Entscheidungsstichwort (Thema)

Aussetzung des Verfahrens

 

Leitsatz (NV)

Wegen staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen kommt eine Aussetzung des Verfahrens gemäß § 74 FGO nicht in Betracht.

 

Normenkette

FGO § 74

 

Verfahrensgang

FG Nürnberg

 

Tatbestand

Das Finanzgericht (FG) bestimmte in Sachen Körperschaftsteuer 1980 bis 1983 am 21. Januar 1993 bzw. 3. Februar 1993 Termin zur mündlichen Verhandlung und Beweisaufnahme auf Dienstag, den 16. Februar 1993, 14 Uhr. Mit Schriftsatz vom 4. Februar 1993 beantragte die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) Absetzung des Termins "bis zur Klärung der wegen der vorliegenden Sache laufenden strafrechtlichen Ermittlungen gegen Finanz beamte, um den Erfolg dieses Strafverfahrens nicht zu gefährden". Dem Prozeßbevollmächtigten der Klägerin sei auch eine Aufarbeitung der Materie wegen einer vom Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt -- FA --) gezielt bewirkten Arbeitsüberlassung nicht möglich. Dieser Antrag wurde mit Schreiben des Vorsitzenden des Senats des FG vom 9. Februar 1993 abgelehnt.

Am 16. Februar 1993 fand die mündliche Verhandlung und die Beweisaufnahme statt, zu der für die Klägerin niemand erschien. Das Urteil in Sachen Körperschaft steuer 1980 und 1981 wurde am selben Tag verkündet. Im übrigen erging Beschluß, die Entscheidungen den Beteiligten zuzustellen.

Mit Schriftsatz vom 9. März 1993 beantragte die Klägerin "erneut", das Verfahren auszusetzen, weil "das höherwertige Rechtsgut die mögliche Strafverfolgung von Mitarbeitern des FA ist und für den Erfolg der Strafverfolgung relevante Aspekte nicht vorzeitig im FG-Verfahren zugunsten einer dann gegebenen weiteren Vertuschungsmöglichkeit zu offenbaren" seien.

Das FG lehnte den Antrag auf Aussetzung "der Verhandlung" ab. Die entsprechenden Beschlüsse wurden dem Prozeßbevollmächtigten der Klägerin am 26. März 1993 durch Niederlegung zugestellt. Hiergegen legte die Klägerin mit Schriftsätzen vom 7. April 1993, eingegangen beim FG am 13. April 1993, jeweils Beschwerde ein und beantragt, das FG zu verpflichten, die Verhandlung wieder aufzunehmen.

 

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerden werden gemäß § 121 i. V. m. § 73 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zu gemeinsamer Entscheidung verbunden.

2. Die Beschwerden sind unbegründet.

a) Die Beschwerden sind nicht deswegen unzulässig geworden, weil die Urteile durch Verkündung und Zustellung am 26. März 1993 mittlerweile wirksam geworden sind (vgl. Beschluß des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 18. September 1992 III B 43/92, BFHE 169, 110, BStBl II 1993, 123).

b) Der Senat versteht den Antrag der Klägerin im Beschwerdeverfahren, "die Verhandlung wieder aufzunehmen", sinngemäß dahin, daß das FG verpflichtet werden soll, die Klageverfahren gemäß § 74 FGO auszusetzen.

Würde man den Antrag der Klägerin wörtlich nehmen, so würde sie dem Grunde nach einen Wiedereintritt in die mündliche Verhandlung begehren. Eine so verstandene Beschwerde wäre jedoch unzulässig, da die Klägerin im Schriftsatz vom 9. März 1993 keinen Antrag auf Wieder eröffnung der mündlichen Verhandlung gestellt hat und daher Gegenstand des hier angefochtenen Beschlusses des FG vom 10. März 1993 nicht ein Antrag auf Wiedereröffnung des Verfahrens war. Auch die Ankündigung eines Schriftsatzes im Schreiben vom 18. Februar 1993 kann seinem objektiven Sinngehalt nach nicht als Antrag auf Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung verstanden werden. Dementsprechend ist Gegenstand der mit der Beschwerde angegriffenen Beschlüsse entsprechend dem Antrag der Klägerin vom 9. März 1993 die Aussetzung des Verfahrens, wie insbesondere auch der Bezugnahme auf § 74 FGO im jeweiligen Beschluß zu entnehmen ist. Aus der Begründung der Beschlüsse ist auch mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen, daß die Formulierung im Tenor der Entscheidungen "der Antrag auf Aussetzung der Verhandlung wird abgelehnt" auf einem offensichtlichen Wortirrtum beruht.

c) Die Beschwerden sind abzuweisen, da staatsanwaltschaftliche Ermittlungen, auf die die Klägerin ihren Antrag auf Aussetzung des Verfahrens stützt, die Voraussetzungen des § 74 FGO nicht erfüllen und daher das FG die Verfahren nicht aussetzen durfte. Nach § 74 FGO kommt eine Aussetzung des Verfahrens nur in Betracht, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet oder von einer Verwaltungsbehörde festzustellen ist. Danach muß der Rechtsstreit bei einem Gericht anhängig sein (vgl. Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl., § 74 Rdnr. 5; Tipke/Kruse, Abgabenordnung -- Finanzgerichtsordnung, § 74 FGO Tz. 2). Staatsanwaltschaftliche Ermittlungen begründen keine Rechtshängigkeit. Auch haben sie keinen irgendwie gearteten rechtlichen Einfluß (vgl. BFH-Urteil vom 18. Juli 1990 I R 12/90, BFHE 161, 409, BStBl II 1990, 986) auf das finanzgerichtliche Verfahren, in dem selbständige Ermittlungspflichten bestehen (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO).

 

Fundstellen

Haufe-Index 419894

BFH/NV 1995, 40

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