Entscheidungsstichwort (Thema)

Adressierung eines Steuerbescheides; alternative Begründung einer Entscheidung; Treuhand im Grunderwerbsteuerrecht

 

Leitsatz (NV)

1. Eine Gesellschaft kann sich nicht auf falsche Adressierung des Steuerbescheides in Form unrichtiger Firmenbezeichnung berufen, wenn sie diese unrichtige Firmenbezeichnung selbst bei der notariellen Beurkundung des vom FA besteuerten Vorganges gebraucht hat.

2. Ist in tatsächlicher Hinsicht ungewiß, welcher von zwei - gleichhohe Steuer auslösenden - Tatbeständen erfüllt wurde, so kann das Gericht die Entscheidung alternativ begründen.

3. Gesellschafter ist der Treuhänder, nicht der Treugeber eines Gesellschaftsanteiles. Der Treugeber ist auch nicht mittelbar (über den Treuhänder) an der Gesellchaft beteiligt.

 

Normenkette

FGO § 105 Abs. 2 Nr. 5; AO 1977 § 124; GrEStG § 6

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist im Verfahren nach § 69 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) streitig, ob ein Feststellungsbescheid gemäß § 17 Abs. 2 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) 1983 wirksam bekanntgegeben worden ist und inwieweit der durch den Bescheid erfaßte Grundstückserwerb der Antragstellerin nach § 6 Abs. 3 GrEStG 1983 steuerfrei ist.

1. a) Die den Erwerb betreffenden Verträge wurden am 19. August 1986 (Vertrag I) und am 28. August 1986 (Vertrag II) zwischen A und B als Gesellschafter mehrerer Gesellschaften bürgerlichen Rechts (GbR) einerseits sowie der Antragstellerin andererseits abgeschlossen.

Nach dem Wortlaut des privatschriftlichen Vertrages I (,,Beteiligungsübertragungsvereinbarung") übertrugen A und B ihre Anteile an mehreren GbR mit im einzelnen genannten Grundbesitz auf die Antragstellerin. Eine Gegenleistung wurde nicht erbracht.

In dem notariell beurkundeten Vertrag II (mit zwei notariell beurkundeten Berichtigungen vom 22. September 1986 und 3. Oktober 1986) erklärten A und B, daß sie diesen vorgenannten, im einzelnen aufgeführten und ihnen in GbR gehörenden Grundbesitz in die Antragstellerin - ,,demnächst firmierend Vermögensverwaltungsgesellschaft mbH & Co." - einbringen. Eine Gegenleistung wurde nach § 45 des Vertrages nicht erbracht.

b) Die grundstücksbesitzenden GbR waren die ,,Grundstücksgesellschaft A und B (GbR)" mit mehreren Grundstücken (Gesellschaft I) sowie mehrere jeweils nur ein Grundstück umfassende GbR ohne Namen oder Firma (Gesellschaften II).

An allen diesen GbR waren A und B ursprünglich mit je 50 % beteiligt gewesen. Am 23. April 1985 hatten sie jedoch eine privatschriftliche ,,Treuhandvereinbarung" geschlossen, wonach A sich verpflichtete, von B zusätzlich 47 % der Anteile an der Gesellschaft I zu übernehmen und für B treuhänderisch zu halten. In einem Nachtrag vom 23. April 1985 zum Gesellschaftsvertrag der Gesellschaft I vom 26. Juni 1969 stellten die Gesellschafter fest, daß A zu 97 % und B zu 3 % beteiligt seien.

Hinsichtlich der Anteile an den Gesellschaften II ist nach dem bisher bekannten Sachverhalt keine derartige Treuhandvereinbarung abgeschlossen worden.

Persönlich haftende Gesellschafterin der Antragstellerin war die X-GmbH. Am Vermögen der Antragstellerin war sie nicht beteiligt.

Kommanditisten der Antragstellerin waren A und B mit Anteilen von je 50 000,- DM.

Am 19. August 1986 schlossen A und B eine privatschriftliche Vereinbarung hinsichtlich ihrer Kommanditbeteiligung an der Antragstellerin. Darin heißt es u. a., A habe als Treuhänder von B als Treugeber eine Kommanditeinlage an der Antragstellerin von 48 000,- DM erworben. Er handele hinsichtlich dieses Betrages für Rechnung des Treugebers B. Der Gesellschaftsvertrag der Antragstellerin vom 9. September 1983 wurde am 25. August 1986 dahin geändert, daß A mit einer Kommanditeinlage von 98 000,- DM und B mit einer solchen Einlage von 2 000,- DM an der Antragstellerin beteiligt seien. Die Antragstellerin habe jetzt die Firma ,,Vermögensverwaltungsgesellschaft P mbH & Co.".

Durch Bescheid vom 22. Dezember 1986 stellte das Finanzamt - FA - (Antragsgegner) gemäß § 17 Abs. 2 GrEStG 1983 die Besteuerungsgrundlagen für den Grundstückserwerb durch den Vertrag II fest. Der Bescheid war adressiert an die ,,Fa. Vermögensverwaltungsges. P mbH & Co., . . .". Als Gegenleistung und Bemessungsgrundlage für die Berechnung der Steuer setzte das FA - insoweit gemäß § 165 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) vorläufig - die von ihm ermittelten Verkehrswerte der einzelnen Grundstücke an.

Die Steuerbefreiung gemäß § 6 Abs. 3 GrEStG 1983, welche die Antragstellerin in vollem Umfang begehrte, gewährte das FA nur zu 52 %.

Gegen diesen Feststellungsbescheid hat die Antragstellerin unter der Bezeichnung ,,Vermögensverwaltungsgesellschaft P mbH & Co." Einspruch eingelegt.

3. Nachdem das FA den Antrag der Antragstellerin auf Aussetzung der Vollziehung des angefochtenen Fesststellungsbescheides abgelehnt hatte, hat die Antragstellerin beim Finanzgericht (FG) diesen Antrag wiederholt.

Das FG hat den Antrag zurückgewiesen und der von ihm zugelassenen Beschwerde der Antragstellerin nicht abgeholfen.

Das FA beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde ist unbegründet.

§ 69 Abs. 3 FGO erlaubt, wie sich aus § 69 Abs. 2 Satz 4 FGO ergibt, auch die Aussetzung der Vollziehung eines Grundlagenbescheides und damit eines Feststellungsbescheides gemäß § 17 GrEStG 1983. Jedoch gibt es im vorliegenden Fall keinen ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Feststellungsbescheides.

1. Der Feststellungsbescheid ist der Antragstellerin wirksam bekanntgegeben worden. Das FA hatte ihn zwar an die ,,Vermögensverwaltungsges. P mbH & Co." adressiert, während die Antragstellerin die Firma ,,Kommanditgesellschaft Vermögensverwaltungsgesellschaft P mbH & Co." hat. Diese ungenaue Bezeichnung macht aber den Bescheid weder nichtig noch anfechtbar.

Für die Antragstellerin gab es keinen Zweifel daran, daß sie mit dieser Bezeichnung gemeint war; denn sie hatte diese Bezeichnung selbst benutzt, nämlich u. a. in dem Vertrag II und in der Änderung des Gesellschaftsvertrages vom 25. August 1986. Abgesehen davon kann sich die Antragstellerin aber vor allem auch deshalb nicht auf die unrichtige Adressierung berufen, weil sie das FA dazu veranlaßt hat. Denn in dem notariell beurkundeten Vertrag II, der dem FA übersandt worden war und den der angefochtene Feststellungsbescheid als besteuerten Erwerbsvorgang bezeichnet, hatte A als Geschäftsführer der persönlich haftenden Gesellschafterin der Antragstellerin eingangs des Vertrages und im Text des Vertrages nochmals erklärt, die Antragstellerin werden demnächst ,,als Vermögensverwaltungsgesellschaft P mbH & Co." firmieren. Die Antragstellerin kann sich daher jetzt nicht darauf berufen, daß ihre Firma noch den vorangestellten Zusatz ,,Kommanditgesellschaft" hat. Das hätte sie dem FA nach dieser ausdrücklichen Bemerkung in dem Vertrag II mitteilen müssen.

Unter diesen Umständen kommt es nicht darauf an, daß die Anschrift möglicherweise Anlaß zu Verwechslungen mit der Firma der persönlich haftenden Gesellschaft hätte geben können, die nach Ansicht der Antragstellerin ebenfalls als Steuerschuldnerin in Betracht gekommen wäre. Überdies ist dieser Einwand auch insofern ungerechtfertigt, als hier die Steuer von der Antragstellerin und nicht von der persönlich haftenden Gesellschafterin geschuldet wird (§ 124 Abs. 1, § 161 Abs. 2 des Handelsgesetzbuches - HGB -), die lediglich für die Steuer gemäß § 128 i. V. m. § 161 Abs. 2 HGB haftet (vgl. auch zur Rechtslage bei der GbR das Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 11. Februar 1987 II R 103/84, BFHE 149, 12, BStBl II 1987, 325).

2. Unerheblich ist der Einwand der Antragstellerin, das FA hätte statt des Vertrages II den Vertrag I besteuern müssen.

Nach Ansicht des FG war der notariell beurkundete Vertrag II der steuerauslösende Vorgang, weil der vorher privatschriftlich abgeschlossene Vertrag I nicht den Formerfordernissen des § 313 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) entsprach. Dagegen meint die Antragstellerin, der Wechsel von Gesamthändern unterliege nicht diesem Formzwang, selbst wenn sämtliche Gesellschafter wechseln; im letztgenannten Fall werde das Grundbuch unrichtig.

Auf diese von der Antragstellerin aufgeworfene Frage kommt es hier jedoch nicht an.

Es mag offenbleiben, weshalb die Antragstellerin den Vertrag I dem FA - soweit für den Senat ersichtlich - nicht gemäß § 19 Abs. 1 Satz 2 GrEStG 1983 angezeigt hat, wenn sie ihn für einen zu besteuernden Erwerbsvorgang hielt. (Der Vertrag wurde - soweit ersichtlich - erst im Verlauf des Einspruchsverfahrens als Anlage zu dem Schreiben vom 15. September 1987 übersandt). Jedenfalls genügt es für die Rechtmäßigkeit des Feststellungsbescheids, daß dieser den zutreffenden Lebenssachverhalt erfaßt (BFH-Urteil vom 7. Juni 1978 II R 97/77, BFHE 125, 397, BStBl II 1978, 568). Das ist hier geschehen.

3. a) Der Steueranspruch folgt dem Grunde nach aus § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG 1983, wenn man mit dem FA und FG den Vertrag II als Erwerbsvorgang ansieht. Legt man mit der Antragstellerin den Vertrag I zugrunde, so ergibt sich die Steuerpflicht aus § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 GrEStG 1983. Diese alternative Entscheidung reicht aus (BFH-Urteil vom 23. April 1975 II R 71/71, BFHE 116, 57, BStBl II 1975, 719).

b) Das FG hat zu Recht übereinstimmend mit dem FA der Antragstellerin die Steuerbefreiung nach § 6 Abs. 3 GrEStG 1983 nur in Höhe von 52 % zugestanden.

An den veräußernden Gesellschaften II waren A und B zu je 50 % beteiligt. Dieses Beteiligungsverhältnis ist für den Grundstückserwerb auch maßgebend für die Gesellschaft I; denn die Treuhandvereinbarung, wonach A 97 % und B nur noch 3 % der Anteile an der Gesellschaft I haben sollte, wurde erst am 23. April 1985 und somit weniger als fünf Jahre vor dem Grundstückserwerb im August 1986 abgeschlossen (§ 6 Abs. 4 GrEStG 1983).

An der erwerbenden KG, der Antragstellerin, waren entsprechend der Treuhandvereinbarung vom 19. August 1986 A zu 98 % und B zu 2 % beteiligt. Hier - d. h. bei der erwerbenden Gesellschaft - gilt die Fünfjahresfrist des § 6 Abs. 4 GrEStG 1983 nicht. Denn die genannte Vorschrift soll objektiven Steuerumgehungen vorbeugen, die der steuerfreie Übergang von Anteilen an einer Gesamthand ermöglicht. Das unterstellt das Gesetz, wenn die Beteiligungsverhältnisse an der veräußernden Gesamthand innerhalb der Frist des § 6 Abs. 4 GrEStG 1983 sich geändert haben (BFH-Urteil vom 14. Juni 1973 II R 37/72, BFHE 110, 142, 143, BStBl II 1973, 802). Änderungen der Beteiligungen an der erwerbenden Gesamthand sind für eine Steuerumgehung untauglich und daher unerheblich.

Nicht erforderlich ist, daß die Änderung der Kommanditbeteiligungen im Zeitpunkt des Grundstückserwerbs im Handelsregister eingetragen war. Es genügte, daß die Gesellschafter die Beteiligung schuldrechtlich wirksam vereinbart hatten (BFH-Urteil vom 31. Mai 1972 II R 9/66, BFHE 106, 360, BStBl II 1972, 833).

Unerheblich ist auch, daß A eine Kommanditbeteiligung von 48 % als Treuhänder für B hielt. Diese Beteiligung kann im Rahmen des § 6 GrEStG 1983 nicht dem Treugeber B zugerechnet werden. Nicht der Treugeber, sondern der Treuhänder ist bürgerlich-rechtlich und handelsrechtlich Gesellschafter. Das gilt auch für das Grunderwerbsteuerrecht (BFH-Urteil vom 23. Oktober 1974 II R 87/73, BFHE 114, 124, BStBl II 1975, 152). § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 3 AO 1977 mit seiner wirtschaftlichen Betrachtungsweise gilt hier nicht.

An diesem Grundsatz hat sich entgegen der Annahme der Antragstellerin durch das Senatsurteil vom 24. September 1985 II R 65/83 (BFHE 144, 473, BStBl II 1985, 714) nichts geändert. Nach diesem Urteil erfüllt auch eine mittelbare (mehrstufige) Beteiligung die Voraussetzungen des § 6 GrEStG 1983. Ein Gesellschafter der Gesellschaft X ist im Sinne dieser Vorschrift auch am Vermögen der grundstücksbesitzenden Gesellschaft Y beteiligt, wenn die Gesellschaft X ihrerseits Mitglied der Gesellschaft Y ist. Die Beteiligung der Gesellschaft X am Vermögen der Gesellschaft Y vermittelt den Gesellschaftern der Gesellschaft X die Beteiligung am Vermögen der Gesellschaft Y. Das folgt unmittelbar aus § 6 Abs. 3 GrEStG 1983, wie der Senat unter Nr. 1., zweiter Absatz der Urteilsgründe betont hat; die Entscheidung stützt sich daher entgegen der Ansicht der Antragstellerin nicht auf wirtschaftliche Gesichtspunkte i. S. des § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO 1977.

Im Gegensatz zu dem Gesellschafter der vorgenannten doppelstöckigen Gesellschaft hat der Treugeber nach dem GrEStG und dem bürgerlichen Recht keine mittelbare Beteiligung am Gesellschaftsanteil des Treuhänders.

Der Treugeber ist auf schuldrechtliche Ansprüche gegen den Treuhänder beschränkt. Er hat am Treuhandvermögen keine Beteiligung, welche ihm die Beteiligung an der Gesellschaft vermitteln könnte, deren Anteil zum Treuhandvermögen gehört. Daß er auf das Treuhandvermögen einwirken kann, wie die Antragstellerin meint, reicht nicht aus. Denn die §§ 5 und 6 GrEStG 1983 stellen nicht auf die Möglichkeit der Einwirkung, sondern auf die Beteiligung am Gesellschaftsvermögen ab.

4. Die Gegenleistung, nach welcher sich die Höhe der Steuer richtet, hat das FA gemäß § 165 Abs. 1 AO 1977 vorläufig nach dem Wert der für die Grundstücksübertragung gewährten Gesellschaftsrechte berechnet; dieser Wert bemißt sich seinerseits nach dem Wert der Grundstücke. Fehler in der Berechnung sind nicht ersichtlich und auch nicht geltend gemacht worden.

 

Fundstellen

Haufe-Index 416171

BFH/NV 1990, 59

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