Entscheidungsstichwort (Thema)

Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache; verdeckte Gewinnausschüttung; Sachaufklärungspflicht des FG

 

Leitsatz (NV)

1. Für die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache  reicht es nicht, die Einzelfragen, die nach Auffassung des Beschwerdeführers vom FG unzutreffend beurteilt worden sind, aufzulisten und als von grundsätzlicher Natur zu bezeichnen.

2. Der Tatbestand der verdeckten Gewinnausschüttung setzt eine beherrschende Stellung des empfangenden Gesellschafters nicht voraus.

3. Zur Darlegung des Übergehens entscheidungserheblicher Tatsachen als Verfahrensfehler gehören Ausführungen dazu, dass die betreffenden Tatsachen vom Rechtsstandpunkt des FG aus entscheidungserheblich sind.

4. Das FG verletzt seine Sachaufklärungspflicht, wenn es eine von ihm für schlüssig und entscheidungserheblich gehaltene Einwendung eines Beteiligten ohne Aufklärungsversuch unbeachtet lässt, weil dieser nicht alle zur Untermauerung der Einwendung erforderlichen Unterlagen vorgelegt habe.

 

Normenkette

FGO § 76 Abs. 1 S. 1, § 115 Abs. 2 Nrn. 1-3, § 116 Abs. 3 S. 3, Abs. 6; KStG § 8 Abs. 3 S. 2

 

Verfahrensgang

FG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 20.09.2006; Aktenzeichen 1 K 2370/03)

 

Tatbestand

I. Streitpunkt ist, ob von der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) in den Streitjahren (1997 bis 1999) geleistete Pachtzahlungen zum Teil verdeckte Gewinnausschüttungen (vGA) waren und wie bestimmte weitere Geschäftsvorfälle in der Bilanz der Klägerin zum 31. Dezember 1999 zu behandeln sind.

Gesellschafter der Klägerin, einer GmbH, waren in den Streitjahren zu je 1/3 die Brüder X und Y sowie deren Mutter M, die als Gesamtrechtsnachfolgerin ihres 1994 verstorbenen Ehemannes (V) in dessen Gesellschafterstellung eingerückt war. Die Klägerin pachtete das von ihr betriebene Bauunternehmen lt. einer Mitteilung des V an den Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt --FA--) seit Ende Juni 1990 von einer GbR, deren Gesellschafter in den Streitjahren zu gleichen Teilen X und Y waren. Das FA bewertete die von der Klägerin an die GbR zu entrichtende Pacht als unangemessen, behandelte deshalb in den Streitjahren Pachtzinsen von jeweils 20 000 DM als vGA und stellte jeweils die Ausschüttungsbelastung her. Ebenfalls als vGA behandelte es eine im Juni 1999 erfolgte und nicht geklärte Bareinzahlung von 8 000 DM auf das Konto der Klägerin.

Mit ihrer Klage gegen die hiernach ergangenen Steuerbescheide hat die Klägerin außerdem (unter anderem) auch geltend gemacht, in dem den Bescheiden zugrunde liegenden Außenprüfungsbericht seien Zahlungen auf eine (als solche gebuchte) Forderung der Klägerin gegen eine Familie K über 14 985,95 DM (Rechnung vom 14. Juni 1999) fehlerhaft in Höhe von 8 000 DM gegen das Gesellschafterverrechnungskonto und in Höhe von 6 985,95 DM als Erlös gebucht worden. Die Buchungen hätten richtigerweise gegen Forderungen aus Lieferungen und Leistungen gebucht werden müssen.

Die Klage hatte lediglich insoweit Erfolg, als das Finanzgericht (FG) Rheinland-Pfalz die ungeklärte Bareinzahlung aus dem Jahr 1999 zwar nicht als vGA behandelt, den Betrag aber gleichwohl zum Gewinn der Klägerin hinzugerechnet hat. Im Übrigen hat das FG die Klage mit Urteil vom 20. September 2006  1 K 2370/03 abgewiesen.

Die Klägerin beantragt die Zulassung der Revision gegen das Urteil und begründet ihr Begehren mit der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache und mit Verfahrensfehlern des FG.

Das FA beantragt, die Nichtzulassungsbeschwerde als unzulässig zu verwerfen. Seiner Auffassung nach hat die Klägerin die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht substantiiert dargelegt.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist hinsichtlich der Festsetzung der Körperschaftsteuer für 1999 und der angefochtenen Feststellungen auf den 31. Dezember 1999 begründet und führt insoweit gemäß § 116 Abs. 6 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung. Im Übrigen (Streitjahre 1997 und 1998) bleibt das Rechtsmittel ohne Erfolg.

1. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, soweit sie die Körperschaftsteuerfestsetzungen für 1997 und 1998 und soweit sie die angefochtenen Feststellungen auf jeweils den 31. Dezember 1997 und den 31. Dezember 1998 betrifft. Im Hinblick auf diese Streitgegenstände, hinsichtlich derer die Klage ausschließlich auf die Rückgängigmachung der vGA gerichtet ist, die das FA bezüglich der an die GbR zu entrichtenden Pachtzinsen angesetzt hat, hat die Klägerin entgegen § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO das Vorliegen eines Zulassungsgrundes nach § 115 Abs. 2 FGO nicht hinreichend dargelegt.

a) Die für die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO erforderlichen Voraussetzungen können der Beschwerdebegründung im Hinblick auf die vGA nicht entnommen werden.

Hierfür muss der Beschwerdeführer zunächst eine für die Entscheidung des Streitfalls erhebliche abstrakte Rechtsfrage herausstellen. Erforderlich ist des Weiteren ein konkreter und substantiierter Vortrag, aus welchen Gründen im Einzelnen die Klärung durch die angestrebte Revisionsentscheidung aus Gründen der Rechtssicherheit und/oder der Rechtsentwicklung im allgemeinen Interesse liegt (vgl. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 27. Juni 1985 I B 27/85, BFHE 144, 137, BStBl II 1985, 625; vom 31. August 1995 VIII B 21/93, BFHE 178, 379, BStBl II 1995, 890; vom 24. Februar 1999 VIII B 50/98, BFH/NV 1999, 1220). Darüber hinaus sind Darlegungen dazu erforderlich, aus welchen Gründen die Rechtsfrage streitig ist, was wiederum ggf. eine Auseinandersetzung mit den in Rechtsprechung und Literatur zu dieser Frage vertretenen Auffassungen gebietet (BFH-Beschlüsse vom 24. August 2006 XI B 67/06, BFH/NV 2006, 2076; vom 14. Dezember 2006 II B 42/06, juris; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 116 Rz 32).

Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht. Die Klägerin hat darin zwar eine Reihe aus ihrer Sicht vom FG unrichtig behandelter Einzelfragen herausgestellt und als grundsätzlich bedeutsam bezeichnet. Es fehlen jedoch jegliche Ausführungen sowohl zur Bedeutung der Fragen im Hinblick auf die Rechtssicherheit bzw. die Rechtsentwicklung als auch zum Meinungsstand in Literatur und Rechtsprechung.  Die Vorgehensweise der Klägerin, alle Einzelfragen tatsächlicher und rechtlicher Natur, die das FG ihrer Auffassung nach unzutreffend beurteilt hat, aufzulisten und jeweils ohne nähere Darlegungen zu den erforderlichen Voraussetzungen als von grundsätzlicher Natur zu bezeichnen, genügt den Anforderungen an die Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde nicht.

b) Eine Divergenz des angefochtenen Urteils zu anderen Gerichtsentscheidungen, die unter dem Gesichtspunkt der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO eine Revisionszulassung rechtfertigen könnte, hat die Klägerin ebenfalls nicht schlüssig dargetan. Insbesondere ist nicht erkennbar, welchen konkreten Bezug der von ihr wiederholt zitierte Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 12. März 1985  1 BvR 571/81, 494/82, 47/83 (BStBl II 1985, 475) zum Streitfall haben könnte. Der Beschluss behandelt die Frage, inwiefern die für eine Betriebsaufspaltung erforderliche personelle Verflechtung zwischen Besitzunternehmen und Betriebsunternehmen allein darauf gestützt werden kann, dass die hinter den Unternehmen stehenden Personen verheiratet sind. Im Streitfall waren die hinter der GbR als Empfängerin der Pachtzahlungen stehenden X und Y demgegenüber in eigener Person auch Gesellschafter der Klägerin. Soweit die Klägerin in diesem Zusammenhang die Frage aufwirft, ob die 1/3-Beteiligung von M an der Klägerin der Annahme einer beherrschenden Stellung von X und Y entgegenstehe, ist nicht erkennbar, inwiefern dies für die Beurteilung der Pachtzahlungen als vGA von Bedeutung sein könnte. Denn der Tatbestand der vGA setzt eine beherrschende Stellung des empfangenden Gesellschafters nicht voraus (allgemeine Auffassung, vgl. nur Gosch, Körperschaftsteuergesetz, § 8 Rz 212; Schulte in Erle/Sauter, Körperschaftsteuergesetz, 2. Aufl., § 8 Rz 150).

c) Schließlich kann im Hinblick auf die Beurteilung der Pachtzahlungen als (teilweise) vGA anhand des Beschwerdevorbringens auch nicht auf Verfahrensfehler des FG i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO geschlossen werden. Die Klägerin begründet ihre diesbezüglichen Rügen damit, das FG habe entscheidungserhebliche Tatsachen (gesellschaftliche Veranlassung, Fremdvergleich, "Gegenleistungen" der Gesellschafter) nicht bzw. nicht hinreichend geprüft. Da die Klägerin jedoch in Bezug auf die Entscheidungserheblichkeit der jeweiligen Tatsachen nur ihre eigene materielle Rechtsauffassung zugrunde legt, ergibt sich aus ihrem Vortrag nicht, inwiefern die jeweiligen Tatsachen auch vom rechtlichen Standpunkt des FG aus entscheidungserheblich gewesen sind. Nur dann könnten etwaige unzureichende Tatsachenermittlungen aber als verfahrensfehlerhaft angesehen werden (vgl. Senatsurteil vom 7. Juli 1976 I R 218/74, BFHE 119, 274, BStBl II 1976, 621; Senatsbeschluss vom 19. Januar 2007 I B 55/06, BFH/NV 2007, 978; Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz 79, m.w.N.).

2. Begründet ist die Nichtzulassungsbeschwerde hinsichtlich der das Jahr 1999 betreffenden Festsetzung der Körperschaftsteuer und hinsichtlich der angefochtenen Feststellungen auf den 31. Dezember 1999.

Zwar gelten in Bezug auf die Beurteilung der auch für das Streitjahr 1999 vom FG teilweise als vGA beurteilten Pachtzahlungen an die GbR die vorstehenden Ausführungen zu II. 1. gleichermaßen auch für 1999. Die Klägerin rügt aber zu Recht, dass das FG insoweit gegen die aus § 76 Abs. 1 FGO resultierende Sachaufklärungspflicht verstoßen und damit verfahrensfehlerhaft i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO gehandelt hat, als es den Einwand der Klägerin hinsichtlich der Fehlbuchung der Zahlungen über insgesamt 14 985,95 DM auf die der Familie K gestellte Rechnung vom 14. Juni 1999 ohne den Versuch einer Sachverhaltsaufklärung zurückgewiesen hat.

a) Die Klägerin hatte vorgetragen, die Rechnung an die Familie K sei als Forderung und Erlös gebucht worden. Die darauf geleistete Teilzahlung von 8 000 DM sei hingegen auf das Gesellschafterverrechnungskonto (1371) und die weitere Teilzahlung von 6 985,95 DM als Erlös (8400) --mithin nicht gegen die Forderung-- gebucht worden. Als Beleg hierfür hat die Klägerin hinsichtlich der Einzahlungen Kontoauszüge mit Buchungsvermerken vorgelegt. Das FG hat die Klage insoweit mit der Begründung zurückgewiesen, es sei unklar, wie der Geschäftsvorgang bei Rechnungsstellung buchmäßig behandelt wurde, ob der Betrag von 6 985,95 DM tatsächlich als Erlös erfasst und wie das Personenkonto in der Folgezeit behandelt worden sei. Da die Klägerin nicht sämtliche Unterlagen vorgelegt habe, könne nicht geprüft werden, ob tatsächlich ein Buchungsfehler vorliege.

b) Das FG hat den Einwand der Fehlbuchung mithin zwar offenkundig als schlüssig und entscheidungserheblich angesehen, ihn jedoch wegen der unterbliebenen Untermauerung mit weiteren Buchungsunterlagen zurückgewiesen. Damit ist es seiner Sachaufklärungspflicht nicht gerecht geworden. Denn es muss den Sachverhalt grundsätzlich so vollständig wie möglich aufklären (vgl. BFH-Urteil vom 26. April 1988 VII R 124/85, BFHE 153, 463; BFH-Beschluss vom 8. Juni 2004 IX B 128/03, Deutsches Steuerrecht/Entscheidungsdienst 2004, 1187) und hätte zumindest die Klägerin auf die aus seiner Sicht noch fehlenden Unterlagen hinweisen und sie auffordern können und müssen, diese nachzureichen.

Dieser Verfahrensverstoß ist auch erheblich. Denn es ist nicht ausgeschlossen, dass sich im Zuge einer weiteren Sachverhaltsaufklärung das Vorbringen zur Fehlbuchung als zutreffend erweist.

Ob durch das Unterlassen eines Hinweises auf die Erforderlichkeit der Vorlage weiterer Unterlagen auch der Anspruch der Klägerin auf Gewährung rechtlichen Gehörs (§ 96 Abs. 2, § 119 Nr. 3 FGO, Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes) verletzt worden ist, bedarf keiner Entscheidung.

c) Der Rechtsstreit ist somit nach § 116 Abs. 6 FGO unter teilweiser Aufhebung des angefochtenen Urteils zurückzuverweisen. Im Rahmen der weiteren Sachverhaltsermittlung kann dann ggf. auch die von der Klägerin in der Beschwerdebegründung aufgeworfene Frage geprüft werden, ob es sich bei den nach dem Vortrag der Klägerin auf die Rechnung an die Familie K gezahlten 8 000 DM um jene 8 000 DM handelt, die bislang vom FG als nicht erfasste Betriebseinnahmen behandelt worden sind.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1785629

BFH/NV 2007, 1927

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