Entscheidungsstichwort (Thema)

Erledigungserklärung in einem Verfahren aufgrund zulässiger und unzulässiger Beschwerde

 

Leitsatz (NV)

1. Haben die Beteiligten in einem Verfahren über eine zulässige Beschwerde gegen eine Entscheidung über eine einstweilige Anordnung zur einstweiligen Einstellung der Zwangsvollstreckung und über eine unzulässige Beschwerde gegen eine Entscheidung über die Aussetzung der Vollziehung übereinstimmend den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt und ergibt sich aus den Ausführungen des Beschwerdeführers eindeutig, daß er eine Beschwerdeentscheidung nicht mehr anstrebt, so ist, soweit das Verfahren die Beschwerde gegen die Entscheidung über die einstweilige Anordnung betrifft, aufgrund § 138 Abs. 1 FGO nach billigem Ermessen, soweit das Verfahren die Beschwerde gegen die Entscheidung über die Aussetzung der Vollziehung betrifft, wegen Rücknahme der Beschwerde nach § 136 Abs. 2 FGO über die Kosten zu entscheiden.

2. Zur Ausübung des billigen Ermessens bei einer Kostenentscheidung nach § 138 Abs. 1 FGO.

 

Normenkette

FGO §§ 69, 114, 136 Abs. 2, § 138 Abs. 1, § 144

 

Tatbestand

Der Antragsgegner und Beschwerdegegner (das Finanzamt - FA - ) erließ gegen die Antragstellerin und Beschwerdeführerin (Beschwerdeführerin) einen Duldungsbescheid, nach dem die Beschwerdeführerin verpflichtet war, die Vollstreckung in einen Pkw zu dulden, den sie von ihrem Ehemann erlangt hatte. Die Beschwerdeführerin beantragte beim Finanzgericht (FG), durch einstweilige Anordnung die Vollstreckung aufgrund des Duldungsbescheids einstweilen - bis zur Entscheidung über den Einspruch gegen den Duldungsbescheid - einzustellen, hilfsweise, die Vollziehung des Duldungsbescheids auszusetzen. Das FG wies den Antrag und den Hilfsantrag ab.

Die Beschwerdeführerin legte gegen die Entscheidung Beschwerde ein. Im Verlauf des Beschwerdeverfahrens erklärten beide Beteiligte den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt. Die Beschwerdeführerin machte außerdem geltend, die Beschwerde sei nur noch gegen die Ablehnung des Antrags auf einstweilige Anordnung gerichtet und insoweit werde nur noch der Antrag gestellt, die Kosten des Verfahrens dem FA aufzuerlegen.

 

Entscheidungsgründe

Den Ausführungen der Beteiligten ist zu entnehmen, daß sie eine Entscheidung nur noch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens und nicht mehr über die Beschwerde anstreben.

Soweit die Beschwerde gegen die Entscheidung des FG über die einstweilige Anordnung gerichtet war, ist den Ausführungen der Beteiligten zu entnehmen, daß sie übereinstimmend den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt haben. Insoweit ist die Kostenentscheidung nach § 138 der Finanzgerichtsordnung (FGO), und zwar nach Absatz 1 dieser Vorschrift zu treffen. Mit dem Antrag auf einstweilige Anordnung ist eine einstweilige Einstellung der Vollstreckung und nicht etwa die Rücknahme oder Änderung des Duldungsbescheids angestrebt worden. Da die Beschwerdeführerin also mit dem Antrag auf einstweilige Anordnung nicht die Änderung oder Rücknahme eines Verwaltungsakts angestrebt hat, kommt eine Kostenentscheidung nach § 138 Abs. 2 FGO nicht in Betracht.

Die Kostenentscheidung nach § 138 Abs. 1 FGO ist nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes zu treffen. Es entspricht billigem Ermessen, die Kosten dem Beteiligten aufzuerlegen, der nach dem bisherigen Sach- und Streitstand voraussichtlich unterlegen wäre, wenn der Rechtsstreit sich nicht in der Hauptsache erledigt hätte. Im Streitfall wäre voraussichtlich die Beschwerdeführerin unterlegen, und zwar schon deshalb, weil sie zumindest einen Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht hat (§ 114 Abs. 3 FGO, § 920 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung - ZPO -). Auch in der Beschwerdeinstanz hat die Beschwerdeführerin nicht dargelegt, daß die Gefahr der Vereitelung oder Erschwerung einer Rechtsverwirklichung durch Veräußerung des bestehenden Zustandes (§ 114 Abs. 1 Satz 1 FGO) oder das Erfordernis einer einstweiligen Regelung i. S. des § 114 Abs. 1 Satz 2 FGO zur Abwendung wesentlicher Nachteile wie drohender Gewalt bestanden hat.

Soweit die Beschwerde gegen die Entscheidung des FG über die Aussetzung der Vollziehung gerichtet war, war sie von Anfang an unzulässig, da es an der Zulassung durch das FG gefehlt hat (Art. 1 Nr. 3 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs - BFHEntlG -). Dabei kommt es im Streitfall nicht darauf an, ob die Beschwerde auch durch entsprechende Ausführungen des FG in der Rechtsmittelbelehrung hätte zugelassen werden können (vgl. dazu Beschlüsse des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 23. Juni 1987 VIII B 212/86, BFHE 150, 114, BStBl II 1987, 635, und vom 26. August 1987 IV B 27/87, BFHE 150, 403, BStBl II 1987, 786).

Denn in der Rechtsmittelbelehrung sind Ausführungen, denen eine solche Zulassung entnommen werden könnte, nicht enthalten. Die Ausführungen sind vielmehr ausdrücklich auf die Beschwerde gegen den Beschluß des FG beschränkt worden, ,,soweit er die einstweilige Anordnung betrifft".

Da die Beschwerde insoweit von Anfang an unzulässig war, kommt eine Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache, soweit er den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung betrifft, nicht in Betracht (vgl. Beschluß des BFH vom 28. April 1986 V B 51/85, BFH / NV 1986, 550).

Da den Ausführungen der Beschwerdeführerin aber eindeutig zu entnehmen ist, daß sie auch insoweit eine Entscheidung über die Beschwerde nicht mehr anstrebt, sind sie dahin zu deuten, daß die Beschwerdeführerin, soweit die Beschwerde gegen die Entscheidung über die Aussetzung der Vollziehung gerichtet war, deren Rücknahme erklärt hat.

Die Kostenentscheidung folgt insoweit aus § 136 Abs. 2 FGO. § 144 FGO steht der Kostenentscheidung insoweit schon deshalb nicht entgegen, weil über die Kosten des gesamten Beschwerdeverfahrens eine einheitliche Entscheidung zu treffen ist.

 

Fundstellen

Haufe-Index 416273

BFH/NV 1989, 719

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