Entscheidungsstichwort (Thema)

Kostenentscheidung nach Erledigung eines Rechtsstreits wegen verbindlicher Zolltarifauskunft

 

Leitsatz (NV)

1. Ist in einem Rechtsstreit wegen einer verbindlichen Zolltarifauskunft diese außer Kraft getreten und haben die Beteiligten daraufhin übereinstimmend den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt, so ist über die Auferlegung der Kosten nach billigem Ermessen zu entscheiden. Diesem entspricht es, den Beteiligten die Kosten je zur Hälfte aufzuerlegen, wenn infolge tatsächlicher Unklarheiten und ungeklärter Rechtsfragen ungewiß ist, welchen Ausgang der Rechtsstreit genommen hätte.

2. Für die Kostenentscheidung nach § 138 Abs. 1 FGO ist eine weitere Sachaufklärung und eine abschließende Klärung ungeklärter Rechtsfragen nicht erforderlich.

3. Zur Tarifierung von Waren als ,,Blousons" oder ,,Damenjacken" i. S. des Zolltarifs.

 

Normenkette

FGO § 138 Abs. 1; GZT Tarifst. 61.02 B II d 1 u. 2, e 1; ZG § 23 Abs. 3

 

Tatbestand

Die Klägerin beantragte in acht Fällen die Erteilung einer verbindlichen Zolltarifauskunft (vZTA) für Waren, die sie jeweils als ,,Damenjacke" bezeichnete. Die Beklagte (Oberfinanzdirektion - OFD -) wies die Waren in den daraufhin erteilten vZTA der Tarifst. 61.02 B II d 2 des Gemeinsamen Zolltarifs (GZT) und in einem Fall der Tarifst. 61.02 B II d 1 GZT zu. Mit ihren Einsprüchen wandte sich die Klägerin gegen die Behandlung der Waren als ,,Blouson" i. S. der vorgenannten Tarifstelle und machte geltend, die Waren seien als ,,Damenjacken" (Tarifst. 61.02 B II e 1 GZT) anzusehen. Zur Begründung machte sie geltend, Blousons müßten - nach den Erläuterungen zum Zolltarif (ErlZT) der EG zu 61.01 - lange Ärmel haben, die über den unteren Rand des Kleidungsstücks reichten. Bei den vorgelegten Mustern sei das nicht der Fall. Außerdem weise der Verarbeitungsstil (gewichtsmäßig schwere Grundware, gefüttert und schwer ausstaffiert) die Waren als Jacken aus.

Die Einsprüche blieben mit im wesentlichen folgender Begründung ohne Erfolg: Die - jeweilige - Ware reiche bis zur Taille oder knapp darüber hinaus und habe Ärmel, die über den unteren Rand des Hauptkörpers hinausreichten. Das folge aus der Messung des Ärmels ab unterem Rand der Achselhöhle bis zum Ärmelende sowie des Hauptkörpers am äußeren Rand von der Achselhöhle bis zum unteren Rand des ausgelegten Kleidungsstücks. Unter Berücksichtigung des Schnitts, nach dem die Ware nach unten enger werde und am unteren Rand so angesetzt sei, daß die Verengung über der Taille liege, ende das Kleidungsstück beim Tragen in der Taille, der überwurfartige Gewebeteil über der Taille.

Ihre Klagen begründet die Klägerin wie folgt:

Die zu tarifierenden Kleidungsstücke seien entgegen der Darstellung der OFD nicht - nur - oberkörperbedeckend. Sie seien in der Weise gefertigt, daß sie bis zum Gesäß reichten und auch in dieser Weise getragen werden könnten. Daraus, daß sie weit geschnitten seien, könne kein Merkmal für ein Blouson hergeleitet werden. Nach der derzeitigen Moderichtung würden auch Jacken ,,überschnitten" (zu groß geschnitten) gefertigt. Bei richtiger Messung, bei der das Kleidungsstück schnittkonform - wegen der überhängenden Schulterpartien unter Zurückschlagen der Ärmel auf den Hauptkörper - auf eine gerade Fläche gelegt werden müsse, ergebe sich, daß die Ärmel weit kürzer ausfielen als die ,,Jackenlänge". Dieses Ergebnis werde auch dadurch erzielt, daß die Jacke auf einen Bügel gehängt werde. Es könne auch nicht davon ausgegangen werden, daß das Kleidungsstück einen halsnahen Ausschnitt besitze. Außerdem sei zu berücksichtigen, daß Blousons allenfalls mit einem leichten Futter versehen seien. Die zu tarifierenden Kleidungsstücke seien jedoch in schwerster Ausführung gefüttert, teilweise mit Pelz, wattiert und teilweise in der Art eines Doppelgewebes. Es handele sich um Winterjacken und nicht um Blousons.

Die OFD macht geltend, die von der Klägerin aufgezeigten Tragemöglichkeiten seien für die Tarifierung ohne Bedeutung. Die Länge der Ärmel dürfe auch nicht bei Kleidungsstücken gemessen werden, die auf einem Bügel aufgehängt seien, da der Vergleich des Ärmels mit dem Körperteil dann durch die Länge des Bügels beeinflußt werde. Die Beschaffenheit des Futters sei für die Tarifierung nur bedeutsam, wenn das Futter aus Pelzfellen oder aus künstlichem Pelzwerk bestehe. Unter diesen Voraussetzungen sei die Ware dem Kapitel 43 zuzuordnen.

Die OFD behauptet, daß nur vier der zu tarifierenden Muster mit Futter ausgestattet seien, und zwar zwei mit Wirkplüsch, eines mit Spinnstoff und eines mit wattiertem Futter.

Die Beteiligten haben, nachdem der den vZTA zugrunde liegende GZT außer Kraft getreten ist, den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt.

Die Verfahren VII K 32, 33, 34, 35, 36, 37, 38 und 39/87 werden zu gemeinsamer Entscheidung verbunden (§ 73 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

 

Entscheidungsgründe

Nachdem die Beteiligten in allen Verfahren übereinstimmend den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, ist nur noch über die Kosten der Verfahren zu entscheiden.

Maßgebend für die Kostenentscheidung ist § 138 Abs. 1 FGO. Es entspricht billigem Ermessen, den Beteiligten die Kosten der Verfahren je zur Hälfte aufzuerlegen. Diese Entscheidung ist deshalb gerechtfertigt, weil infolge tatsächlicher Unklarheiten und ungeklärter Rechtsfragen ungewiß ist, welchen Ausgang die Verfahren genommen hätten (vgl. Beschluß des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 21. August 1974 I B 27/74, BFHE 113, 345, 348, BStBl II 1975, 38). Da für die Kostenentscheidung nach § 138 Abs. 1 FGO der ,,bisherige" Sach- und Streitstand zu berücksichtigen ist, bedarf es zur Ausübung des Ermessens bei der Entscheidung über die Auferlegung der Kosten keiner weiteren Sachaufklärung und keiner abschließenden Klärung ungeklärter Rechtsfragen (vgl. BFH-Beschluß vom 27. April 1988 IX R 92/83, BFH/NV 1988, 726).

Die von der OFD näher bezeichneten ErlZT zu Tarifnr. 61.01, die entsprechend der ständigen Rechtsprechung des Senats und in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) als maßgebliche Erkenntnismittel bei der Auslegung des GZT zu berücksichtigen sind, sprechen dafür, daß Kleidungsstücke nur dann als Blousons angesehen werden können, wenn sie zur Erlangung eines blusigen Aussehens nur bis zur Taille (oder knapp darüber hinaus) reichen - lediglich -, den Oberkörper bedecken und wenn ihre Ärmel über den unteren Rand des Kleidungsstücks hinausreichen. Ob das zutrifft, ist zwischen den Beteiligten streitig.

Ihren Ausführungen ist zu entnehmen, daß unterschiedliche Auffassungen darüber bestehen, wie zu ermitteln ist, ob die zu tarifierenden Kleidungsstücke den Oberkörper bedecken und ob die Ärmel über den unteren Rand des Kleidungsstücks hinausreichen. Das sind Rechtsfragen, die als nicht geklärt erscheinen.

Zur Frage, wie zu ermitteln ist, ob ein Kleidungsstück nur bis zur Taille (oder knapp darüber hinaus) reicht und deshalb nur den Oberkörper bedeckt, muß den Ausführungen der OFD entnommen werden, daß sie der Auffassung ist, es komme maßgeblich auf die Verengung des Kleidungsstücks nach unten an, während die Klägerin erkennbar darauf abgestellt wissen will, ob das Kleidungsstück trotz der Verengung tatsächlich wesentlich über die Taille hinaus bis zum Gesäß hin getragen werden kann. Der Senat ist der Auffassung, daß beide Meinungen nicht als unvertretbar erscheinen und daß die Klärung, welcher Auffassung zu folgen ist, von einer ungeklärten Auslegung des Tarifs abhängig ist. Die Ansicht der OFD wird dadurch gestützt, daß eine Verengung nach unten hin, wie sie bei den streitbefangenen Kleidungsstücken unstreitig vorhanden ist, im allgemeinen dazu dient, daß das Kleidungsstück nicht oder nur knapp über die Taille hinausreicht. Es erscheint aber zumindest fraglich, ob das genügt, um ein Kleidungsstück als Blouson ansehen zu können, wenn es tatsächlich trotz der Verengung über die Taille hinausreichend getragen werden kann. Auch nach den Ausführungen der OFD kann nicht ausgeschlossen werden, daß es bei der Entscheidung über die vZTA auf diese Frage angekommen wäre.

Rechtliche Zweifel bestehen auch hinsichtlich der Frage, wie festzustellen ist, ob die Ärmel über den unteren Rand des Kleidungsstücks hinausreichen. Es kann zumindest nicht ausgeschlossen werden, daß es dabei darauf ankommt, ob diese Voraussetzungen beim Tragen erfüllt sind, und daß danach die Art des Messens, wie sie von der OFD vorgenommen worden ist, ungeeignet ist, die erforderliche Feststellung zu treffen. Gegen diese Art des Messens spricht nach Auffassung des Senats vor allem, daß danach die Ärmellänge, wie sie sich beim Tragen des Kleidungsstücks tatsächlich auswirkt, in dem Maße für den Vergleich mit der Länge des Kleidungsstücks an Bedeutung verliert, in dem die für den Einsatz des Ärmels bedeutsame Achselhöhle nach unten reicht. Das erscheint deshalb bedenklich, weil es danach nicht ausgeschlossen erscheint, daß auch die Art des Ärmeleinsatzes und nicht nur die Länge des Ärmels im Verhältnis zur Länge des Kleidungsstücks maßgebliche Bedeutung für die Tarifierung des Kleidungsstücks erlangt hätte.

Zweifel bestehen für den Senat auch dahin, in welchem Maß das blusige Aussehen, das nach den genannten Erläuterungen für die Tarifierung einer Ware als Blouson bedeutsam ist, durch die Art des Futters beeinträchtigt wird. Diese Frage tatsächlicher Art ist im Streitfall nicht geklärt.

Schließlich ist auch ungeklärt, ob und in welchen Fällen die Tarifierung der OFD schon deshalb keinen Bestand haben kann, weil die Kleidungsstücke entsprechend den Angaben der Klägerin mit Pelz gefüttert sind.

 

Fundstellen

Haufe-Index 416276

BFH/NV 1989, 679

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