Leitsatz (amtlich)

Die Oberfinanzdirektion kann eine Revision nicht namens des zuständigen Finanzamts einlegen.

 

Normenkette

FGO § 57 Nrn. 2, 4, § 60 Abs. 2, §§ 61-62, 63 Abs. 1, §§ 124, 126 Abs. 1; FVG §§ 3, 5 Abs. 1, § 14 Abs. 1, § 21 Abs. 3; VwZG § 11

 

Tatbestand

Das Finanzamt für Erbschaftsteuer und Verkehrsteuern - Beklagter - hatte gegen die Klägerin einen Erbschaftsteuerbescheid erlassen. In der Einspruchsentscheidung hatte es die Steuerfestsetzung erhöht. Durch Urteil gegen das Finanzamt für Erbschaftsteuer und Verkehrsteuern, vertreten durch die OFD, vom 10. November 1966 hat das FG die Erbschaftsteuer herabgesetzt. Dagegen hat die OFD "im Namen des Finanzamts für Erbschaftsteuer und Verkehrsteuern" Revision eingelegt.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision ist unzulässig. Die OFD ist nicht gesetzlicher Vertreter des Beklagten. Sie kann weder nach Verwaltungsrecht noch nach Prozeßrecht als dessen gewillkürter Vertreter ein Rechtsmittel einlegen. Aus eigenem Recht steht ihr die Revision nicht zu.

1. Die Anfechtungsklage (§ 40 Abs. 1 FGO) richtet sich gemäß § 63 Abs. 1 FGO nicht gegen die Körperschaft, deren Behörde den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat, sondern - soweit nicht etwas anderes vorgeschrieben ist (vgl. z. B. § 160 FGO) - in bewußter Abweichung von § 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO gegen diese Behörde selbst.

a) Die Behörde, welche den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat, ist demzufolge abweichend von § 50 Abs. 1 ZPO und der Regel des § 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO (vgl. aber § 78 Abs. 1 Nr. 2, § 61 Nr. 3 VwGO) parteifähig und selbst Beklagter (§ 57 Nr. 2 FGO). Die Angabe der Behörde gilt nicht nur, wie nach § 78 Abs. 1 Nr. 1 Halbsatz 2 VwGO, als genügende Bezeichnung der in Wahrheit verklagten Körperschaft, sondern bezeichnet den Beklagten selbst (§ 65 Abs. 1 Satz 1 FGO). Deshalb bedurfte es - über § 121 VwGO hinausgehend - einer ausdrücklichen Vorschrift, wonach die gegen eine Finanzbehörde ergangenen Urteile auch gegenüber der öffentlich-rechtlichen Körperschaft wirken, der die beteiligte Finanzbehörde angehört; sie ist in § 110 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 FGO enthalten. Verstärkt erscheint das Prinzip vorbehaltloser Parteirolle der Behörde, welche den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat, in den - allerdings problematischen (vgl. Beschluß II S 8/67 vom 27. März 1968, BFH 91, 547) - Vorschriften des § 63 Abs. 2, § 110 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 FGO.

b) Die beklagte Behörde als solche ist gleichwohl nicht prozeßfähig (vgl. §§ 51, 50 Abs. 1 ZPO). Das ist zwar in der FGO - abweichend von § 62 Abs. 2 VwGO - nicht ausdrücklich ausgesprochen. Es ergibt sich aber zwangsläufig daraus, daß eine Behörde nur durch natürliche Personen handeln kann (vgl. Wolff, Verwaltungsrecht, Bd. II, 2. Aufl. 1967, § 73 III a S. 32). Die Behörde bedarf also einer gesetzlichen Vertretung (Wolff, a. a. O., § 76 III b S. 86 ff.). Die im Rahmen der Vertretungsmacht vorgenommenen Handlungen ihres gesetzlichen Vertreters und der kraft ihres Amtes für diesen handelnden Personen (§ 21 Abs. 3, 14 Abs. 1 Satz 2 des Gesetzes über die Finanzverwaltung - FVG -; vgl. z. B. § 144 des Gerichtsverfassungsgesetzes; Reuß, Neue Juristische Wochenschrift 1960 S. 1831 - NJW 1960, 1831 -) werden der Behörde als eigene zugerechnet (Wolff, a. a. O., § 74 IV d S. 55; vgl. - dort für Privatrechtssubjekte - Wolff, Verwaltungsrecht, Bd. I, 7. Aufl. 1968, § 35 I a S. 214, § 32 II b S. 179).

c) Da nicht die Körperschaft, sondern die Behörde zu verklagen ist (§ 63 Abs. 1 FGO), kommt es nur darauf an, wer befugt ist, die Behörde zu vertreten, und nicht darauf, wer befugt wäre, die hinter ihr stehende Körperschaft zu vertreten. Demzufolge kann dahingestellt bleiben, ob etwa die OFD als gesetzliche Vertreterin des Landes anzusehen und in anderen Verfahren befugt wäre, als übergeordnete Behörde eine dem FA zustehende gesetzliche Vertretung des Landes an sich zu ziehen (vgl. Reuß, a. a. O.).

d) Gesetzlicher Vertreter des FA ist dessen Vorsteher. Das ergab sich für den Zeitpunkt, zu dem die Revision eingelegt worden ist, aus § 22 Satz 1 FVG a. F., § 14 Abs. 1 FVG; die erstgenannte Vorschrift gilt nunmehr als § 21 Abs. 3 FVG (Art. 2 Nr. 7 des Gesetzes zur Änderung strafrechtlicher Vorschriften der Reichsabgabenordnung und anderer Gesetze - AO StrafÄndG - vom 10. August 1967, BGBl I, 877). Die zuständige OFD ist zwar den Finanzämtern ihres Bezirks vorgesetzt (§ 3 FVG) und kann diese zu Verfügungen und anderen Maßnahmen anweisen (§ 46 AO). Die gesetzliche Vertretung des FA steht ihr aber weder im Verfahren nach der AO noch im Verfahren nach der FGO zu. Soweit die OFD befugt ist, Verfügungen der Finanzämter aufzuheben (§ 46 AO), handelt sie im eigenen Namen und nicht im Namen des FA.

e) Die Weisungsbefugnis schließt die Vertretungsmacht nicht ein (Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs in Kassel OS V 42/59 vom 13. August 1959, NJW 1960, 1317; Eyermann-Fröhler, Kommentar zur Verwaltungsgerichtsordnung, 4. Aufl. 1965, § 78 Tz. 10; Redeker-von Oertzen, Verwaltungsgerichtsordnung, 2. Aufl. 1965, § 78 Anm. 8); eine Behörde ist zu einer Verfügung nicht schon deshalb zuständig, weil eine ihr nachgeordnete Behörde zuständig ist (Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, Allgemeiner Teil, 9. Aufl. 1966, § 12d S. 224 f., § 22 S. 420; Schneider, Deutsches Verwaltungsblatt 1950 S. 702 ff.). Die OFD kann zwar ein nachgeordnetes FA anweisen, einen Steuerbescheid oder eine Einspruchsentscheidung bestimmten Inhalts zu erlassen (§ 3 FVG, § 46 AO). Sie kann diese Verfügungen, welche kraft Gesetzes in die funktionelle Zuständigkeit des FA gehören (§ 210 Abs. 1, § 248 Abs. 1 Satz 1 AO), aber weder im eigenen Namen noch im Namen des FA wirksam treffen. Der Steuerbescheid einer Aufsichtsbehörde ist schlechthin unwirksam (arg. § 79 AO; vgl. Urteil des Obersten Finanzgerichtshofs II z 11/50 U vom 24. Mai 1950, Amtsblatt des Bayerischen Staatsministeriums der Finanzen 1950 S. 300).

f) Parteistellung und Vertretung im gerichtlichen Verfahren folgen der Organisation des Verwaltungsverfahrens. Denn zu verklagen ist das FA gerade deshalb, weil es den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat. Seine gesetzliche Vertretung im gerichtlichen Verfahren kann also keine andere sein als die, welche für die Kompetenz zum Erlaß des angefochtenen Aktes gilt. Die OFD kann demnach bei Anfechtung eines Steuerbescheides im finanzgerichtlichen Verfahren das FA nicht gesetzlich vertreten.

2. Der Vorsteher des FA kann die ihm zustehende Vertretungsmacht weder der Substanz nach (Delegation) noch zur Ausübung (Mandat) an die OFD übertragen. Auch insoweit kann aus den eben erwähnten Gründen für das gerichtliche Verfahren nichts anderes gelten als für das Verwaltungsverfahren.

a) Soweit die Zuständigkeiten einer Behörde durch Rechtsnormen geregelt sind, bedürfen Delegation und Mandat gesetzlicher Zulassung (Forsthoff, a. a. O., § 12 S. 224 f.; Obermayer, Juristenzeitung 1956 S. 625 ff.; Wolff, Verwaltungsrecht, Bd. II. 2. Aufl. 1967, § 72 IV 2 S. 23; vgl. - mit möglicherweise anderer Ansicht bezüglich des Mandats - Rasch, Die Öffentliche Verwaltung 1957 S. 337 ff.). Denn die Verschiebung rechtsatzmäßig festgelegter Kompetenzen stellt eine Änderung der Rechtsordnung dar (Obermayer, a. a. O., S. 629; Rasch, a. a. O., S. 337); zu der die gesetzesgebundene Verwaltung nicht aus eigenem, sondern allenfalls aus abgeleitetem Recht befugt ist (vgl. Wolff, a. a. O., § 78 II c 4 S. 122 f.). Weder das FA noch dessen Vorsteher sind indessen - unbeschadet des § 78 AO - durch eine Rechtsnorm ermächtigt, über die ihnen gesetzlich zustehenden Kompetenzen zu verfügen.

b) Im vorliegenden Falle dürfte allerdings weder an Delegation noch an Mandat gedacht gewesen sein, da die OFD die äußeren Zuständigkeiten unberührt lassen und nur die Vertretung des FA an sich ziehen wollte. Diese Veränderung der Kompetenzen der Amtsträger ist aber sachlich nichts anderes als eine Veränderung der Kompetenzen der Ämter selbst.

c) Die Kompetenzzuweisung an eine andere Behörde in dieser Weise oder durch Delegation oder Mandat ist nicht zu verwechseln mit der innerdienstlichen Regelung der Zeichnungsbefugnisse (vgl. dazu Wolff, a. a. O., § 76 III S. 85 ff., § 73 III d S. 37 f., § 74 IV b S. 53). Denn die einzelnen Beamten, welche generell für ein Gruppe von Fällen oder im Einzelfall dazu bestellt sind, für eine Behörde zu handeln, werden unmittelbar als deren Organ tätig (Reuß, NJW 1960, 1831). Sie handeln kraft ihres Amtes in dieser Behörde im Namen der Behörde und verkörpern als deren verfassungsmäßig berufene Vertreter (vgl. § 31 BGB) diese Behörde selbst, nicht anders als deren Vorsteher, für die sie handeln (§ 21 Abs. 3, § 14 Abs. 1 Satz 2 FVG; vgl. Wolff, a. a. O., § 74 IV b 2 S. 53). Die Vertretungsmacht leitet sich aus ihrem Amte ab, auch wenn sie "im Auftrag" zeichnen das gilt selbst dann, wenn sie nicht schon kraft ihrer Dienststellung zur Zeichnung befugt sind, sondern ihnen das Zeichnungsrecht erst verliehen werden muß. Denn diese Verleihung begründet weder ein besonderes Auftragsverhältnis noch verlagert sie die der Behörde zustehenden Kompetenzen; sie weist lediglich den Beamten in eine Stellung ein, kraft derer er die Behörde vertreten kann (§ 14 Abs. 1 Satz 2 FVG). In jedem Falle kann die Zeichnungsbefugnis nur einem Beamten verliehen werden, der abstrakt befähigt ist, für seine Person das Zeichnungsrecht auszuüben; einer höheren Behörde (die wiederum nur durch ihre Beamten handeln könnte) kann kein Zeichnungsrecht verliehen werden.

d) In den Rechtsfiguren der Delegation und des Mandates weist eine höhere Behörde der nachgeordneten Behörde Kompetenzen zu (vgl. Obermayer, Juristenzeitung 1956 S. 625 ff.). Unter Umständen sind diese Rechtsinstitute auch unter gleichgeordneten Rechtsträgern möglich. Dagegen kann keine Behörde aus eigenem Rechte ihre Befugnisse an eine höhere Behörde abgeben, deren Weisungen sie unterworfen ist. Das ist kein Zufall der Rechtstradition; vielmehr sind Delegation und Mandat in einem solchen Falle sachgesetzlich ausgeschlossen. Sofern nämlich eine Kompetenzverschiebung zwischen derhöheren und der nachgeordneten Behörde überhaupt zulässig ist, und sofern die nachgeordnete Behörde den Weisungen der höheren unterworfen ist, bedarf diese, um deren Kompetenzen an sich zu ziehen, nicht der Zustimmung der unteren Behörde. Kann aber, wie im vorliegenden Falle, die OFD die gesetzliche Kompetenzverteilung nicht aus eigenem Recht ändern, so kann eine Änderung der gesetzlichen Zuständigkeiten auch nicht durch Zustimmung des FA wirksam werden.

e) Für die Leitung des FA trägt dessen Vorsteher organisationsrechtlich (§ 21 Abs. 3, § 14 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 FVG) und beamtenrechtlich die Verantwortung. In diese Verantwortung fällt auch die Prozeßführung des FA (vgl. § 14 Abs. 2 Satz 1 FVG). Zwar ist der Vorsteher des FA den Weisungen der OFD unterworfen (§ 46 AO, § 3 Satz 1 FVG) und deshalb, soweit er einer Anweisung gemäß handelt, von der Verantwortung frei, wenn er den Sachverhalt richtig vorgetragen und einer etwa gesetzwidrigen Weisung (zu einer nicht strafbaren Handlung) gegenüber die nach Beamtenrecht gebotenen Gegenvorstellungen erhoben hat. Er kann sich aber nicht generell von seiner Verantwortung dadurch befreien, daß er die Prozeßführung der übergeordneten OFD überläßt. Ginge man indessen davon aus, daß der Vorsteher des FA die Prozeßführung verantwortlich in der Hand behielte, so würde das nichts anderes bedeuten, als daß er mit "Auftrag" und "Vollmacht" an die OFD sich diese nachordnet, andererseits aber doch wieder deren Weisungen unterworfen bliebe. Auch aus diesem Gesichtspunkt ist ein Mandat an die übergeordnete OFD unmöglich.

3. Die OFD ist auch nicht tauglicher Empfänger einer Prozeßvollmacht (§ 62 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Sätze 1 und 3, § 155 FGO, §§ 79, 81 ZPO). Deren Zulässigkeit bestimmt sich nicht nach Verwaltungsrecht, sondern nach Prozeßrecht (vgl. § 67 VwGO, § 22 BVerfGG).

a) Bevollmächtigte im Sinne des § 62 Abs. 1 Satz 1 FGO können nur natürliche Personen sein (Ziemer-Birkholz, Finanzgerichtsordnung, 1966, § 62 Tz. 15; von Wallis-List in Hübschmann-Hepp-Spitaler, Kommentar zur Reichsabgabenordnung - Lfg. 48 Okt. 1966 -, FGO § 62 Anm. 4; Baumbach-Lauterbach, Zivilprozeßordnung, 29. Aufl. 1966, § 79 Anm. 1 - dort a. A. für VwGO -; Stein-Jonas, Kommentar zur Zivilprozeßordnung, 18. Aufl. 1953 - Erg. 1960 -, § 79 Anm. I; Wieczorek, Zivilprozeßordnung und Nebengesetze 1957, § 79, Anm. A I; Eyermann-Fröhler, Kommentar zur Verwaltungsgerichtsordnung, 4. Aufl. 1965, § 67 Rdnr. 11; Klinger, Verwaltungsgerichtsordnung, 2. Aufl. 1964, § 67 Anm. C 2 b; Redeker-von Oertzen, Verwaltungsgerichtsordnung, 2. Aufl. 1965, § 67 Tz. 13; Schunck-de Clerck, Verwaltungsgerichtsordnung, 2. Aufl., 1967, § 67 Anm. 3 c; a. A. Noack, Deutsches Verwaltungsblatt 1962 S. 850), vorbehaltlich besonderer gesetzlicher Zulassung (vgl. z. B. § 36 Abs. 1 Satz 2 VwGO), aber nicht Behörden. Denn der Prozeßbevollmächtigte muß seinerseits prozeßfähig (§ 155 FGO, § 79 ZPO) und zum schriftlichen und mündlichen Vortrag befähigt (§ 62 Abs. 2 Satz 1 FGO) sein. Diese Voraussetzung fehlt aber bei Behörden - nicht anders als bei juristischen Personen (§ 58 Abs. 2 FGO; vgl. § 51 ZPO) -, weil diese nur durch ihre Organe handeln können. Die Parteifähigkeit einer Behörde - hier: des FA - besagt noch nicht, daß sie selbst prozeßfähig wäre (vgl. § 50 Abs. 1, § 51 ZPO); aus ihr ergibt sich vor allem nicht, daß demzufolge andere Behörden - hier: die OFD - prozeßfähig wären und taugliche Prozeßbevollmächtigte der beklagten Behörde sein könnten.

b) Daß auch der FGO der Gedanke fremd ist, die übergeordnete Behörde könne Prozeßbevollmächtigte der nachgeordneten Behörde sein, beweist mittelbar § 61 FGO. Nach dieser Vorschrift kann die Behörde, die im außergerichtlichen Vorverfahren eine Beschwerdeentscheidung getroffen hat, dem Verfahren beitreten. Eine eigene prozessuale Funktion der Beschwerdebehörde (§ 57 Nr. 4 ZPO) wäre überflüssig, wenn sie allein schon kraft einer Vollmacht (§ 62 Abs. 3 Satz 1 FGO) für die beklagte Behörde (§ 63 Abs. 1 Satz 1 FGO) allein oder neben dieser (§ 155 FGO, §§ 84, 79 ZPO) auftreten könnte (vgl. auch § 122 Abs. 2 Satz 2 FGO); sie könnte diese jederzeit anweisen, ihr Vollmacht zu erteilen. Ziemer-Birkholz (Finanzgerichtsordnung, 1966, § 61 Anm. 2) heben denn auch ausdrücklich hervor, der Beitritt ermögliche der vorgesetzten Dienststelle eine unmittelbarere Einflußnahme auf das Gerichtsverfahren, als die Erteilung von Weisungen an die beteiligte Behörde sie ermöglichen könnte.

c) Allerdings kann unter Umständen die einer juristischen Person erteilte Vollmacht in eine Prozeßvollmacht auf deren gesetzlichen Vertreter umzudeuten sein. Entsprechendes mag für die auf eine Behörde ausgestellte Vollmacht gelten. Daraus folgt aber nicht, daß auch die in einem dienstlichen Bericht des FA enthaltene Bitte an die OFD, Revision einzulegen, umgedeutet werden kann in den Auftrag an den Oberfinanzpräsidenten, nicht in seiner Eigenschaft als gesetzlicher Vertreter der OFD (§ 5 Abs. 1 FVG), sondern als natürliche Person die Revision des FA als dessen Prozeßbevollmächtigter einzureichen. Es kann kaum angenommen werden, daß der jeweilige Oberfinanzpräsident (vgl. aber § 155 FGO, § 87 Abs. 1 ZPO) für seine Person Prozeßbevollmächtigter werden sollte mit der Folge, daß alle Zustellungen und Mitteilungen des Gerichts an ihn persönlich (und nicht an seine Behörde) zu richten gewesen wären (§ 62 Abs. 3 Satz 2 FGO), daß Ersatzzustellungen nicht gemäß § 11 Abs. 4 VwZG, sondern gemäß § 11 Abs. 1 und 2 VwZG zu erfolgen hätten und daß er im Urteil namentlich unter Angabe des Berufs und Wohnorts als Prozeßbevollmächtigter genannt würde (§ 105 Abs. 2 Nr. 1 FGO). Doch kann das dahingestellt bleiben. Denn ersichtlich ist die Revision namens des beklagten FA nicht von Herrn X eingelegt, sondern von der OFD als Behörde durch einen kraft seiner Stellung in der OFD im Auftrage zeichnenden Beamten.

4. Diese Prozeßerklärung ist als eine solche des beklagten FA, wie oben dargestellt worden ist, unwirksam ohne Rücksicht darauf, ob die OFD als gesetzlicher oder als gewillkürter Vertreter des Beklagten oder als dessen Prozeßbevollmächtigter handeln wollte.

a) Allerdings wäre auch der falsche gesetzliche Vertreter zur Einlegung der Revision befugt mit dem Ziele, die Fehlerhaftigkeit der gesetzlichen Vertretung geltend zu machen (vgl. Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Bd. 29 S. 408), wie unbestrittenermaßen der Prozeßunfähige seine Prozeßunfähigkeit durch Rechtsmittel geltend machen kann. Im gegebenen Falle ist dem Beklagten diese Rüge aber verschlossen, da er der Prozeßführung der OFD ausdrücklich zugestimmt hatte (arg. § 116 Abs. 1 Nr. 3, § 134 FGO, § 579 Abs. 1 Nr. 4 ZPO). Die Rechtslage ist somit nicht anders, als wenn die OFD als untauglicher Vertreter der Beklagten erstmals im Revisionsverfahren aufgetreten wäre.

b) Gründe der Zweckmäßigkeit können dem klaren Wortlaut und Wortsinn des Gesetzes gegenüber nicht zu einem anderen Ergebnis führen. Die Entscheidung über den Einspruch gegen einen Steuerbescheid (§ 229 Nr. 1 AO) hat das Gesetz ausdrücklich (vgl. dagegen § 230 Abs. 1, § 249 AO) dem FA (§ 210 Abs. 1 AO) anvertraut (§ 248 Abs. 1 Satz 1 AO). Dieses ist nach dem Gesetz allein berufen, den Steuerbescheid und die Einspruchsentscheidung im Rechtsweg zu verteidigen (§ 63 Abs. 1 Satz 1 FGO; vgl. dagegen § 61 FGO). Dem etwaigen Bedürfnis der Finanzverwaltung, den Rechtsstreit durch dafür besonders qualifizierte Beamte zu führen, läßt sich bei der gegebenen Rechtslage dadurch Rechnung tragen, daß geeignete Beamte zu diesem Zwecke den jeweils zuständigen Finanzämtern beigegeben werden; dazu ist weder erforderlich, daß sie ihre Planstellen bei diesen Finanzämtern haben noch daß sie im speziell-beamtenrechtlichen Sinne ausschließlich an diese Finanzämter abgeordnet sind. Sie müssen aber nach den für die Verwaltungsorganisation gegebenen Vorschriften befugt sein, für das jeweils zuständige FA zu handeln (§ 21 Abs. 3, § 14 Abs. 1 Satz 2 FVG) und unter Leitung seines Vorstehers stehen (§ 21 Abs. 3, § 14 Abs. 1 Satz 1 FVG); ihre Prozeßerklärungen müssen unmittelbar solche des FA und dürfen nicht solche der OFD "namens des Finanzamts" sein. Dem darüber hinausgehenden Wunsche der OFD, die Prozesse selbst zu führen, kann das Gericht nicht entgegenkommen (Art. 20 Abs. 3 GG), da die Rechtslage eindeutig entgegensteht.

5. Die Revision wäre auch dann unzulässig, wenn man sie als eine solche der OFD ansehen wollte.

a) Die Parteirollen sind in § 57 FGO abschließend umschrieben. Die Beschwerdebehörde kann zwar dem Verfahren beitreten, wenn sie als solche im außergerichtlichen Vorverfahren entschieden hat (§ 61 FGO); sie kann es aber nicht, wo als außergerichtlicher Rechtsbehelf nicht die Beschwerde (§ 230 AO), sondern der Einspruch (§ 229 AO) gegeben ist. Nach § 122 Abs. 2 FGO konnte die OFD nicht beitreten; überdies setzt diese Vorschrift ein anhängiges Revisionsverfahren voraus.

b) Dem Steuergläubiger (Land) - etwa gesetzlich vertreten durch die OFD - als solchem ist, soweit nicht gemäß § 160 FGO für die Fälle des § 33 Abs. 1 Nr. 4 FGO etwas anderes vorgeschrieben ist, ein Beitritt versagt. Gemäß § 60 Abs. 2 FGO kann, falls eine Abgabe für einen anderen Abgabeberechtigten verwaltet wird, dieser nicht deshalb beigeladen werden, weil seine Interessen als Abgabenberechtigter durch die Entscheidung berührt werden. Die Vorschrift ist nicht für alle Fälle unproblematisch (vgl. andererseits § 40 Abs. 3 FGO). Aus ihr folgt aber zwingend, daß ein Land, dessen Behörde den angefochtenen Steuerbescheid erlassen hat, sich nicht neben dieser Behörde noch in seiner Eigenschaft als Abgabengläubiger an dem finanzgerichtlichen Verfahren beteiligen kann. Selbst wenn die OFD befugt sein sollte, in Abgabenangelegenheiten das Land gesetzlich zu vertreten, hätte sie also auch als gesetzliche Vertreterin der Abgabenberechtigten (Art. 106 Abs. 2 Nr. 2 GG) kein Rechtsmittel einlegen können.

Demnach war die von der OFD eingelegte Revision des Beklagten auf dessen Kosten (§ 135 Abs. 2 FGO) als unzulässig zu verwerfen (§ 124 Satz 1, § 126 Abs. 1 FGO).

 

Fundstellen

Haufe-Index 67734

BStBl II 1968, 586

BFHE 1968, 426

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