Entscheidungsstichwort (Thema)

Ablehnung eines Richters wegen Befangenheit

 

Leitsatz (NV)

1. Der Antrag auf Ablehnung eines Richters wegen Befangenheit ist nur dann zulässig, wenn er eine substantiierte Darlegung des Ablehnungsgrundes enthält.

2. Bei unzulässiger Ablehnung eines Richters entscheidet der Senat in seiner normalen Besetzung, also gegebenenfalls unter Mitwirkung des abgelehnten Richters.

 

Normenkette

FGO § 51; ZPO § 42 Abs. 1-2, § 44 Abs. 2

 

Gründe

Die Beschwerde ist unbegründet. Zu Recht hat das FG den Ablehnungsantrag als unzulässig verworfen.

Gemäß § 51 der Finanzgerichtsordnung (FGO) gelten für die Ausschließung und Ablehnung der Gerichtspersonen sinngemäß die §§ 41 bis 49 der Zivilprozeßordnung (ZPO). Gemäß § 42 Abs. 1 ZPO kann ein Richter wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden. Eine solche Besorgnis ist zu gewärtigen, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Mißtrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen (§ 42 Abs. 2 ZPO). Der Ablehnungsgrund ist glaubhaft zu machen (§ 44 Abs. 2 ZPO). Dementsprechend setzt die Zulässigkeit eines Ablehnungsgesuchs voraus, daß es eine substantiierte Darlegung des Ablehnungsgrundes enthält (Gräber / Koch, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl., § 51 Anm. 23, m. w. N.). Daran fehlt es im Streitfall.

1. Zunächst ist nicht erkennbar, wieso die von den Klägern beanstandete Anordnung des abgelehnten Richters vom 13. September . . . zu einer Verletzung des rechtlichen Gehörs geführt haben soll. Die mit dieser Maßnahme verbundene Aufforderung, das Klagebegehren zu präzisieren, fand seine Rechtsgrundlage in § 79 Satz 1 FGO und diente u. a. gerade der Verwirklichung des Rechts auf Gehör.

2. Ebensowenig ist ersichtlich, weshalb der abgelehnte Richter durch die genannte prozeßleitende Maßnahme gegen § 38 DRiG (Richtereid) und § 39 DRiG (Wahrung der Unabhängigkeit) verstoßen haben soll. Die Kläger haben diesen Vorwurf nicht ansatzweise präzisiert.

3. Die von den Klägern beanstandete Aufforderung vom 13. September . . . kann nicht dahin interpretiert werden, daß der abgelehnte Vorsitzende Richter dem Aussetzungsgesuch von vornherein negativ gegenübergestanden habe. Da dieses Gesuch in der Klageschrift nicht näher begründet worden war, diente die Aufforderung vom 13. September . . . auch dazu, die Entscheidung über diesen Antrag vorzubereiten. So haben die Kläger ihren Aussetzungsantrag denn auch erst später dahin präzisiert, daß das Verfahren bis zur Entscheidung des BVerfG über die Verfassungsmäßigkeit des Grundfreibetrages 1986 ausgesetzt werden solle.

Abgesehen davon soll das in § 51 FGO i. V. m. § 42 ZPO vorgesehene Ablehnungsrecht die Beteiligten nicht vor einer ihnen nicht genehmen Rechtsauffassung (im Streitfall: zur Frage der Anwendung des § 74 FGO), sondern allein vor einer (möglichen) Parteilichkeit des Richters schützen (vgl. z. B. Beschluß des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 17. Juli 1974 VIII B 29/74, BFHE 112, 457, BStBl II 1974, 638).

4. Jeglicher Substantiierung entbehrt auch der Hinweis der Kläger, der abgelehnte Richter habe in einem anderen Verfahren den von ihnen unternommenen Versuch einer Verständigung mit dem FA unterbunden.

5. Soweit die Kläger schließlich zur ergänzenden Begründung ihres Ablehnungsgesuchs auf ihre Eingaben in den FG-Verfahren . . . Bezug genommen haben, enthalten auch diese Schriftsätze keine schlüssigen Anhaltspunkte, die die Besorgnis der Befangenheit des abgelehnten Richters rechtfertigen könnten. In den dortigen Verfahren haben sich die Kläger bei der Begründung ihrer Ablehnungsgesuche darauf beschränkt, auf die Begründung zur Richterablehnung in dem wiederum anderen Verfahren . . . , dessen Beteiligte mit den Beteiligten des hier vorliegenden Verfahrens nicht identisch sind, zu verweisen. Auch in dem Schriftverkehr in der Sache . . . , insbesondere in dem Schriftsatz vom . . . , sind keine Gründe vorgetragen worden, die Zweifel an der Unparteilichkeit des abgelehnten Richters aufkommen lassen könnten. Der Schriftsatz vom . . . beinhaltet außer allgemeinen Hinweisen insbesondere auf das rechtsstaatliche Gebot der Unparteilichkeit der Richter lediglich Beanstandungen von Entscheidungen eines anderen FG-Senats, an denen der hier abgelehnte Richter nicht mitgewirkt hat.

Es mag deshalb offenbleiben, ob die zur (ergänzenden) Begründung des hier gestellten Ablehnungsgesuchs erfolgten Bezugnahmen schon deswegen nicht den Anforderungen an die substantiierte Darlegung der Ablehnungsgründe entsprachen, weil sie nicht näher - etwa durch Angabe eines bestimmten Schriftsatzes oder der Seitenzahl in den Akten - konkretisiert wurden.

6. Da das Ablehnungsgesuch - wie dargelegt - unzulässig war, bedurfte es keiner dienstlichen Äußerung (vgl. § 44 Abs. 3 ZPO) des betroffenen Richters. Ebensowenig ist es zu beanstanden, daß das FG über das Gesuch unter Mitwirkung des angeblich befangenen Richters entschieden hat (vgl. Günter, Neue Juristische Wochenschrift 1986, 281, 288 ff., unter III., m. w. N. aus der Rechtsprechung).

 

Fundstellen

Haufe-Index 417858

BFH/NV 1991, 761

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