durch besonderen Beschluß, sondern erst im Rahmen des Urteils entschieden und dort ausgeführt, das Ablehnungsgesuch gegen die gesamte Richterbank sei offensichtlich als rechtsmißbräuchlich und deshalb als ,,unbeachtlich" anzusehen. Der in der mündlichen Verhandlung verkündete Beschluß des FG über die Verwerfung des Ablehnungsgesuchs gegen die gesamte Richterbank ist deshalb nur als Mitteilung der Rechtsauffassung des FG anzusehen, der gegenüber dem aufgrund der mündlichen Verhandlung gefällten Urteil keine selbständige Bedeutung hat. Diese Mitteilung kann deshalb auch nicht selbständig angefochten werden, sondern nur im Rahmen der Rechtsmittel gegen das Urteil (BFH-Beschluß vom 8. Mai 1992 III B 123/92, BFH/NV 1993, 244).

bb) Der Senat läßt offen, ob die Verfahrensrüge der Mitwirkung der abgelehnten Richter an dem angefochtenen Urteil nur im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde geltend gemacht werden könnte oder ob die auf § 116 Abs. 1 Nr. 2 FGO gestützten Revision hierfür das richtige Verfahren wäre. Die Rüge ist jedenfalls unbegründet.

Mit dem Ablehnungsgesuch haben die Kläger nur gerügt, das FG habe zu viele Termine auf den Verhandlungstag angesetzt und ihrer Auffassung nach sei deshalb zu wenig Zeit für das einzelne Verfahren geblieben. Die Verbindung mehrerer Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung nach § 73 Abs. 1 Satz 1 FGO steht im Ermessen des Gerichts. Die Frage, ob die Verbindung ermessensfehlerhaft war, ist nicht im Wege der Richterablehnung geltend zu machen, sondern mit den normalen Rechtsmitteln gegen die in dem Verfahren getroffene Entscheidung. Das Ablehnungsverfahren soll die Beteiligten nicht gegen unrichtige Auffassungen materiell- oder verfahrensrechtlicher Art schützen. Insoweit stehen den Beteiligten die allgemeinen Rechtsbehelfe zur Verfügung (z.B. BFH-Beschluß vom 24. August 1989 IV B 59/89, BFH/NV 1990, 308).

Im übrigen haben die Kläger nicht substantiiert vorgetragen, sie seien tatsächlich in ihrer eigenen Klagesache wegen der kurzen Verhandlungsdauer an irgendeinem Vortrag gehindert gewesen. Schon angesichts der Tatsache, daß ausweislich des Sitzungsprotokolls die mündliche Verhandlung um 19.35 Uhr geschlossen wurde - bei dem von den Klägern behaupteten ,,5-Minuten-Takt" hätte sie um 12.50 Uhr beendet sein müssen - ist die Behauptung, der Prozeßbevollmächtigte habe vergeblich versucht, von dem ,,5-Minuten-Takt wegzukommen", unverständlich. Die Ablehnung der gesamten Richterbank allein mit der Behauptung, die Zeit für die am Verhandlungstag angesetzten Termine sei zu kurz gewesen, ist rechtsmißbräuchlich und deshalb unzulässig. Die abgelehnten Richter waren hiernach nicht gehindert, an der Entscheidung mitzuwirken. Das FG konnte über den Befangenheitsantrag im Rahmen des Urteils entscheiden (vgl. z.B. Gräber/ Koch, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl., 1987, § 51 Rz.26 ff. und 55 ff. mit zahlreichen Rechtsprechungsnachweisen).

b) Das FG hat den Anspruch der Kläger auf Gewährung rechtlichen Gehörs nicht verletzt.

Das FG hat den Klägern bzw. deren Prozeßbevollmächtigten die Akteneinsicht nicht verweigert, sondern deren Einsichtnahme in der Geschäftsstelle am 27. September 1991 ermöglicht. Wenn der Prozeßbevollmächtigte der Kläger hiervon keinen Gebrauch gemacht hat, bzw. keinen Gebrauch machen konnte, beruht dies auf Umständen, die der Prozeßbevollmächtigte zu vertreten hat. Dessen Verhalten müssen sich die Kläger zurechnen lassen (vgl. § 155 FGO i.V.m. § 85 Abs. 2 ZPO).

aa) Grundsätzlich wird Akteneinsicht nach § 78 Abs. 1 Satz 1 FGO auf der Geschäftsstelle des mit der Streitsache befaßten Gerichts gewährt (ausführlich BFH-Beschluß vom 24. März 1981 VII B 64/80, BFHE 133, 8, BStBl II 1981, 475). Die Versendung der Akten an das Finanzamt (FA) oder an ein anderes Gericht am Geschäftsort des Bevollmächtigten steht im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts (z.B. Gräber/Koch, a.a.O., § 78 Anm.10 mit Rechtsprechungsnachweisen). Das Gericht handelt dann nicht ermessensfehlerhaft, wenn es die Übersendung der Akten an einen anderen Ort ablehnt, weil sie bei Gericht benötigt werden, oder wenn wegen der bevorstehenden mündlichen Verhandlung die rechtzeitige Rückgabe der Akten nicht mehr gewährleistet ist (z.B. BFH-Beschluß vom 11.Oktober 1985 III B 57/84, BFH/NV 1986, 227). Das FG brauchte deshalb im Streitfall die Akten nicht an einen anderen Ort zu übersenden.

bb) Eine Verweigerung der Akteneinsicht kann auch nicht darin gesehen werden, daß sie unter zeitlichen Umständen gewährt worden ist, die nach den Behauptungen der Kläger die Einsichtnahme in die Akten praktisch unmöglich gemacht haben, denn diese Umstände hat der Prozeßbevollmächtigte der Kläger zu vertreten.

Dem Prozeßbevollmächtigten war bereits mit Schreiben des Vorsitzenden vom 30. Juli 1991 mitgeteilt worden, daß am 30. September 1991 und an weiteren Terminen im Oktober 1991 in einer Reihe von Verfahren wegen Untätigkeit, die er vertrat, mündliche Verhandlungen stattfinden sollten. Auch wenn in dieser Mitteilung die für die jeweiligen Sitzungstage vorgesehenen Klageverfahren noch nicht bezeichnet waren, hätte der Prozeßbevollmächtigte schon vor seinem Urlaub dafür sorgen können, daß ihm das FG unmittelbar im Anschluß an seinen Urlaub in den Verfahren, für die auf den 30. September 1991 mündliche Verhandlung anberaumt werden sollte, Akteneinsicht gewähre. Hinzu kommt, daß der Prozeßbevollmächtigte der Kläger ausweislich der Postzustellungsurkunde persönlich am 31. August 1991 die Ladung entgegengenommen hat. Es war ihm also ohne weiteres möglich und zumutbar, darauf hinzuwirken, daß der Antrag auf Akteneinsicht rechtzeitig gestellt werde.

Wenn sein auf den 6. September 1991 datierter Antrag erst am 23. September 1991 beim FG einging, so daß, wie die Kläger vortragen, Akteneinsicht vor der mündlichen Verhandlung praktisch nicht mehr möglich war, haben dies die Kläger zu vertreten.

c) Das FG mußte das Verfahren nicht wegen eines beim BFH anhängigen Musterprozesses nach § 74 FGO aussetzen. Eine Aussetzung des Verfahrens kommt nicht schon deshalb in Betracht, weil in derselben Rechtsfrage beim BFH ein Musterprozeß anhängig ist (BFH-Beschluß vom 8. Juni 1990 III R 41/90, BFHE 161, 1, BStBl II 1990, 994). Aus der von den Klägern für ihre Auffassung zitierten Entscheidung des I.Senats des BFH (Beschluß vom 8. Mai 1991 I B 132, 134/90, BFHE 164, 194, BStBl II 1991, 641) ergibt sich nichts anderes, denn diese Entscheidung betrifft nur Musterverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG), nicht jedoch vor dem BFH.

d) Die Kläger machen als Verfahrensmangel unter Hinweis auf das Urteil des BFH vom 3. März 1970 VII R 43/68 (BFHE 98, 525, BStBl II 1970, 494) geltend, das FG habe im Urteil nicht auf die Anlagen 1 bis 3 zum Sitzungsprotokoll verweisen dürfen, wenn diese dem Kläger nicht zuvor zugänglich gemacht worden seien. Sie rügen damit sinngemäß, das Urteil sei nicht mit Gründen versehen, weil es auf Urkunden verweise, die den Klägern nicht vorher übermittelt worden seien. Sie machen mithin einen Verfahrensmangel i.S. der §§ 116 Abs. 1 Nr. 5, 119 Nr. 6 FGO geltend, der nur mit der zulassungsfreien Revision gerügt werden kann (z.B. BFH-Beschluß vom 9. Juni 1986 IX B 90/85, BFHE 146, 395, BStBl II 1986, 679).

e) Unbegründet ist weiter die Behauptung, das FG habe den in der mündlichen Verhandlung gestellten Antrag des Prozeßbevollmächtigten auf Übersendung des Sitzungsprotokolls unbeachtet gelassen, die sinngemäß als Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs zu deuten ist.

Das Vorbringen der Kläger, sie hätten in der mündlichen Verhandlung erfolglos die Erteilung einer Abschrift des Sitzungsprotokolls beantragt, wird durch die Niederschrift über die mündliche Verhandlung nicht belegt. Der Antrag gilt deshalb als nicht gestellt.

Die Beweislast für die Verfahrenstatsachen, auf die eine Revisionsrüge gestützt wird, trägt derjenige, der sie vorbringt (z.B. BFH-Urteil vom 26. Februar 1975 II R 120/73, BFHE 115, 185, BStBl II 1975, 489). Die Kläger hätten sich den Beweis für die behauptete Antragstellung dadurch sichern können, daß sie gemäß § 94 FGO i.V.m. § 160 As.4 ZPO beantragt hätten, diesen Antrag in die Niederschrift aufzunehmen. Eine etwaige Ablehnung hätte durch Beschluß beschieden werden und dieser Beschluß in die Niederschrift aufgenommen werden müssen (§ 160 Abs. 4 Satz 3 ZPO). Ein solcher Antrag erübrigte sich nicht etwa deshalb, weil nach § 160 Abs. 3 Nr. 2 ZPO ,,die Anträge" ins Protokoll aufzunehmen sind, denn gemeint sind in diesem Zusammenhang nur die Sachanträge (§§ 137, 297 ZPO; BFHE 115, 185, BStBl II 1975, 489).

Daß die Kläger zu einem späteren Zeitpunkt, insbesondere nach Zustellung es Urteils erfolglos die Übersendung einer Abschrift des Sitzungsprotokolls oder Einsichtnahme in die Gerichtsakten begehrt hätten, haben sie selbst nicht behauptet.

2. Die Sache hat entgegen der Auffassung der Kläger keine grundsätzliche Bedeutung.

a) Zweifelhaft ist schon die grunsätzliche Bedeutung der Frage, ob eine Untätigkeitsklage zulässig ist, wenn das FA keinen Grund für die Untätigkeit mitgeteilt hat, dem Prozeßbevollmächtigten der Grund jedoch ,,in allgemeiner Form (Allgemeinwissen des Prozeßbevollmächtigten) bekannt geworden" ist; denn bereits im BFH-Beschluß vom 9. April 1968 I B 48/67 (BFHE 92, 170, BStBl II 1968, 471) ist ausgeführt, welche Anforderungen an die Mitteilung des FA zu stellen sind. Im Streitfall ist diese Frage jedenfalls nicht klärungsfähig, denn das FA hat ausweislich der Akten dem Prozeßbevollmächtigten mit Schreiben vom 5. März 1991 mitgeteilt, weshalb es über den Einspruch nicht entscheide.

b) Durch den Beschluß vom 8. Mai 1992 III B 138/92 (BFHE 167, 303, BStBl II 1992, 673) geklärt ist auch die Frage der Zulässigkeit einer Untätigkeitsklage, wenn sie zu einem Zeitpunkt erhoben worden ist, zu dem wegen eines vor dem BVerfG anhängigen Musterverfahrens weder die Rechtsbehelfsbehörde noch das FG eine Entscheidung treffen können. Diese Entscheidung ist zwar erst nach Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde ergangen. Bei der Prüfung, ob die Sache grundsätzliche Bedeutung hat, ist jedoch von der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Entscheidung über die Zulassung auszugehen (z.B. BFH-Beschluß vom 19. Dezember 1973 VI B 105/73, BFHE 111, 396, BStBl II 1974, 321).

c) Auch soweit die Kläger grundsätzliche Bedeutung der Frage beimessen, ob das FG sich im Tatbestand und den Entscheidungsgründen auf das ,,dem Kläger unbekannte" Sitzungsprotokoll und Anlagen hierzu beziehen, hat die Nichtzulassungsbeschwerde keinen Erfolg. Insoweit ist sie nicht in der gesetzlich vorgeschriebenen Form (§ 115 Abs. 3 Satz 3 FGO) begründet worden.

Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, wenn eine Rechtsfrage zu entscheiden ist, an deren Beantwortung ein allgemeines Interesse besteht, weil ihre Klärung das Interesse der Allgemeinheit an der Fortentwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Es muß sich um eine aus rechtssystematischen Gründen bedeutsame und auch für die einheitliche Rechtsanwendung wichtige Frage handeln. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen für eine grundsätzliche Bedeutung muß in der Beschwerdeschrift dargelegt werden (z.B. BFH-Beschluß vom 27. Juni 1985 I B 23/85, BFHE 144, 133, BStBl II 1985, 605). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdeschrift nicht.

Der bloße Hinweis, eine Frage sei höchstrichterlich noch nicht entschieden, reicht hierfür nicht aus (vgl. z.B. BFH-Beschluß vom 7. November 1990 II B 106/90, BFH/NV 1991, 691). Nichts anderes gilt für die Behauptung, eine Rechtsfrage könne für eine Reihe anderer gleichgelagerter Fälle bedeutend sein. Die Kläger hätten darlegen müssen, daß die erstrebte Revisionsentscheidung etwa wegen Unklarheiten des Gesetzes, wegen widerstreitender Entscheidungen der FG oder wegen unterschiedlicher Beurteilung in der Literatur der Rechtsklarheit und/oder der Rechtsentwicklung dienen kann (z.B. BFH/NV 1991, 691 mit weiteren Rechtssprechungsnachweisen). Hierzu hätte bei der von den Klägern vorgetragenen Rechtsfrage schon deshalb Anlaß bestanden, weil nach § 105 Abs. 3 Satz 2 FGO bei der Darstellung des Sach- und Streitstandes im Tatbestand wegen der Einzelheiten auf Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen verwiesen werden soll. Die Bezugnahme auf die bei den Gerichtsakten und den dem Gericht vorgelegten Akten befindlichen Schriftstücke, die den Beteiligten nach Maßgabe des § 78 FGO zugänglich sind, ist deshalb nicht nur zulässig, sondern ausdrücklich im Gesetz vorgesehen.

3. Die Beschwerde hat weiter keinen Erfolg, soweit sich die Kläger darauf berufen, das FG sei von den Beschlüssen des BFH vom 22.September 1967 VI B 19/67 (BFHE 90, 274, BStBl II 1968, 61) und vom 13. Mai 1971 V B 61/70 (BFHE 102, 31, BStBl II 1971, 492) und vom Urteil des BFH vom 3. März 1970 VII R 43/68 (BFHE 98, 525, BStBl II 1970, 494) abgewichen.

a) Eine Abweichung liegt nicht vor, wenn der vom FG beurteilte Sachverhalt sich in so bedeutsamer und wesentlicher Weise von dem Sachverhalt der von den Klägern zitierten BFH-Entscheidung unterscheidet, daß durch den vom BFH aufgestellten Rechtssatz der Sachverhalt des FG nicht als ,,mitentschieden" anzusehen ist (z.B. BFH-Beschluß vom 24. Oktober 1990 II B 31/90, BFHE 162, 483, BStBl II 1991, 106).

Das FG weicht von den Beschlüssen in BFHE 90, 274, BStBl II 1968, 61 und in BFHE 102, 31, BStBl II 1971, 492 nicht ab. Diese betreffen nicht solche Fälle, in denen Untätigkeitsklagen zu einem Zeitpunkt erhoben worden sind, in dem wegen anhängiger Musterverfahren vor dem BVerfG weder das FA im Einspruchsverfahren noch das FG im Klageverfahren eine Entscheidung in der Sache treffen konnten. Beide Entscheidungen enthalten deshalb keine Aussage darüber, ob und inwieweit eine Untätigkeitsklage auch dann unzulässig ist, wenn das FA zwar dem Kläger nicht in zureichender Weise den Grund für die Untätigkeit mitgeteilt hat, aber auch der Zweck einer Untätigkeitsklage gemäß § 46 FGO, bei Verzögerung der Entscheidung des FA bereits vor der außergerichtlichen Rechtsbehelfsentscheidung einen Erfolg in der Sache zu ermöglichen, nicht erreicht werden kann, weil auch das FG aus denselben Gründen an einer Sachentscheidung gehindert ist. Darüber hinaus zeichnet sich der vorliegende Sachverhalt durch die Besonderheit aus, daß die Kläger eine Sachentscheidung des FG gar nicht anstrebten, vielmehr die Aussetzung des Klageverfahrens nach § 74 FGO begehrten.

Im übrigen hat der BFH zwischenzeitlich in Übereinstimmung mit der vom FG im angefochtenen Urteil vertretenen Rechtsauffassung mit Beschluß in BFHE 167, 303, BStBl II 1992, 673 entschieden, daß eine Untätigkeitsklage unzulässig ist, wenn sie eingereicht wird, obwohl weder das FG noch das FA verfahrensrechtlich in der Lage ist, eine Entscheidung in der Sache zu treffen. Das gilt unabhängig davon, ob die Voraussetzungen des § 46 FGO im einzelnen erfüllt sind oder nicht. Diese Entscheidung ist zwar nach Erlaß des angefochtenen Urteils ergangen. Maßgeblich ist aber auch insoweit der Stand der BFH-Rechtsprechung im Zeitpunkt der Entscheidung über die Zulassung (vgl. die Rechtsprechungsnachweise bei Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz.19).

b) Das FG weicht nicht vom Urteil des BFH in BFHE 98, 525, BStBl II 1970, 494 ab. Die zitierte Entscheidung betrifft einen in einem wesentlichen Punkt anderen Sachverhalt. Dort hatte das FG auf die Gründe eines zwischen denselben Beteiligten ergangenen Urteils verwiesen, das den Beteiligten jedoch erst nach Zustellung des angefochtenen Urteils zugestellt worden war, das die Beteiligten deshalb nicht kannten und das ihnen auch nicht durch die in § 78 FGO vorgesehene Möglichkeit der Akteneinsicht zugänglich war.

Nach § 105 Abs. 3 FGO ausdrücklich vorgesehen ist dagegen die Bezugnahme auf den Inhalt von Schriftsätzen der Beteiligten, Verhandlungs- und Vernehmungsprotokollen, mithin auf Urkunden, die sich bei den Akten des Gerichts befinden und die deshalb den Beteiligten durch die in § 78 FGO vorgesehenen Möglichkeiten zugänglich sind. Davon geht auch die von den Klägern zitierte Entscheidung aus.

4. Für eine Entscheidung nach § 8 des Gerichtskostengesetzes (GKG) besteht kein Anlaß. Eine unrichtige Behandlung i.S. des § 8 GKG liegt nach ständiger Rechtsprechung nur vor, wenn das Gericht gegen eindeutige gesetzliche Normen verstoßen hat und dieser Verstoß offen zutage tritt oder wenn ein offensichtliches Versehen vorliegt (vgl. z.B. Drischler/Oestreich/Heun/ Haupt, Gerichtskostengesetz, 4. Aufl., § 8 Rz.10 mit Rechtsprechungsnachweisen). Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall offensichtlich nicht vor.

 

Fundstellen

Haufe-Index 418950

BFH/NV 1993, 667

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