Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur Zulässigkeit der Revision; Beschwer und Rechtsschutzbedürfnis

 

Leitsatz (NV)

1. Für die Zulässigkeit einer Revision reicht die formelle Beschwer des Rechtsmittelführers aus. Diese ist bereits gegeben, wenn die angefochtene Entscheidung hinter dem in der unteren Instanz erhobenen Begehren zurückgeblieben ist.

2. Das Rechtsschutzbedürfnis des Rechtsmittelführers ist dann zu bejahen, wenn nur die Revision ihm die Möglichkeit verschafft, eine Erklärung über die Erledigung der Hauptsache abzugeben und damit eine von der Vorinstanz abweichende Kostenentscheidung herbeizuführen.

 

Normenkette

FGO §§ 115, 138, 145 Abs. 1

 

Verfahrensgang

FG Hamburg

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten war streitig, ob im voraus entrichtete Erbbauzinsen als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abziehbar sind.

Das Finanzgericht (FG) hat die Klage abgewiesen und auf die Beschwerde hin die Revision zugelassen. Nach Zulassung der Revision änderte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) am 8. Juni 1990 den angefochtenen Einkommensteuerbescheid 1984 antragsgemäß nach § 172 Abs. 1 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) und setzte für das Streitjahr die Einkommensteuer auf Null DM herab.

Am 29. Juni 1990 legten die Kläger und Revisionskläger (Kläger) Revision ein, erklärten den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt und beantragten, die Kosten des gesamten Verfahrens dem FA aufzuerlegen. Die Revision hätten sie deshalb eingelegt, weil sie gehindert gewesen seien, einen erstinstanzlichen Kostenantrag nach Erledigung zu stellen (vgl. Entscheidung des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 29. Juli 1976 V B 10/76, BFHE 119, 380, BStBl II 1976, 684).

Das FA erklärte den Rechtsstreit in der Hauptsache ebenfalls für erledigt. Die Kosten des Revisionsverfahrens seien jedoch den Klägern aufzuerlegen, da keine Veranlassung bestanden habe, Revision nach Erlaß des Änderungsbescheides einzulegen.

 

Entscheidungsgründe

Die Beteiligten haben übereinstimmend den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt. Der Rechtsstreit ist damit in der Hauptsache erledigt, das angefochtene Urteil ist gegenstandslos geworden.

Erledigungserklärungen können grundsätzlich auch noch in der Rechtsmittelinstanz wirksam abgegeben werden (Gräber / Ruban, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl., § 138 Anm. 2; Tipke / Kruse, Abgabenordnung - Finanzgerichtsordnung, Kommentar, 13. Aufl., § 138 FGO Tz. 21). Voraussetzung hierfür ist allerdings, daß das Rechtsmittel - wie im Streitfall die Revision - statthaft und zulässig ist.

Für die Zulässigkeit der Revision reicht die formelle Beschwer des Rechtsmittelführers aus. Diese ist bereits gegeben, wenn die angefochtene Entscheidung hinter dem in der unteren Instanz erhobenen Begehren zurückgeblieben ist (Gräber/Ruban, a.a.O., Vor § 115 Anm. 13). Da das FG die von den Klägern beantragte Änderung des angefochtenen Einkommensteuerbescheids abgelehnt hat, sind die Kläger formell beschwert. Ob sie trotz des Erlasses des geänderten Steuerbescheids noch materiell beschwert sind, kann dahingestellt bleiben.

Die Zulässigkeit der Revision scheitert auch nicht am Fehlen eines besonderen Rechtsschutzbedürfnisses. Das Rechtsschutzbedürfnis der Kläger ergibt sich daraus, daß nur die Revision ihnen die Möglichkeit verschafft, die Erklärung über die Erledigung der Hauptsache abzugeben. Im Interesse der Wahrung des Rechtsschutzes war den Klägern diese Möglichkeit zu gewährleisten, damit sie nicht dadurch, daß das FA den angefochtenen Steuerbescheid erst nach Ergehen der Vorentscheidung geändert hat, Rechtsnachteile erleiden.

Da die Hauptsache erledigt ist, hat der Senat nur noch über die Kosten zu entscheiden. Die Kosten des gesamten Verfahrens waren gemäß § 138 Abs. 2 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung dem FA aufzuerlegen, da es dem Antrag der Kläger durch Änderung des angefochtenen Steuerbescheids entsprochen hat.

 

Fundstellen

Haufe-Index 417502

BFH/NV 1991, 611

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