Leitsatz (amtlich)

Geht der Streit im Verfahren der einheitlichen Gewinnfeststellung um die ersatzlose Aufhebung des Feststellungsbescheides, so ist der Streitwert mit 25 v. H. des in dem angegriffenen Bescheid festgestellten Gesamtgewinns zu bemessen.

 

Normenkette

FGO § 140 Abs. 3

 

Tatbestand

Im Hauptverfahren war streitig, ob zwischen den Klägern und Beschwerdeführern (Beschwerdeführer) eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts bestanden hat. Der Bescheid, mit dem der Beklagte und Beschwerdegegner (FA) den Gewinn des Streitjahres 1959 auf 26 495 DM festgestellt und den beiden Beschwerdeführern je zur Hälfte zugerechnet hatte, wurde durch rechtskräftiges Urteil des FG ersatzlos aufgehoben. Das FG setzte den Wert des Streitgegenstandes auf 500 DM fest und führte zur Begründung an, der Streitwert sei nach dem Urteil des BFH vom 21. Oktober 1966 IV 90/64 (BFHE 87, 551, BStBl III 1967, 433) frei zu schätzen, da nur streitig gewesen sei, ob ein Unternehmen von einer Gesellschaft oder von einem Alleinunternehmer geführt worden sei.

Zur Begründung der Beschwerde gegen die Streitwertfestsetzung wird u. a. vorgebracht: Das grundsätzliche Abstellen auf die einkommensteuerlichen Auswirkungen werde nicht allen Fallgestaltungen gerecht. Auch das wirtschaftliche und sonstige Interesse des Klägers am Rechtsbehelf sei zu berücksichtigen. Erhebe ein Kläger die Rüge, durch den Feststellungsbescheid wegen fehlender Verfahrensvoraussetzungen in seinen Rechten verletzt zu sein, so begehre er damit, daß die im Feststellungsbescheid enthaltenen Einkünfte zunächst in Wegfall kämen. Da der Streitgegenstand dieser Rüge umfassender sei als der bei einem Antrag, trotz vorhandener Verfahrensvoraussetzungen keine Einkünfte festzustellen, müsse auch der Streitwert höher sein. Es sei angemessen, in einem solchen Fall von dem üblichen Hundertsatz der in dem Feststellungsbescheid festgestellten positiven Einkünfte auszugehen, darüber hinaus aber für das den Klägern aufgezwungene Verfahren noch einen Zuschlag, und zwar in Anlehnung an § 14 GKG in Höhe von 500 DM, zu machen. - Das Verhältnis der für das Klageverfahren auf Grund einer Honorarvereinbarung tatsächlich aufgewendeten Gebühren zu den gesetzlichen Gebühren betrage bei dem vom FG angenommenen Streitwert von 500 DM mehr als das elffache, bei Zugrundelegung eines Streitwertes von 6 623 DM (25 v. H. des in dem aufgehobenen Bescheid festgestellten Gewinns von 26 495 DM) annähernd das dreifache.

Die Beschwerdeführer beantragen, den Streitwert auf 6 623 DM heraufzusetzen.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde führt zu der beantragten Heraufsetzung des Streitwerts für das Klageverfahren auf 6 623 DM.

1. Wie der BFH bereits in dem Urteil vom 9. Oktober 1956 I 207/55 U (BFHE 63, 484, BStBl III 1956, 382) herausgestellt hat, wird nach der ständigen Übung der Rechtsprechung und der Verwaltung im Verfahren der einheitlichen Gewinnfeststellung der Streitwert im allgemeinen in Höhe eines bestimmten Vomhundertsatzes des zwischen den Beteiligten streitigen Gewinnbetrages bemessen. Damit wird der Forderung Rechnung getragen, schwierige Einzelberechnungen der tatsächlichen einkommensteuerlichen Auswirkungen, die ohne Beiziehung der Einkommensteuerakten der Gesellschafter und oft nicht ohne Verletzung des Steuergeheimnisses anzustellen wären, grundsätzlich auszuschließen. Daran hat die Rechtsprechung festgehalten (vgl. z. B. BFH-Urteil vom 16. Februar 1960 I 10/58 S. BFHE 70, 388, 394, BStBl III 1960, 145), und zwar auch für die Fälle, bei denen der Streitwert für die Frage der Zulässigkeit des Rechtsbehelfs zu ermitteln ist (BFH-Urteil vom 17. Oktober 1961 I 268/60 U, BFHE 74, 108, BStBl III 1962, 41).

2. Von dem BFH-Urteil vom 21. Oktober 1966 IV 90/64, auf das sich der angefochtene FG-Beschluß wegen der Begründung einer freien Schätzung des Streitwertes bezieht, war der angerufene Senat bereits im Urteil vom 12. März 1970 IV 4/64 (BFHE 99, 11, BStBl II 1970, 547) abgerückt, in dem er sich dem VI. Senat (Beschluß vom 30. Juni 1967 VI B 49/66, BFHE 89, 328, BStBl III 1967, 612) insoweit anschloß, als auch in den Fällen, bei denen bereits im Feststellungsverfahren abzusehen ist, daß sich keinerlei einkommensteuerliche Auswirkungen ergeben werden, der Streitwert auf einen bestimmten Vomhundertsatz des streitigen Gewinn- bzw. Überschußbetrages festzusetzen ist. Nur eine von der Höhe des streitigen Gewinnbetrages abhängige Streitwertbemessung kann auch in diesen Fällen im Gegensatz zu einer freien Schätzung des Streitwerts dazu führen, daß sowohl das Kostenrisiko eines beabsichtigten Steuerprozesses als auch die Zulässigkeit einer vom Streitwert abhängigen Revision überschaubar bleiben.

3. Während bei einem Rechtsstreit im Verfahren der einheitlichen Gewinnfeststellung um die Höhe des Gewinns die einkommensteuerlichen Auswirkungen zu berücksichtigen sind, soweit schon im Verfahren der einheitlichen Gewinnfeststellungsverfahren erkennbare, für die Höhe der Einkommensteuer bedeutsame Umstände vorliegen (siehe dazu im einzelnen das BFH-Urteil IV 4/64), kann es darauf bei einem Rechtsstreit, der mit dem Ziel einer ersatzlosen Aufhebung des einheitlichen Gewinnfeststellungsbescheides geführt wird, nicht ankommen. Der BFH hat bereits in dem Urteil vom 14. Juli 1966 IV 46/64 (BFHE 86, 564, BStBl III 1966, 609) ausgeführt, daß bei einem Streit um die verfahrensrechtliche Zulässigkeit einer einheitlichen Feststellung der Einkünfte im Sinne des § 215 Abs. 2 AO ein Streit um die steuerliche Grundordnung vorliege. Sei diese Grundordnung verletzt, so seien die Steuerpflichtigen allein dadurch beschwert, ohne daß es darauf ankomme, ob und in welcher Weise sich eine Aufhebung der angegriffenen Feststellungsbescheide auf ihre Einkommensteuerveranlagung auswirke. Ist aber eine Beschwer auch dann gegeben, wenn keine einkommensteuerlichen Auswirkungen zu erwarten sind, so muß das auch bei der Bemessung des Streitwerts Beachtung finden. Wer geltend macht, durch den Verwaltungsakt "einheitlicher Gewinnfeststellungsbescheid" in seinen Rechten verletzt zu sein (§ 40 Abs. 2 FGO) und die ersatzlose Aufhebung des Bescheides erstrebt, fühlt sich durch den einheitlichen Gewinnfeststellungsbescheid als ganzen belastet, wobei für die Bemessung des diese Beschwer erfassenden Streitwerts nur die Höhe des gesamten Gewinns von Gewichtigkeit sein kann. Es würde den Grundsätzen der Streitwertfestsetzung bei Verfahren der einheitlichen Gewinnfeststellung widersprechen, wollte man darauf abstellen, ob und in welchem Ausmaß bei einem Wegfall des einheitlichen Gewinnfeststellungsbescheides die entsprechenden Einkünfte bei den einzelnen Einkommensteuerpflichtigen zu erfassen wären und eine Einkommensteuerbelastung auslösen würden. Können somit in diesem Fall einkommensteuerliche Auswirkungen, die im Verfahren der einheitlichen Gewinnfeststellung bereits erkennbar wären, keine Berücksichtigung finden, muß es bei dem üblichen Pauschsatz von 25 v. H. des Gesamtgewinns verbleiben.

4. Wenn die Beschwerdeführer meinen, daß bei einem Streit um die Verfahrensvoraussetzungen eines einheitlichen Feststellungsbescheides der Streitwert höher bemessen werden müsse als bei einem Streit mit dem Ziel, trotz vorhandener Verfahrensvoraussetzungen den Gewinn auf 0 festzustellen, und deshalb im ersten Fall noch ein Zuschlag für das den Rechtsbehelfsführern aufgezwungene Verfahren angemessen sei, so vermag diese Auffassung nicht zu überzeugen. Bei einem Streit um die Gewinnhöhe wird im Verfahren der einheitlichen Gewinnfeststellung bereits unmittelbar und endgültig über die Besteuerungsgrundlagen für die Einzelveranlagungen entschieden, während der mit dem Ziel der ersatzlosen Aufhebung des einheitlichen Gewinnfeststellungsbescheides geführte Streit im Erfolgsfalle noch völlig offenläßt, wem Einkünfte zuzurechnen sind. In diesen Fällen wird gerade die Belastung durch den einheitlichen Gewinnfeststellungsbescheid und das den Rechtsbehelfsführern aufgezwungene Verfahren mit dem auf 25 v. H. des Gesamtgewinns bemessenen Streitwert erfaßt, so daß ein besonderer Zuschlag nicht gerechtfertigt ist.

5. Die Beschwerde muß danach Erfolg haben. Der Streitwert ist für das Klageverfahren auf 25 v. H. des in dem angefochtenen und ersatzlos aufgehobenen einheitlichen Gewinnfeststellungsbescheid festgestellten Gesamtgewinns von 26 495 DM, also auf 6 623 DM, festzusetzen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 71581

BStBl II 1976, 22

BFHE 1976, 530

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