Entscheidungsstichwort (Thema)

Anforderungen an das Gesuch auf Wiedereinsetzung

 

Leitsatz (NV)

Wird im Zusammenhang mit einem Wiedereinsetzungsgesuch die fristgerechte Absendung eines beim Empfänger nicht eingegangenen Schriftstückes behauptet, so sind Tatsachen vorzutragen und glaubhaft zu machen, aus denen sich die rechtzeitige Aufgabe des fristwahrenden Schriftstücks zur Post ergibt.

 

Normenkette

FGO § 56 Abs. 1, § 120 Abs. 1

 

Tatbestand

Das Finanzgericht (FG) hat die Klage der Kläger und Revisionskläger (Kläger) abgewiesen. Der erkennende Senat hat die Revision gegen das Urteil des FG durch Beschluß vom 30. August 1995, der dem Prozeßbevollmächtigten der Kläger am 4. Oktober 1995 zugestellt worden ist, zugelassen.

Mit Telefax vom 6. November 1995, das am selben Tag beim FG eingegangen ist, haben die Kläger fristgerecht Revision eingelegt. Sie haben zugleich beantragt, die Frist zur Begründung der Revision bis zum 31. Januar 1996 zu verlängern. Aufgrund eines weiteren -- fristgerecht eingegangenen -- Antrags wurde die Revisionsbegründungsfrist bis zum 2. Mai 1996 verlängert. Der Prozeßbevollmächtigte der Kläger wurde zugleich darauf hingewiesen, daß einem etwaigen weiteren Fristverlängerungsantrag nicht stattgegeben werden könne.

Mit Schreiben vom 6. Mai 1996 -- dem Prozeßbevollmächtigten am 8. Mai 1996 zugestellt -- teilte der Vorsitzende des erkennenden Senats dem Prozeßbevollmächtigten der Kläger mit, daß die Revisionsbegründung innerhalb der verlängerten Revisionsbegründungsfrist nicht beim Bundesfinanzhof (BFH) eingegangen sei. Zugleich wurde der Prozeßbevollmächtigte auf die Möglichkeit eines Antrags auf Wiedereinsetzung in den vori gen Stand (§ 56 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --) hingewiesen.

Durch ein am 22. Mai 1996 beim BFH eingegangenes Telefax übermittelten die Kläger die Revisionsbegründungsfrist vom 26. April 1996 und beantragten zugleich, ihnen wegen der Versäumung der Revisionsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Der Schriftsatz zur Begründung der Revision vom 26. April 1996 sei von der Ehefrau des Prozeßbevollmächtigten, Frau X, am 29. April 1996 und zwar um 20.12 Uhr in den Briefkasten der Deutschen Post AG in der A-Straße in B eingeworfen worden. Die Richtigkeit dieser Angaben ergebe sich aus dem Postaufgabevermerk vom 29. April 1996 und aus der eidesstattlichen Versicherung von Frau X. Unregelmäßigkeiten nach der Postaufgabe könnten nicht zu Lasten der Kläger gehen.

Mit Schreiben vom 11. Juni 1996 wurde der Prozeßbevollmächtigte darauf hingewiesen, daß dem Schriftsatz vom 21. Mai 1996 die dort erwähnten Anlagen nicht beigelegen hätten.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) beantragt, die Revision als unzulässig zu verwerfen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unzulässig.

Nach § 120 Abs. 1 FGO muß die Revision innerhalb eines Monats nach dem Ablauf der Frist zur Revisionseinlegung begründet werden (BFH-Beschluß vom 1. Dezember 1986 GrS 1/85, BFHE 148, 414, BStBl II 1987, 264). Die Frist für die Revisionsbegründung kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag durch den Vorsitzenden des zuständigen Senats des BFH verlängert werden (§ 120 Abs. 1 Satz 2 FGO). Im Streitfall ist die Revisionsbegründungsfrist am 2. Mai 1996 abgelaufen. Die Revisionsbegründung ist jedoch erst am 22. Mai 1996, also nach Ablauf der verlängerten Revisionsbegründungsfrist, beim BFH eingegangen.

Den Klägern kann wegen der Versäumung dieser Frist nicht Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 56 FGO) gewährt werden. Denn sie haben nicht glaubhaft gemacht, daß ihren Prozeßbevollmächtigten, dessen Verschulden sie sich nach § 155 FGO i. V. m. § 85 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung (ZPO) zurechnen lassen müssen, an der Versäumung der Revisionsbegründungsfrist kein Verschulden trifft.

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist auf Antrag zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden an der Einhaltung einer gesetzlichen Frist verhindert war (§ 56 Abs. 1 FGO). In formeller Hinsicht setzt die Gewährung der Wiedereinsetzung voraus, daß innerhalb einer Frist von zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses die versäumte Rechtshandlung nachgeholt wird (§ 56 Abs. 2 Satz 3 FGO) und diejenigen Tatsachen vorgetragen werden, aus denen sich die schuldlose Verhinderung ergeben soll (ständige Rechtsprechung, vgl. z. B. BFH- Urteil vom 27. März 1985 II R 118/83, BFHE 144, 1, BStBl II 1985, 586). Das erfordert grundsätzlich eine in sich schlüssige Darstellung der für die Wiedereinsetzung wesentlichen Tatsachen innerhalb dieser Frist (BFH-Beschluß vom 19. Januar 1993 X R 82/92, BFH/NV 1993, 611, m. w. N.).

Wird im Zusammenhang mit einem Wiedereinsetzungsgesuch die fristgerechte Absendung eines beim Empfänger nicht eingegangenen Schriftstückes behauptet, so sind Tatsachen vorzutragen und glaubhaft zu machen, aus denen sich die rechtzeitige Aufgabe des fristwahrenden Schriftstücks zur Post ergibt (BFH-Beschlüsse vom 10. März 1994 IX R 43/90, BFH/NV 1994, 813, und vom 9. März 1993 VI R 60/90, BFH/NV 1993, 616, m. w. N.). Insbesondere ist darzulegen, wer den Schriftsatz zu welchem Zeitpunkt zur Post gegeben hat (BFH-Beschluß vom 12. April 1989 II B 197/88, BFH/NV 1990, 298). Außerdem ist eine Schilderung der Fristenkontrolle nach Art und Umfang erforderlich (BFH/NV 1994, 813, m. w. N.). Die Angaben sind durch Vorlage präsenter Beweismittel glaubhaft zu machen (BFH-Beschlüsse vom 13. Juli 1989 VI-II R 64/88, BFH/NV 1990, 577, und in BFH/NV 1993, 616).

Diesen Anforderungen genügt das Wiedereinsetzungsgesuch der Kläger nicht. Zwar hat der Prozeßbevollmächtigte der Kläger mit seinem fristgerecht eingegangenen Wiedereinsetzungsgesuch Tatsachen vorgetragen, aus denen sich ergibt, wann, auf welche Weise und durch welche Person der Schriftsatz, der die Revisionsbegründung enthielt, zur Post gegeben wurde. Es fehlen jedoch substantiierte Ausführungen darüber, wie die Fristenkontrolle im Büro des Prozeßbevollmächtigten gehandhabt wurde. Außerdem mangelt es an der erforderlichen Glaubhaftmachung des Tatsachenvortrags durch Vorlage präsenter Beweismittel. Die im Schriftsatz vom 21. Mai 1996 erwähnten Beweismittel (eidesstattliche Versicherung von Frau X, Postausgangsvermerk) hat der Prozeßbevollmächtigte nicht vorgelegt.

 

Fundstellen

Haufe-Index 421713

BFH/NV 1997, 137

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