Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfahrensrecht/Abgabenordnung

 

Leitsatz (amtlich)

Freiwillige Zahlungen auf Grund eines steuerrechtlichen Leistungsgebots sind keine "Vollziehung" im Sinne des § 69 FGO. Der Senat verbleibt bei seinem Beschluß I B 3/66 vom 9. August 1966 (BFH 86, 723, BStBl III 1966, 646).

 

Normenkette

FGO § 69

 

Tatbestand

Nachdem das FG zunächst mit Beschluß vom 4. Oktober 1966 dem Antrag des Stpfl., die Vollziehung der Einkommensteuerbescheide 1959 bis 1963 auszusetzen, entsprochen hatte, hob es auf die Beschwerde des FA seine Entscheidung gemäß § 130 Abs. 1 FGO auf und lehnte den Antrag des Stpfl. ab. Der Antrag sei zwar zulässig, indes nicht begründet. Der Stpfl. habe auf die Steuerschuld aus den Einkommensteuerbescheiden 1959 bis 1963 durch Hergabe eines Schecks über 30.000 DM im September 1965 und durch das Angebot der Aufrechnung mit seinem Erstattungsanspruch aus der Veranlagung für 1965 im Juli 1966 ausschließlich freiwillig geleistet. Soweit der Stpfl. auch in freiwilligen Zahlungen eine Vollziehung der Steuerbescheide erblicke, könne ihm das Gericht nicht folgen.

Hiergegen wendet sich der Stpfl. mit der Beschwerde, die das FA gemäß § 130 Abs. 1 Halbsatz 2 FGO dem BFH zur Entscheidung vorgelegt hat. Zur Begründung trägt er folgendes vor:

Die Freiwilligkeit von Leistungen auf eine Steuerschuld könne der Aufhebung der Vollziehung des den Leistungen zugrunde liegenden Verwaltungsaktes nicht entgegenstehen. Die durch den Verwaltungsakt begründete Zahlungspflicht erlösche durch Erfüllung. Durch die Erfüllung werde der Verwaltungsakt somit vollzogen. Es sei deshalb nicht einzusehen, weshalb zwischen einer freiwillig erbrachten Leistung und einer solchen auf Grund Mahnung oder sonstiger Maßnahmen des FA ein Unterschied zu machen sei.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde ist nicht begründet. Wie der Senat im Beschluß I B 3/66 vom 9. August 1966 (BFH 86, 723, BStBl III 1966, 646) ausgeführt hat, bedeutet die Umbuchung von Zahlungen, die der Steuerpflichtige ohne besondere Einwirkung seitens des FA (wie Mahnung, Postnachnahme, Beitreibungsmaßnahmen) entrichtet hat, keine Vollziehung im Sinne des § 69 FGO. Die grundsätzlichen Ausführungen des Stpfl. bieten keine Veranlassung zu einer abweichenden Beurteilung.

Freiwillig erbrachte Leistungen, wie die Leistung von Vorauszahlungen oder Abschlußzahlungen, können, selbst wenn sie unter Hinweis auf einen geltend gemachten Rechtsbehelf nur unter Vorbehalt erbracht wurden, zwar als Erfüllung, nicht aber als Vollziehung des steuerrechtlichen Leistungsgebots angesprochen werden. Schon der Umstand, daß das FA auf die freiwillige Leistung des Steuerpflichtigen keinen Einfluß hat, sie lediglich entgegennimmt, zeigt, daß § 69 FGO mit der Vollziehung die freiwillige Leistung nicht anspricht. Dem steht nicht entgegen, daß mit der freiwilligen Leistung als Erfüllung ein um die Rechtmäßigkeit des Leistungsgebots geführter Rechtsstreit nicht in der Hauptsache erledigt ist (BFH-Urteile IV 382/60 U vom 25. Januar 1962, BFH 75, 141, BStBl III 1962, 319; III 306/61 U vom 22. März 1963, BFH 77, 43, BStBl III 1963, 332). Die Vorschrift des § 69 FGO will vielmehr, wie die Kritik offenbar verkennt (vgl. Wendt, Anmerkung zum Beschluß des Senats I B 3/66, Der Betriebs- Berater 1967 S. 66), einen Ausgleich dafür schaffen, daß das Steuerrecht - im Gegensatz zum allgemeinen Verwaltungsrecht (Regelfall des § 80 der Verwaltungsgerichtsordnung) - den Rechtsbehelfen der AO und der FGO einen Suspensiveffekt für den Regelfall nicht beilegt. Die Vorschrift knüpft jedoch die Aussetzung der Vollziehung in Durchführung dieses (Interessen-)Ausgleichs an zwei voneinander unabhängige Voraussetzungen an, bei deren Vorliegen das - angefochtene - Leistungsgebot nicht gegen den Willen des Steuerpflichtigen verwirklicht (vollzogen) werden soll. Daneben sind auch die Vorschriften der §§ 111 und 112 FGO zu beachten, die mit ihrer Regelung der Prozeßzinsen dem Interessenausgleich zwischen den Beteiligten Rechnung tragen.

Diesen Ausgleich der beiderseitigen Interessen hält auch das Bundesverwaltungsgericht im Beschluß V C 4/60 vom 9. September 1960 (Neue Juristische Wochenschrift 1961 S. 90) für entscheidend, wenn es die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage "auch bei freiwillig vollzogenen Verwaltungsakten" für gegeben erklärt (siehe auch die Kommentare zur Verwaltungsgerichtsordnung von Koehler, Anm. III, 1 zu § 80; Redeker - v. Oertzen, 2. Aufl., Anm. 39 zu § 80; Schunck - de Clerk, Anm. 5 c zu § 80, die auf diesen Beschluß verweisen). Dabei ist der Begriff der Vollziehung als Erfüllung im hier verstandenen Sinne gebraucht.

 

Fundstellen

Haufe-Index 412470

BStBl III 1967, 293

BFHE 1967, 76

BFHE 88, 76

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