Entscheidungsstichwort (Thema)

Zulassungsfreie Verfahrensrevision: Ordnungsgemäße Besetzung des Gerichts; Öffentlichkeit des Verfahrens; Fehlen der Entscheidungsgründe

 

Leitsatz (NV)

1. Maßgebend für die Ordnungsmäßigkeit der Besetzung des erkennenden Gerichts ist der für den Zeitpunkt der abschließenden Entscheidung geltende Geschäftsverteilungsplan.

2. Das Gebot der Öffentlichkeit des Verfahrens erfordert nicht, daß jedermann weiß, wann und wo eine mündliche Verhandlung in welcher Sache stattfindet.

 

Normenkette

FGO § 116 Abs. 1 Nrn. 1, 4-5, § 119 Nr. 3; GVG §§ 21e, 169 Abs. 1

 

Tatbestand

Das Finanzgericht (FG) hat die Klagen des Klägers und Revisionsklägers (Kläger) wegen Einkommensteuer 1986 und 1987 abgewiesen. Es hat die Revision nicht zugelassen.

Der Kläger hat gegen die Urteile des FG Revisionen und Beschwerden wegen Nichtzulassung der Revision eingelegt.

Mit den Revisionen rügt der Kläger die Verletzung formellen Rechts (§§ 90, 91, 119 Nrn. 1, 4, 5 und 6 der Finanzgerichtsordnung -- FGO -- sowie der Art. 19 Abs. 4 und 103 Abs. 1 des Grundgesetzes -- GG --).

Das erkennende Gericht sei nicht ordnungsgemäß besetzt gewesen i. S. von § 116 Abs. 1 Nr. 1, § 119 Nr. 1 FGO. Bei Eingang der Klagen sei nach dem Geschäftsverteilungsplan des FG dessen 1. Senat für die Entscheidungen in diesen Sachen zuständig gewesen. Dort sei Richter am Finanzgericht X zum Berichterstatter für die vorliegenden Klagen bestellt worden. Nachdem dieser durch Beschluß des Präsidiums dem 2. Senat des FG zugeteilt worden sei, sei zugleich die Geschäftsverteilung des FG dahin geändert worden, daß ein Teil der Fälle, die zum Dezernat des Richters am Finanzgericht X beim 1. Senat gehörten, nämlich die Fälle, die den Beklagten und Revisionsbeklagten (das Finanzamt -- FA --) betrafen, dem 2. Senat übertragen worden seien; die Zuständigkeit für sonstige Streitsachen aus dem früheren Dezernat des Richters X sei jedoch beim 1. Senat geblieben. Diese Zuständigkeitsregelung sei willkürlich und verletze das Gebot des gesetzlichen Richters. "Gesetzlicher Richter" sei im übrigen nicht der 2., sondern der 1. Senat des FG, weil nur dieser Senat im maßgeblichen Zeitpunkt des Eingangs der Klagen der für den Kläger vorhersehbare gesetzliche Richter gewesen sei.

Der Kläger sei in den Verfahren vor dem FG auch nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten gewesen, weil die Ladungen zu den mündlichen Verhandlungen vom 20. Oktober 1993 nicht ordnungsgemäß zugestellt worden seien. Nach § 53 FGO seien Anordnungen, durch die eine Frist in Lauf gesetzt werde, nach den Vorschriften des Verwaltungszustellungsgesetzes zuzustellen. Im Streitfall seien die Ladungen zwar mit Postzustellungsurkunden grundsätzlich rechtzeitig vor den mündlichen Verhandlungen vom 20. Oktober 1993 erfolgt. Die Zustellungen seien aber nicht wirksam gewesen, weil die Postzustellungsurkunden und/oder der Briefumschlag als Geschäftsnummer lediglich das allgemein gehalten Aktenzeichen des FG 2 K ... /93 trage (Urteile des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 1. Dezember 1992 VIII R 85/90, BFH/NV 1993, 701; vom 14. November 1968 I R 9/68, BFHE 94, 202, BStBl II 1969, 151; vom 29. April 1982 IV R 52/81, BFHE 136, 179, BStBl II 1982, 715).

Die angefochtenen Urteile seien auf eine mündliche Verhandlung ergangen, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden seien. Das FG habe die Sachen nicht ordnungsgemäß aufgerufen. Die Öffentlichkeit sei nur gewahrt, wenn sich jeder Interessierte ohne Schwierigkeit über Ort und Zeit der Verhandlung Kenntnis verschaffen könne. Das sei nur möglich, wenn in der Zeugenhalle des Gerichts ein Aufruf zur Sache (§ 92 Abs. 2 FGO) mit Angabe des Sitzungssaales erfolge; das gelte jedenfalls dann, wenn von der Zeugenhalle mehrere Sitzungssäle abgingen und gleichzeitig mehrere Sitzungen verschiedener Senate stattfänden. Der Aushang am Eingang zum jeweiligen Verhandlungssaal sei nicht ausreichend.

Die angefochtenen Urteile setzten sich nicht mit den Einwendungen des Klägers in den mündlichen Verhandlungen gegen die fehlende Öffentlichkeit des Verfahrens und gegen die Besetzung des FG auseinander. Insoweit seien die Urteile nicht mit Gründen versehen. Das FG habe ein selbständiges Angriffs- und Verteidigungsmittel mit Stillschweigen übergangen.

Der Kläger erhebt ferner Einwendungen gegen die Besetzung des erkennenden Senats. Der senatsinterne Mitwirkungsplan entspreche nicht rechtsstaatlichen Grundsätzen. Der Vorsitzende bestimme selbst nach seinem Ermessen den Berichterstatter und nehme damit Einfluß auf die Besetzung der Richterbank bei der Entscheidung.

Der Kläger beantragt, die angefochtenen Urteile aufzuheben und die Sachen zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.

Er beantragt ferner, von der Erhebung der Kosten des Revisionsverfahrens nach § 8 des Gerichtskostengesetzes (GKG) abzusehen. Die Revisionsverfahren seien nur wegen der fehlerhaften Sachbehandlung des FG erforderlich geworden.

 

Entscheidungsgründe

Die Revisionen VIII R 84/93 und VIII R 1/94 werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden (§ 73 Abs. 1 i. V. m. § 121 FGO).

Die Revisionen sind unzulässig.

I. Die Zusammensetzung des erkennenden Senats entspricht den Anforderungen an den gesetzlichen Richter i. S. des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG.

Die Bestimmung von Berichterstatter und Mitberichterstatter entspricht dem nach § 21 g des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) aufgestellten Mitwirkungsplan des VIII. Senats für das Geschäftsjahr 1995 vom 14. Dezember 1994 und den in der Anlage zum Mitwirkungsplan niedergelegten Grundsätzen des Senatsvorsitzenden über die Zuschreibung der Streitfälle auf die einzelnen Senatsmitglieder. Danach sind für das Aufgabengebiet Gerichtsverfahrensrecht neben Richter am Bundesfinanzhof A Richter am Bundesfinanzhof B zuständig. Die Bestimmung des Mitberichterstatters entspricht ebenfalls dem senatsinternen Mitwirkungsplan vom 14. Dezember 1994, geändert durch Verfügung des Senatsvorsitzenden vom 1. November 1995. Nach dessen Tz. II Nr. 3 ergibt sich der Mitberichterstatter in der Regel aus den Endziffern der Aktenzeichen der beim Senat anhängigen Streitfälle, die den einzelnen Richtern in genau festgelegter Reihenfolge zugeordnet sind. Gemäß Tz. II Nr. 8 des Mitwirkungsplans für 1995 kann der Senatsvorsitzende abweichend von den vorstehenden Regelungen ein anderes Senatsmitglied zum Mitberichterstatter bestimmen, wenn das andere Senatsmitglied mit einer Sache befaßt war oder ist, die mit der neuen Sache in sachlichem Zusammenhang steht. Entsprechend dieser Regelung ist in den vorliegenden Fällen Richter am Bundesfinanzhof C zum Mitberichterstatter bestimmt worden, da dieser in mehreren Parallelsachen des Klägers, die beim erkennenden Senat anhängig waren oder sind, ebenfalls zum Mitberichterstatter bestellt worden ist. Da C zum 1. November 1995 aus dem Senat ausgeschieden ist, tritt gemäß Tz. II Nr. 3 i. V. m. Tz. I Nr. 4 Abs. 2 des Mitwirkungsplans und der Verfügung vom 1. November 1995 das neue Senatsmitglied Richter am Bundesfinanzhof D an seine Stelle.

Der erkennende Senat ist derzeit mit fünf planmäßigen Mitgliedern besetzt. Der Einwand des Klägers, der Senat sei in verfassungswidriger Weise überbesetzt, geht schon aus diesem Grunde fehl.

II. Die Revisionen sind nicht nach § 116 Abs. 1 FGO statthaft.

Die zulassungsfreie Verfahrensrevision ist nur zulässig, wenn innerhalb der Revisionsbegründungsfrist zumindest einer der in dieser Vorschrift abschließend aufgezählten Verfahrensfehler schlüssig gerügt worden ist, d. h., wenn die zur Begründung des Verfahrensverstoßes angeführten Tatsachen -- ihre Richtigkeit unterstellt -- einen Mangel i. S. des § 116 Abs. 1 FGO ergeben (BFH- Beschluß vom 21. April 1986 IV R 190/85, BFHE 146, 357, BStBl II 1986, 568). Die vorliegenden Revisionen genügen diesen Anforderungen nicht.

1. Die Rüge, die vom Präsidium des FG am 6. Juli 1992 für das Geschäftsjahr 1992 beschlossene Änderung der Geschäftsverteilung (§ 21 e Abs. 3 GVG) sei insofern rechtswidrig, als lediglich "bestimmte" Fälle vom 1. auf den 2. Senat übertragen worden seien, ist nicht geeignet, einen Besetzungsmangel i. S. von § 116 Abs. 1 Nr. 1 FGO zu begründen. Ein Mangel im Sinne dieser Vorschrift liegt nur vor, wenn durch eine Maßnahme, die die Besetzung des erkennenden Gerichts betrifft, zugleich Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verletzt ist (BFH-Beschluß vom 29. Mai 1992 VIII K 1/92, BFH/NV 1992, 538 m. w. N.).

,Erkennendes Gericht" i. S. von § 116 Abs. 1 Nr. 1 FGO ist das Gericht in der Besetzung bei der abschließenden Entscheidung. Maßgebend für die Ordnungsmäßigkeit der Besetzung des Spruchkörpers ist der für diesen Zeitpunkt geltende Geschäftsverteilungsplan des Gerichts (BFH- Urteil vom 14. November 1969 III 218/65, BFHE 98, 189, BStBl II 1970, 302; Urteil des Bundesverwaltungsgerichts -- BVerwG -- vom 30. Oktober 1984 9 C 67.82, Deutsches Verwaltungsblatt -- DVBl -- 1985, 574). Da die angefochtenen Urteile im Oktober 1993 ergangen sind, ist im vorliegenden Fall allein die für das Geschäftsjahr 1993 beschlossene Geschäftsverteilung des FG entscheidend; die des Vorjahres ist ohne Bedeutung. Auf die Frage, ob für die Änderung des Geschäftsverteilungsplans 1992 durch den Präsidiumsbeschluß vom 6. Juli 1992 die Voraussetzungen des § 21 e Abs. 3 GVG vorgelegen haben, kommt es nicht mehr an. Geschäftsverteilungspläne (und die während des Geschäftsjahres beschlossenen Änderungen) gelten nur für die Dauer eines Geschäftsjahres; sie treten mit seinem Ablauf ohne weiteres außer Kraft (BVerwG-Urteil vom 18. Oktober 1990 3 C 19/88, Neue Juristische Wochenschrift -- NJW -- 1991, 1370). Wenn Regelungen aus dem Geschäftsverteilungsplan des Vorjahres in den neuen Geschäftsverteilungsplan übernommen werden, bedeutet das nicht, daß der Geschäftsverteilungsplan des Vorjahres insoweit fortgilt. Vielmehr regelt der neue Geschäftsverteilungsplan konstitutiv auch die Zuständigkeit der Spruchkörper des Gerichts bezüglich der bereits anhängigen Sachen (BVerwG in DVBl 1985, 574; Urteil des Bundesgerichtshofs vom 3. Februar 1982 2 StR 634/81, NJW 1982, 1470). Da der Kläger lediglich Einwendungen gegen die Änderung der Geschäftsverteilung durch den Präsidiumsbeschluß vom 6. Juli 1992 erhoben hat, ist seine Besetzungsrüge schon aus diesem Grunde nicht schlüssig.

Der Senat weist ergänzend darauf hin, daß es § 21 e Abs. 1 GVG nicht verbietet, durch den jährlichen Geschäftsverteilungsplan bereits anhängige Sachen einem anderen Spruchkörper zuzuweisen als dem, bei dem sie im Zeitpunkt ihres Eingangs anhängig geworden sind; das Recht auf den gesetzlichen Richter wird dadurch nicht berührt (BVerwG-Urteile vom 21. November 1978 1 C 33.78, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1979, 391, und in DVBl 1985, 575). Auch den Anforderungen des bei der Geschäftsverteilung zu beachtenden Abstraktionsprinzips ist hier genügt. Nach diesem Grundsatz muß der Geschäftsverteilungsplan die Aufgaben nach allgemeinen, abstrakten und objektiven Merkmalen, also nicht speziell, sondern generell verteilen. Es dürfen nicht einzelne ausgesuchte Sachen einem anderen Spruchkörper zugewiesen werden (BVerwG-Urteil vom 29. Juni 1984 6 C 35.83, NJW 1984, 2961). Das schließt es nicht aus, bei der Neuverteilung der Geschäfte zu Beginn oder -- im Fall des § 21 e Abs. 3 GVG -- während des Geschäftsjahres bereits anhängige Sachen zwischen einzelnen Spruchkörpern aufzuteilen, wobei diese Sachen zwangsläufig in einem gewissen Umfang konkretisiert werden müssen (BVerwG-Urteil in DVBl 1985, 575). Das Abstraktionsprinzip ist kein Selbstzweck. Es sol lediglich Manipulationen durch gezielte und willkürliche Zuweisungen einzelner Sachen an einen bestimmten Richter verhindern. Davon kann nicht gesprochen werden, wenn zu Beginn eines Geschäftsjahres Sachen eines Rechtsgebiets, die bereits im Vorjahr eingegangen sind, und Verwaltungsakte aus dem Zuständigkeitsbereich einer bestimmten Finanzbehörde betreffen, einem anderen als dem im Zeitpunkt des Eingangs zuständigen Spruchkörper des FG zugewiesen werden.

2. Die vom Kläger vorgebrachte Rüge, er sei nicht ordnungsgemäß zu den mündlichen Verhandlungen geladen worden, ist nicht geeignet, einen Verfahrensmangel i. S. von § 116 Abs. 1 Nr. 3 FGO schlüssig darzutun.

Nach § 116 Abs. 1 Nr. 3 FGO ist die Revision ohne Zulassung statthaft, wenn gerügt wird, ein Beteiligter sei im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten gewesen. Aus dem Zusammenhang dieser Vorschrift mit den übrigen in § 116 Abs. 1 FGO aufgeführten Verfahrensmängeln wird deutlich, daß die zulassungsfreie Revision nur bei Vorliegen besonders schwerer Verstöße gegen die Verfahrensordnung gegeben ist, insbesondere dann, wenn ein Beteiligter im Prozeß überhaupt nicht vertreten ist (BFH-Beschluß vom 25. Juli 1979 VI R 3/79, BFHE 128, 176, BStBl II 1979, 654). Mit dem Vorbringen des Klägers, nicht ordnungsgemäß geladen worden zu sein, ist ein schwerwiegender Verfahrensverstoß in diesem Sinne nicht vorgetragen worden (BFH- Beschluß vom 15. Dezember 1986 IV B 59-- 61/86, IV B 66/86, BFH/NV 1988, 643). Der Kläger macht nicht schlüssig geltend, im Verfahren nicht vertreten gewesen zu sein, denn es ist unstreitig, daß sein Prozeßbevollmächtigter von den Terminen Kenntnis hatte und an ihnen teilgenommen hat. Er behauptet vielmehr, wegen eines Zustellungsmangels sei die Ladungsfrist nicht gewahrt und er sei deshalb nicht in der Lage gewesen, sich ausreichend auf den Termin vorzubereiten. Mit diesem Vortrag wird die Verletzung rechtlichen Gehörs (§ 119 Nr. 3 FGO) gerügt. Dieser Verfahrensverstoß gehört nicht zu den Mängeln, die die zulassungsfreie Revision eröffnen.

3. Mit dem Vorbringen, das FG habe die Sachen des Klägers nicht ordnungsgemäß aufgerufen, ist ein Mangel i. S. von § 116 Abs. 1 Nr. 4 FGO nicht schlüssig dargetan.

Der Senat kann offenlassen, ob der Vorsitzende des FG die Sachen des Klägers deutlich hörbar und verständlich vor dem Sitzungssaal aufgerufen hat, wie es nach dem Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 5. Oktober 1976 2 BvR 558/75 (BVerfGE 42, 364, 370 f.) zur Gewährleistung des rechtlichen Gehörs der Beteiligten erforderlich ist. Denn mit der Behauptung, die Sache sei nicht ordnungsgemäß aufgerufen worden, kann die Rüge mangelnder Öffentlichkeit des Verfahrens nicht schlüssig begründet werden (ebenso: BFH- Beschluß vom 2. Oktober 1984 IX R 129/83, nicht veröffentlicht -- NV --). Die von § 52 Abs. 1 FGO i. V. m. § 169 Satz 1 GVG geforderte Öffentlichkeit der mündlichen Verhandlung ist gewahrt, wenn ein unbestimmter Personenkreis die Möglichkeit hat, die Verhandlung an Ort und Stelle zu verfolgen (BFH-Urteil vom 27. November 1991 X R 98--100/90, BFHE 166, 524, BStBl II 1992, 411). Hierfür genügt es, daß der Raum, in dem die Verhandlung stattfindet, grundsätzlich für jedermann zugänglich ist. Hingegen ist es nicht erforderlich, daß jedermann weiß, wann und wo eine mündliche Verhandlung in welcher Sache stattfindet (BFH-Urteil vom 15. März 1977 VII R 122/73, BFHE 121, 392, BStBl II 1977, 431).

Soweit in dem Vorbringen des Klägers die Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs zu sehen sein sollte, kann hiermit die zulassungsfreie Revision nicht begründet werden (vgl. oben unter 2.).

4. Auch die Rüge des Klägers, die angefochtenen Urteile seien nicht mit Gründen versehen, ist nicht geeignet, die zulassungsfreie Verfahrensrevision zu eröffnen.

Die Verfahrensrüge des § 116 Abs. 1 Nr. 5 FGO dient wie die Bestimmung des § 105 Abs. 2 Nr. 4 und 5 FGO, wonach das Urteil einen Tatbestand und Entscheidungsgründe enthalten muß, der Sicherstellung, daß die Beteiligten ihre prozessualen Rechte wahrnehmen können. Die Wiedergabe des Tatbestandes ist erforderlich, damit die Beteiligten erkennen können, welche tatsächlichen Feststellungen der Entscheidung zugrunde liegen. Die Wiedergabe der Entscheidungsgründe dient der Mitteilung der wesentlichen rechtlichen Erwägungen, die aus der Sicht des Gerichts für die getroffene Entscheidung maßgebend waren. Ein Fehlen von Entscheidungsgründen liegt deshalb nur vor, wenn den Beteiligten die Möglichkeit entzogen ist, die getroffene Entscheidung zu überprüfen. Das ist nach ständiger Rechtsprechung nur dann der Fall, wenn das FG seine Entscheidung überhaupt nicht begründet oder ein selbständiges Angriffs- oder Verteidigungsmittel mit Stillschweigen übergangen hat, mithin das Urteil bezüglich eines wesentlichen Streitpunktes nicht mit Gründen versehen war (BFH-Beschluß vom 17. September 1991 X R 19/91, BFH/NV 1992, 750 m. w. N.). Ob das Gericht auf alle Gesichtspunkte sowie den gesamten Akteninhalt eingegangen ist und zutreffende Schlußfolgerungen gezogen hat, ist keine Frage der fehlenden Begründung i. S. des § 116 Abs. 1 Nr. 5 FGO. Mängel dieser Art können zwar formelles oder materielles Recht verletzen, sie eröffnen jedoch keine zulassungsfreie Revision. Die angefochtenen Urteile enthalten einen Tatbestand und Entscheidungsgründe i. S. des § 105 Abs. 2 FGO.

Der Kläger macht lediglich geltend, das FG habe sich nicht mit seinen Einwendungen gegen die Besetzung des Senats und gegen die mangelnde Öffentlichkeit des Verfahrens auseinandergesetzt. Diese Rüge betrifft nach den vorstehenden Ausführungen nicht das Fehlen einer rechtlichen Begründung der Entscheidung selbst, sondern allenfalls einen Fehler des -- vor oder bei der Entscheidungsfindung -- zu beachtenden Verfahrens (vgl. BFH-Beschluß vom 12. April 1994 III R 44/93, BFH/NV 1994, 885). Die vom Kläger behaupteten Verfahrensfehler waren mit der Nichtzulassungsbeschwerde (Verletzung des Rechts auf Gehör durch fehlerhaften Aufruf der Sache) und mit der Rüge nach § 116 Abs. 1 Nr. 1 FGO (vgl. dazu oben unter 1.) geltend zu machen.

5. Der Kläger hat neben den vorliegenden Verfahrensrevisionen Beschwerden gegen die Nichtzulassung der Revision eingelegt. Der Erfolg der Nichtzulassungsbeschwerden hat keine Auswirkungen auf die wegen mangelhafter Begründung unzulässig erhobenen Verfahrensrevisionen (BFH-Beschluß vom 12. April 1991 III R 181/90, BFHE 164, 179, BStBl II 1991, 638; a. A. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl., § 116 Rz. 6 a).

 

Fundstellen

Haufe-Index 421104

BFH/NV 1996, 416

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