Entscheidungsstichwort (Thema)

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand

 

Leitsatz (NV)

Tatsachen zur Begründung eines Wiedereinsetzungsgesuchs sind in substantiierter Weise schlüssig vorzutragen und glaubhaft zu machen. Beruft sich jemand darauf, die rechtzeitig abgesandte Revisionsschrift sei verlorengegangen, so erfordert dies, daß der rechtzeitige Abgang des Schriftsatzes durch Vorlage einer Ablichtung des Postausgangsbuchs und der Revisionsschrift glaubhaft gemacht wird.

 

Normenkette

FGO § 56

 

Tatbestand

Mit Beschluß vom 1. Februar 1993 hat der Senat die Revision gegen das Urteil des Finanzgerichts (FG) vom 8. Juli 1992 zugelassen. Der Beschluß wurde am 10. März 1993 zugestellt. Mit Schriftsatz vom 6. Mai 1993, beim Bundesfinanzhof (BFH) eingegangen am 10. Mai 1993, legten die Kläger und Revisionskläger (Kläger) die Revisionsbegründung vor, in der auf eine am 26. März 1993 eingelegte Revision Bezug genommen wurde. Auf Anfrage der Geschäftsstelle des Senats teilte das FG mit, daß eine Revision nicht vorgelegt worden sei.

Unter Bezugnahme auf § 56 der Finanzgerichtsordnung (FGO) wies der Vorsitzende des Senats den Prozeßbevollmächtigten der Kläger darauf hin, daß die Revision nicht beim FG eingegangen sei. Daraufhin stellte der Prozeßbevollmächtigte der Kläger am 15. Juni 1993 mit Fernkopierer (Telefax) rechtzeitig Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, dem eidesstattliche Versicherungen des Bevollmächtigten und seiner Ehefrau sowie eine an den BFH adressierte Revisionsschrift unter dem Datum des 14. Juni 1993 beigefügt waren. Eine derartige Revisionsschrift richtete der Bevollmächtigte auch an das FG.

Zur Begründung führte der Prozeßbevollmächtigte der Kläger aus, er habe die Revisionsschrift am 26. März 1993 gefertigt und sie auf dem Weg zum Flughafen in den Briefkasten am geschlossenen Bahnhof X eingeworfen. Auf Anfrage habe die Post bestätigt, daß der Briefkasten noch in Betrieb sei. Er sei daher ohne Verschulden gehindert gewesen, die Revisionsfrist einzuhalten. Zur Glaubhaftmachung gaben der Prozeßbevollmächtigte und seine Frau eidesstattliche Versicherungen folgenden übereinstimmenden Wortlauts ab:

Der Unterzeichner versichert eidesstattlich, daß von Herrn ... am 26. März 1993 in den Briefkasten am Bahnhof in X ein an den Bundesfinanzhof gerichteter Umschlag eingeworfen wurde.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unzulässig.

Nach § 120 Abs. 1 FGO ist die Revision beim FG innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils schriftlich einzulegen und spätestens innerhalb eines weiteren Monats zu begründen.

Im Streitfall ist die Revision am 15. Juni 1993 und somit verspätet beim FG eingegangen. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kann den Klägern nicht gewährt werden, da sie nicht ohne ihr Verschulden verhindert waren, die Revisionsfrist einzuhalten (§ 56 FGO). Das Verschulden ihres Prozeßbevollmächtigten müssen sich die Kläger nach § 155 FGO i.V.m. §§ 51 Abs. 2, 85 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung (ZPO) wie eigenes Verschulden anrechnen lassen (ständige Rechtsprechung des BFH, vgl. zuletzt Beschluß vom 7. Februar 1992 III R 57/91, BFH/NV 1992, 615).

Zu einem erfolgreichen Wiedereinsetzungsbegehren gehört u.a., daß innerhalb von zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses Tatsachen zur Begründung des Wiedereinsetzungsgesuchs in substantiierter Weise schlüssig vorgetragen und glaubhaft gemacht werden (§ 56 Abs. 2 Sätze 1 und 2 FGO). Beruft sich jemand, wie der Prozeßbevollmächtigte der Kläger, darauf, die rechtzeitig abgesandte Revisionsschrift sei verlorengegangen, so erfordert dies, daß der rechtzeitige Abgang des Schriftsatzes durch Vorlage einer Ablichtung des Postausgangsbuchs und der zum damaligen Zeitpunkt gefertigten Revisionsschrift glaubhaft gemacht wird. Statt dessen hat der Prozeßbevollmächtigte der Kläger eine erst nach Fristablauf gefertigte Revisionsschrift eingereicht und sich zur Glaubhaftmachung eidesstattlicher Versicherungen bedient, die nur belegen, daß ein an den BFH gerichteter Umschlag eingeworfen wurde. Daß es sich dabei um die Revisionsschrift gehandelt hat, ergibt sich daraus nicht. Bei Beachtung der dem angefochtenen Urteil beigefügten Rechtsmittelbelehrung hätte der Prozeßbevollmächtigte der Kläger die Revision im übrigen beim FG einreichen müssen. Diese eidesstattlichen Versicherungen hat der Prozeßbevollmächtigte der Kläger erst nach Ablauf der Wiedereinsetzungsfrist als redaktionelles Versehen dahingehend geändert, daß die Revision vom 26. März 1993 mit dem Empfänger Finanzgericht erstellt und mit sog. Fensterbriefumschlägen verschickt worden sei.

Da es nach alledem bereits an einem schlüssigen Vortrag und der entsprechenden Glaubhaftmachung mangelnden Verschuldens fehlt, kommt es im Streitfall auch nicht darauf an, ob die Revision - den ursprünglichen Vortrag des Bevollmächtigten der Kläger als zutreffend unterstellt - noch so rechtzeitig beim BFH eingegangen wäre, daß sie noch vor Ablauf der Revisionsfrist an das FG hätte weitergeleitet werden können (vgl. BFH-Beschluß vom 15. April 1970 I R 148/69, BFHE 98, 536, BStBl II 1970, 498). Dahinstehen kann auch, ob die Revision - wie später behauptet - an das FG adressiert war.

 

Fundstellen

Haufe-Index 419465

BFH/NV 1994, 328

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