Leitsatz (amtlich)

Gegen einen Bescheid, mit dem es das FA abgelehnt hat, eine gesonderte Feststellung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb durchzuführen, weil keine Mitunternehmerschaft bestehe, kann vorläufiger Rechtsschutz nur im Wege einstweiliger Anordnung nach § 114 FGO gewährt werden (Anschluß an den BFH-Beschluß vom 10. November 1977 IV B 33-34/76, BFHE 123, 412, BStBl II 1978, 15).

 

Normenkette

FGO §§ 114, 69; EStG § 15 Abs. 1 Nr. 2

 

Tatbestand

Im Hauptverfahren ist streitig, ob zwischen dem Kläger, Revisionskläger und Antragsteller (Kläger) und seinem Vater in den Streitjahren 1974 und 1975 eine Mitunternehmerschaft nach § 15 (Abs. 1) Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) bestand. Der Beklagte, Revisionsbeklagte und Antragsgegner (das Finanzamt - FA -) hat es mit Bescheid vom 23. Januar 1978 abgelehnt, eine gesonderte Feststellung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb durchzuführen (§ 180 Abs. 1 Nr. 2a der Abgabenordnung - AO 1977 -), weil der Vater des Klägers nicht Mitunternehmer sei.

Nachdem auch die Klage gegen diesen Bescheid erfolglos geblieben war, hat der Kläger gegen das Urteil des Finanzgerichts (FG) am 17. November 1978 Revision eingelegt (Az. I R 247/78) und gleichzeitig beantragt, "die Einziehung der fraglichen Steuerbeträge bis zur Entscheidung meiner Revision durch den BFH weiterhin auszusetzen". Dieselbe Formulierung hat er auch in der Revisionsschrift betreffend den Rechtsstreit wegen Einkommensteuer 1974 und 1975 (Az. I R 248/78) gebraucht. Auf eine Anfrage der Geschäftsstelle des Senats vom 5. Dezember 1978 hat der Kläger mit Schreiben vom 12. Dezember 1978 unter dem Betreff "Rechtsstreit ... wegen einheitlicher Gewinnfeststellung 1974 und 1975 - Az. I R 247/78" ausgeführt, daß er mit dem Antrag vom 17. November 1978 die Aussetzung der Vollziehung nach § 69 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) beantragen wolle.

Das FA beantragt, den Antrag des Klägers abzuweisen. Die "Voraussetzungen für eine Aussetzung der Vollziehung der Feststellungsbescheide 1974 bis 1975" lägen nicht vor.

 

Entscheidungsgründe

Der Antrag des Klägers ist als unzulässig zurückzuweisen.

1. Der Senat geht davon aus, daß der Kläger in diesem Verfahren (I S 9/78) die Aussetzung der Vollziehung des Bescheids vom 23. Januar 1978 beantragen wollte. Dieser Antrag ist zusätzlich zu dem Antrag gestellt worden, die Vollziehung der Einkommensteuerbescheide für die Streitjahre 1974 und 1975 auszusetzen. Das ergibt die Auslegung der vom Kläger insgesamt gestellten Anträge. Der Kläger hat einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung bewußt auch im Zusammenhang mit dem Hauptverfahren wegen gesonderter Feststellung (Az. I R 247/78) gestellt (vgl. insbesondere sein Schreiben vom 12. Dezember 1978). Er hat später den Ausführungen des FA, das diesen Antrag ausdrücklich - wenn auch sachlich nicht ganz zutreffend - als einen solchen auf "Aussetzung der Vollziehung der Feststellungsbescheide 1974 bis 1975" bezeichnet hat, nicht widersprochen. Schließlich lag es - im Hinblick auf § 69 Abs. 2 Satz 4 FGO - im Interesse des Klägers, vorläufigen Rechtsschutz auch gegen den ablehnenden Bescheid des FA vom 23. Januar 1978 zu beantragen (vgl. zur Auslegung von Prozeßhandlungen im übrigen auch die Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 22. Januar 1971 III R 108/69, BFHE 101, 277 [280], BStBl II 1971, 295, und vom 8. Februar 1974 III R 140/70, BFHE 112, 6 [9], BStBl II 1974, 417).

2. Der Antrag des Klägers ist aus verfahrensrechtlichen Gründen zurückzuweisen. Der Kläger kann gegen den Bescheid des FA vom 23. Januar 1978 vorläufigen Rechtsschutz nur im Wege einstweiliger Anordnung nach § 114 FGO erreichen.

Das FA hat es mit Bescheid vom 23. Januar 1978 abgelehnt, die vom Kläger beantragten gesonderten Feststellungen für die Streitjahre 1974 und 1975 durchzuführen, weil die Voraussetzungen einer Mitunternehmerschaft mit seinem Vater nicht gegeben seien. Der BFH hat mit Beschluß vom 10. November 1977 IV B 33-34/76 (BFHE 123, 412, BStBl II 1978, 15) ausgesprochen, daß in derartigen Fällen vorläufiger Rechtsschutz in der Form einer vorläufigen (einheitlichen) Feststellung von Gewinnen (oder Verlusten in ihrer wahrscheinlichen Höhe) nur nach Maßgabe des § 114 FGO, nicht hingegen durch Aussetzung der Vollziehung nach § 69 FGO gewährt werden kann. Dabei ist dem Umstand entscheidende Bedeutung beigemessen worden, daß im Hauptverfahren Rechtsschutz nur durch Verpflichtungsklage begehrt werden könnte (Hinweis auf das BFH-Urteil vom 27. Januar 1977 IV R 173/75, BFHE 122, 5, BStBl II 1977, 510). Der erkennende Senat folgt dieser Rechtsauffassung.

Diese Entscheidung widerspricht nicht der Rechtsansicht des VIII. Senats des BFH in dem Beschluß vom 10. Juli 1979 VIII B 84/78 (BFHE 128, 164, BStBl II 1979, 567). In diesem Fall hatte das FA einen nach Auffassung der Kläger zu niedrigen Verlust festgestellt. Die Kläger hätten nach Ansicht des VIII. Senats im Hauptverfahren - anders als im Streitfall - die Abänderung dieses Bescheids im Wege der Anfechtungsklage begehren müssen. Weiter hat der VIII. Senat entscheidend darauf abgestellt, daß der Regelungsinhalt des einen Verlust feststellenden Bescheids dem Regelungsinhalt des einen Gewinn feststellenden Bescheids vergleichbar sei (Hinweis auf Beispiele bei Schall, Der Betriebs-Berater 1978 S. 1715 - BB 1978, 1715 -, und Klenk, BB 1978, 1666). Diese Aussage kann auf den Bescheid des FA im Streitfall nicht ausgedehnt werden. Während der einen Gewinn (bzw. einen Verlust) feststellende Bescheid sowohl eine Entscheidung über die Höhe des Gewinns (bzw. Verlustes) als auch eine solche über die Personen enthält, denen dieser Gewinn (bzw. Verlust) zuzurechnen ist, hat es das FA im Streitfall gerade abgelehnt, diese Entscheidungen zu treffen (vgl. auch den BFH-Beschluß vom 24. März 1975 IV S 22/74, BFHE 115, 417, BStBl II 1975, 711).

Dieser Unterschied im Regelungsinhalt der Bescheide erlaubt es schließlich auch nicht, § 69 FGO im Streitfall analog anzuwenden. Der Sachverhalt des Streitfalls wird nach dem Sinnzusammenhang und dem Zweck dieser Vorschrift nicht mehr von ihr erfaßt (vgl. Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 4. Aufl., 1979, S. 354f., 384f., 390). Nach dem Klagensystem der Finanzgerichtsordnung und den zugehörigen Formen vorläufigen Rechtsschutzes ist hier § 114 FGO einschlägig (s. insbesondere BFHE 123, 412, BStBl II 1978, 15; aber auch Schall, a. a. O., und Seeger, Deutsches Steuerrecht 1978 S. 221).

 

Fundstellen

BStBl II 1980, 212

BFHE 1980, 289

NJW 1980, 1544

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