Entscheidungsstichwort (Thema)

Bindung an gewählten Maßstab für Vorsteueraufteilung; keine Pflicht des FG zur Vorlage an EuGH; Anforderungen an Aufklärungsrüge

 

Leitsatz (NV)

1. Ist die Umsatzsteuerfestsetzung für das Jahr der Anschaffung oder Herstellung eines gemischt genutzten Gegenstandes formell bestandskräftig und hat der Unternehmer oder - bei Fehlen oder Abweichung von der Umsatzsteuererklärung - das FA ein i.S. des § 15 Abs. 4 UStG sachgerechtes Aufteilungsverfahren angewandt, ist dieser Maßstab sowohl für das Erstjahr als auch für die Folgejahre und im Hinblick auf eine mögliche Vorsteuerberichtigung nach § 15a UStG bindend.

2. Das FG ist auch dann nicht verpflichtet, eine Vorabentscheidung des EuGH einzuholen, wenn es die Revision gegen sein Urteil nicht zulässt.

3. Zu einer ordnungsgemäßen Aufklärungsrüge ist u.a. die Darlegung erforderlich, dass und inwiefern das Urteil des FG aufgrund dessen materiell-rechtlicher Auffassung auf der unterbliebenen Beweisaufnahme beruhen kann.

 

Normenkette

EG Art. 234; UStG § 15 Abs. 4, § 15a; FGO § 76 Abs. 1, § 116 Abs. 3 S. 3

 

Verfahrensgang

FG München (Urteil vom 28.06.2006; Aktenzeichen 3 K 5051/02)

 

Tatbestand

I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) errichtete in den Jahren 1996 und 1997 ein Bauobjekt. Sie teilte in ihren Umsatzsteuererklärungen für die Streitjahre 1996 bis 1998 die Vorsteuerbeträge, die den jeweiligen Umsätzen nicht direkt zugeordnet werden konnten, nach dem Verhältnis der Grundflächen der in dem Objekt befindlichen Wohn- und Gewerbeeinheiten auf. Für das Streitjahr 1999 machte sie keine Vorsteuerbeträge geltend. Das zunächst zuständige Finanzamt und anschließend der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) stimmten den von der Klägerin abgegebenen Umsatzsteuererklärungen teils zu, teils setzte das FA die Umsatzsteuer unter dem Vorbehalt der Nachprüfung erklärungsgemäß fest.

Mit Schreiben vom 28. Dezember 2001 beantragte die Klägerin, die Vorsteuerbeträge aus den Herstellungskosten für das Bauobjekt für die Zeit von 1996 bis 1. Juli 1998 nach dem Verhältnis der beabsichtigten Umsätze durch teils steuerpflichtige und teils steuerfreie Veräußerung der einzelnen Einheiten und für die Zeit danach nach dem Verhältnis der steuerfreien zu den steuerpflichtigen Umsätzen aus der Vermietung des nicht veräußerten Bestandes aufzuteilen und ab 1998 eine Vorsteuerberichtigung nach § 15a des Umsatzsteuergesetzes 1993/1999 (UStG) unter Zugrundelegung des Umsatzschlüssels vorzunehmen. Der Antrag und der Einspruch blieben erfolglos.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit der Begründung ab, für das Jahr 1996 scheide ein Vorsteuerabzug aus, weil es für dieses Jahr sowohl an Umsätzen der Klägerin mit dem Objekt als auch an dem objektiven Nachweis der Absicht einer teilweise steuerpflichtigen Verwendung der Leistungsbezüge oder geleisteten Anzahlungen fehle. Davon abgesehen sei die Klägerin an den von ihr gewählten Nutzflächenschlüssel gebunden. Für die Besteuerungszeiträume 1997 und 1998 könne die Vorsteueraufteilung wegen der Bindung der Klägerin an den für die Vorjahre angewandten Nutzflächenschlüssel nicht mehr geändert werden. Eine Vorsteuerberichtigung nach § 15a UStG für die Besteuerungszeiträume 1998 und 1999 scheide aus, weil die Klägerin den Vorsteuerabzug für die gewerblichen Einheiten bereits in Anspruch genommen habe und für die Steuerpflicht der Vermietung der Wohneinheiten nicht optiert werden könne.

Die Klägerin stützt ihre Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision gegen die Vorentscheidung auf grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache und Verfahrensfehler.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Beschwerde ist unbegründet. Soweit die Klägerin Gründe für die Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO entsprechend dargelegt hat, rechtfertigen sie nicht die Zulassung der Revision.

1. Die von der Klägerin aufgeworfene Frage nach der Bindung des Steuerpflichtigen an einen von ihm gewählten, sachgerechten Maßstab für die Vorsteueraufteilung ist in ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) geklärt und verleiht daher der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO (BFH-Beschluss vom 20. Dezember 2006 I B 141/05, BFH/NV 2007, 928).

Ist die Umsatzsteuerfestsetzung für das Jahr der Anschaffung oder Herstellung eines gemischt genutzten Gegenstandes formell bestandskräftig und hat der Unternehmer oder --bei Fehlen oder Abweichung von der Umsatzsteuererklärung-- das FA ein i.S. des § 15 Abs. 4 UStG sachgerechtes Aufteilungsverfahren angewandt, ist dieser Maßstab sowohl für das Erstjahr als auch für die Folgejahre und im Hinblick auf eine mögliche Vorsteuerberichtigung nach § 15a UStG bindend. Dies gilt auch, wenn die formell bestandskräftigen Steuerfestsetzungen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehen (§§ 164, 168 der Abgabenordnung --AO--). Dies ergibt sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften --EuGH-- (BFH-Urteil vom 2. März 2006 V R 49/05, BFHE 213, 249, BStBl II 2006, 729). Der BFH hat diese Rechtsprechung inzwischen wiederholt bestätigt (BFH-Urteile vom 28. September 2006 V R 43/03, BFHE 215, 335, BStBl II 2007, 417; vom 6. September 2007 V R 55/05, juris, und vom 22. November 2007 V R 35/06, BFH/NV 2008, 628). Eine erneute Prüfung der Frage in einem Revisionsverfahren ist nicht erforderlich.

2. Die Klägerin hat das Vorliegen von Verfahrensfehlern nicht schlüssig dargelegt.

a) Soweit die Klägerin meint, das FG sei zu einer Vorlage an den EuGH verpflichtet gewesen, übersieht sie, dass Gerichte, deren Entscheidungen mit Rechtsmitteln des innerstaatlichen Rechts angefochten werden können, nach Art. 234 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft zwar berechtigt, aber nicht verpflichtet sind, eine Vorabentscheidung des EuGH einzuholen. Das FG ist danach auch dann nicht verpflichtet, eine Vorabentscheidung des EuGH einzuholen, wenn es die Revision gegen sein Urteil nicht zulässt (BFH-Beschluss vom 9. Januar 1996 VII B 169/95, BFH/NV 1996, 652, m.w.N.).

b) Die Rüge der Klägerin, das FG hätte den Sachverhalt im Hinblick auf die im Jahr 1996 beabsichtigte (teilweise) steuerpflichtige Verwendung des zu erstellenden Objekts weiter aufklären müssen, ist nicht schlüssig. Die Klägerin hat zwar in der mündlichen Verhandlung vor dem FG einen insoweit nach ihrer Absicht bestehenden Aufklärungsbedarf dargelegt, aber keinen konkreten Beweisantrag unter Bezeichnung des Beweismittels gestellt. Sie legt auch nicht dar, welche Tatsachen im Einzelnen eine Sachverhaltsaufklärung nach § 76 Abs. 1 Satz 1 FGO voraussichtlich ergeben hätte und inwiefern diese Tatsachen auf der Grundlage der insoweit maßgebenden materiell-rechtlichen Auffassung des FG zu einer anderen Entscheidung hätten führen können (zu den Begründungsanforderungen bei einer Aufklärungsrüge und zur Maßgeblichkeit des materiell-rechtlichen Standpunkts des FG vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 9. Januar 2007 VIII B 180/05, BFH/NV 2007, 751; vom 29. Januar 2007 III B 137/06, BFH/NV 2007, 893; vom 13. Februar 2007 II B 32/06, BFH/NV 2007, 966, und vom 29. November 2007 VIII B 58/07, BFH/NV 2008, 399).

Die Aufklärungsrüge der Klägerin bezieht sich ersichtlich nur auf die vom FG vertretene Ansicht, der Klägerin stehe für das Streitjahr 1996 überhaupt kein Vorsteuerabzug zu. Diese Auffassung war aber nicht entscheidungserheblich. Das FG hat sein Urteil nämlich bezüglich dieses Streitjahrs auch auf die Bindung der Klägerin an den von ihr gewählten Aufteilungsmaßstab und insoweit auf mehrere, die Entscheidung selbständig tragende Gründe gestützt (zu den Anforderungen an die Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde bei einer kumulativen Begründung des Urteils des FG vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 21. August 2007 VII B 247/06, BFH/NV 2008, 75, m.w.N.). Der für 1996 bereits vorgenommene Vorsteuerabzug blieb unberührt.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1987176

BFH/NV 2008, 1213

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