Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache; teilweiser Erlass von Nachzahlungszinsen

 

Leitsatz (NV)

1. Ist über eine Rechtsfrage bereits entschieden worden, so ist zusätzlich darzulegen, weshalb eine erneute Entscheidung des BFH für erforderlich gehalten wird. Eine weitere bzw. erneute Klärung der Rechtsfrage kann z.B. geboten sein, wenn gegen die bisherige Rechtsprechung gewichtige Einwendungen erhoben worden sind, mit denen sich der BFH bislang noch nicht auseinandergesetzt hat.

2. Allein das Fehlen einer Entscheidung des BFH zu der konkreten Fallgestaltung begründet weder einen Klärungsbedarf noch erst recht das erforderliche Allgemeininteresse.

3. Von vorneherein unbeachtlich sind Einwände gegen die Richtigkeit des angefochtenen Urteils, die nur im Rahmen einer Revisionsbegründung erheblich sein können, sofern nicht ausnahmsweise ein sogenannter qualifizierter Rechtsanwendungsfehler vorliegt.

4. In der höchstrichterlichen Rechtsprechung sind die generellen Maßstäbe für den (Teil-) Erlass von Nachzahlungszinsen aus sachlichen Billigkeitsgründen gemäß § 227 AO geklärt. Insbesondere ist auch geklärt, dass es für die Prüfung nicht auf eine fiktive Berechnung der Liquidität ankommt, sondern entscheidend ist, ob der Steuerschuldner aufgrund der erst späteren Steuernachforderung Liquiditätsvorteile gehabt hat, weil er von der Zahlung der geschuldeten Steuer vorerst - wegen unzutreffender Steuerfestsetzung - "freigestellt" gewesen ist.

5. § 233a AO stellt ausschließlich auf das konkrete Steuerschuldverhältnis ab. Unerheblich ist deshalb die Behandlung eines vom streitgegenständlichen unabhängigen weiteren Steuerschuldverhältnisses zu einem anderen Staat.

 

Normenkette

AO §§ 227, 233a; FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1, § 116 Abs. 3 S. 3

 

Verfahrensgang

FG Köln (Urteil vom 16.11.2006; Aktenzeichen 5 K 2192/04)

 

Gründe

Die Beschwerde ist unzulässig und durch Beschluss zu verwerfen (§ 132 FGO).

Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) hält sinngemäß die Rechtsfrage für klärungsbedürftig, ob Nachzahlungszinsen gemäß § 233a Abs. 1 und 2 der Abgabenordnung (AO) aus sachlichen Gründen --teilweise-- zu erlassen sind, wenn Einkünfte aus Kapitalvermögen aufgrund nachträglich abweichender Beurteilung der unbeschränkten Steuerpflicht in Deutschland besteuert werden, ein Anspruch auf Erstattungszinsen hingegen aufgrund eines Wegfalls der Besteuerung dieser Einkünfte in Österreich infolge einer in den Streitjahren 1991 bis 1994 dort nur beschränkten Steuerpflicht nicht besteht.

Der Kläger hat den geltend gemachten Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) indes nicht entsprechend den gesetzlichen Anforderungen dargetan (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO).

1. a) Die Darlegung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache verlangt substantiierte Ausführungen zur Klärungsbedürftigkeit einer hinreichend bestimmten Rechtsfrage, die im konkreten Streitfall voraussichtlich auch klärbar ist und deren Beurteilung von der Klärung einer zweifelhaften oder umstrittenen Rechtslage abhängig ist. Hierzu muss sich die Beschwerde insbesondere mit der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH), den Äußerungen im Schrifttum sowie mit den ggf. veröffentlichten Verwaltungsmeinungen auseinandersetzen.

Ist über die Rechtsfrage bereits entschieden worden, so ist zusätzlich darzulegen, weshalb eine erneute Entscheidung des BFH für erforderlich gehalten wird. Eine weitere bzw. erneute Klärung der Rechtsfrage kann z.B. geboten sein, wenn gegen die bisherige Rechtsprechung gewichtige Einwendungen erhoben worden sind, mit denen sich der BFH bislang noch nicht auseinandergesetzt hat.

Darüber hinaus ist auf die Bedeutung der Klärung der konkreten Rechtsfrage für die Allgemeinheit einzugehen.

Allein das Fehlen einer Entscheidung des BFH zu der konkreten Fallgestaltung begründet weder einen Klärungsbedarf noch erst recht das erforderliche Allgemeininteresse (BFH-Beschluss vom 19. Januar 2006 VIII B 114/05, BFH/NV 2006, 709, m.w.N.).

b) Das prozessuale Rechtsinstitut der Nichtzulassungsbeschwerde dient nicht dazu, allgemein die Richtigkeit finanzgerichtlicher Urteile zu gewährleisten. Deshalb sind Einwendungen gegen die materielle Richtigkeit des angefochtenen Urteils nicht geeignet, Zulassungsgründe i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 FGO darzutun. Von vornherein unbeachtlich sind Einwände gegen die Richtigkeit des angefochtenen Urteils, die nur im Rahmen einer Revisionsbegründung erheblich sein können (BFH-Beschluss vom 25. August 2006 VIII B 13/06, BFH/NV 2006, 2122, m.w.N.).

c) Hängt die Beurteilung zudem von den Umständen des Einzelfalles ab, wie dies auch bei einem Erlass aus sachlichen Gründen der Fall ist, so bedarf es besonderer Darlegungen, warum ausnahmsweise der Rechtsfrage gleichwohl eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommen soll, weil insoweit allgemeine abstrakte Grundsätze durch den BFH aufzustellen sind (vgl. BFH-Beschlüsse vom 3. April 2007 VIII B 110/06, BFH/NV 2007, 1273; vom 27. März 2007 VIII B 25/06, juris, m.w.N., zur Anwendung des Grundsatzes von Treu und Glauben im Einzelfall; ferner zu Ausnahmen bei Billigkeitsmaßnahmen BFH-Beschlüsse vom 2. August 2006 I B 135/05, juris; vom 24. Juli 2002 VI B 205/99, BFH/NV 2002, 1603, m.w.N.).

2. Diesen Darlegungsanforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht.

In der Rechtsprechung sind die generellen Maßstäbe für den (Teil-)Erlass von Nachzahlungszinsen aus sachlichen Billigkeitsgründen gemäß § 227 AO geklärt (vgl. BFH-Urteile vom 16. November 2005 X R 28/04, BFH/NV 2006, 697; vom 16. November 2005 X R 3/04, BFHE 211, 30, BStBl II 2006, 155; BFH-Beschlüsse vom 2. November 2006 V B 24/05, BFH/NV 2007, 208; vom 30. Oktober 2001 X B 147/01, BFH/NV 2002, 505, m.w.N.).

Insbesondere ist geklärt, dass es für die Prüfung nicht auf eine fiktive Berechnung der Liquidität ankommt, sondern entscheidend ist, ob der Steuerschuldner aufgrund der erst späteren Steuernachforderung Liquiditätsvorteile gehabt hat, weil er von der Zahlung dieser geschuldeten Steuer vorerst --wegen unzutreffender Steuerfestsetzung-- "freigestellt" gewesen ist (vgl. BFH-Urteil vom 30. März 2006 V R 60/04, BFH/NV 2006, 1434, m.w.N.; BFH-Beschluss vom 10. März 2006 V B 82/05, BFH/NV 2006, 1433).

§ 233a AO stellt allein auf das konkreteSteuerschuldverhältnis --hier zwischen dem Beschwerdeführer und der Bundesrepublik Deutschland-- ab (vgl. BFH-Urteil vom 24. Februar 2005 V R 62/03, BFH/NV 2005, 1220).

Die vom Kläger zu besonderen Ausnahmefällen der zeitlichen Gewinnverlagerung herangezogene Rechtsprechung (vgl. BFH-Urteile in BFH/NV 2006, 697, und vom 15. Oktober 1998 IV R 69/97, BFHE 187, 198) betrifft ersichtlich das identische Steuerschuldverhältnis.

Demgegenüber ist im Streitfall ein vom streitgegenständlichen Steuerschuldverhältnis unabhängiges weiteres Steuerschuldverhältnis zu einem anderen Staat, nämlich der Republik Österreich, betroffen.

Soweit der Kläger sich im Übrigen in der Art einer Revisionsbegründung gegen die rechtliche Würdigung des Finanzgerichts (FG) wendet, werden damit keine Zulassungsgründe, insbesondere kein --weiterer-- Klärungsbedarf dargetan. Vielmehr wäre das Vorbringen allenfalls im Rahmen einer zugelassenen Revision zu überprüfen.

Ebenso wenig wird mit der bloßen Behauptung eines Bezugs der Rechtssache zum Gemeinschaftsrecht bereits eine grundsätzliche Bedeutung hinreichend substantiiert dargetan (vgl. BFH-Beschluss vom 27. März 2007 VIII B 152/05, BFH/NV 2007, 1335).

Die Nachzahlungszinsen sind zudem entscheidend auf die vom Kläger mit dem Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt) getroffene tatsächliche Verständigung für die Streitjahre zurückzuführen, sodass auch insoweit zweifelhaft ist, ob überhaupt ein sachlicher Erlassgrund besteht (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 23. Oktober 2003 V R 2/02, BFHE 203, 410, BStBl II 2004, 39 zur nachträglichen Option zur Umsatzsteuerpflicht).

 

Fundstellen

Haufe-Index 1951354

BFH/NV 2008, 753

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