Entscheidungsstichwort (Thema)

Entschädigungsleistung bei Ablösung einer Versorgungsleistung durch eine Kapitalabfindung

 

Leitsatz (NV)

Zur Annahme einer Entschädigungsleistung i. S. von § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG, wenn zugesagte Versorgungsleistungen vertragsgemäß wegen hoher Verluste gekündigt und durch eine -- möglicherweise rückversicherte -- Kapitalabfindung abgelöst werden und damit der aus der Versorgungszusage Berechtigte, der beherrschenden Einfluß auf den Verpflichteten hat, seine Beteiligung verkaufen kann.

 

Normenkette

FGO § 69; EStG § 24 Nr. 1 Buchst. a

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Ablösung von Versorgungsansprüchen gemäß § 34 Abs. 2 Nr. 2 i. V. m. § 24 Nr. 1 Buchst. a des Einkommensteuergesetzes (EStG) einem ermäßigten Steuersatz unterliegt.

Der Antragsteller und Beschwerdeführer (Antragsteller) ist freiberuflich tätig und wurde im Streitjahr (1990) zusammen mit seiner Ehefrau zur Einkommensteuer veranlagt. Er und B waren bis zum 1. Oktober 1990 alleinige Gesellschafter und Geschäftsführer der Firma X-GmbH (GmbH). An der GmbH waren der Antragsteller zuletzt mit ... DM und B zuletzt mit ... DM beteiligt. § 7 Satz 3 der Satzung sah für Beschlüsse der Gesellschafterversammlung Einstimmigkeit vor, solange der Antragsteller Gesellschafter der GmbH war. Der Antragsteller war auch Geschäftsführer der GmbH.

Die Steuerbilanzen der GmbH wiesen Verluste aus (1987: ./. ... DM; 1988: ./. ... DM; 1989: ./. ... DM; 1990: ./. ... DM).

Seit ... bezog der Antragsteller von der GmbH Rentenzahlungen. Grundlage der Zahlungen war ein Vertrag betreffend die Altersversorgung der GmbH vom ... Nach dieser Vereinbarung hatte sich die GmbH das Recht vorbehalten, die zugesagten Versorgungsleistungen zu kürzen oder einzustellen, wenn sich ihre wirtschaftliche Lage so nachhaltig verschlechtert habe, daß ihr nicht zugemutet werden könne, die zugesagten Leistungen aufrecht zu erhalten. Das galt insbesondere dann, wenn die Ertragsteuerbilanz in zwei aufeinanderfolgenden Jahren mit Verlust abschließt.

Im Streitjahr betrug die monatliche Rente des Antragstellers ... DM. Die GmbH hatte für diese und ähnliche Versorgungsverpflichtungen in der Bilanz zum ... 1990 einen Betrag von ... DM zurückgestellt. Davon entfielen ... DM auf den Antragsteller, der Rest auf B und verschiedene Arbeitnehmer.

Durch notariell beurkundeten Vertrag vom ... 1990 veräußerten der Antragsteller und B ihre Anteile an der GmbH für ... DM an die Y-KG. Der Antragsteller und B sicherten bei dem Verkauf zu, daß sämtliche Pensionsverpflichtungen der GmbH bis zum ... 1990 aufgehoben würden. Zur Ablösung der Verpflichtungen sollte die GmbH den Berechtigten einen Betrag bis zur Höhe des Rückstellungsbetrages Zug um Zug gegen entsprechende Verzichtserklärungen auszahlen. Die Erwerberin sollte für die entsprechende Liquidität der GmbH sorgen.

Schon vorher hatten die GmbH und der Antragsteller die im Schreiben der GmbH vom ... 1990 an den Antragsteller niedergelegte Abfindungsvereinbarung getroffen. Darin hatte die GmbH die Altersversorgung des Antragstellers gekündigt und für die Anwartschaft eine einmalige Abstandssumme von ... DM angeboten. Der Antragsteller hatte die Kündigung unter dem Vorbehalt der Zahlung der genannten Entschädigungssumme akzeptiert. Ausweislich eines Schreibens vom ... 1990 hatte der Antragsteller ... DM zuzüglich Mehrwertsteuer, also insgesamt ... DM, erhalten.

In der Einkommensteuererklärung 1990 machte der Antragsteller geltend, ein Abfindungsbetrag in Höhe von ... DM sei gemäß §§ 34, 24 EStG ermäßigt zu besteuern. In dem unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Steuerbescheid 1990 lehnte der Antragsgegner und Beschwerdegegner (das Finanzamt -- FA --) dies ab. Nach erfolglos gebliebenem Einspruch haben die Antragsteller Klage erhoben, über die das Finanzgericht (FG) noch nicht entschieden hat.

Im Verfahren wegen Aussetzung der Vollziehung trug der Antragsteller vor, bei der Ablösung seiner Pensionsansprüche habe er unter erheblichem wirtschaftlichen Zwang gehandelt. Aufgrund der erlittenen Verluste habe die Zahlungsunfähigkeit der GmbH unmittelbar bevorgestanden. Er habe daher nur das Angebot der GmbH auf Einmalzahlung annehmen können oder mit der Ablehnung und dem deswegen erfolgenden Scheitern der Übernahme der GmbH-Anteile durch die Y-KG den völligen Verlust seiner Pensionsansprüche riskiert. Zum damaligen Zeitpunkt habe die GmbH über keine stillen Reserven verfügt, die ohne eine Veräußerung des gesamten Unternehmens zur Verbesserung der Liquidität hätten verwandt werden können. Auch aufgrund seiner Stellung als Gesellschafter-Geschäftsführer habe er den Verlust seiner Pensionsansprüche nicht verhindern können.

Den nach Klageerhebung geänderten Einkommensteuerbescheid 1990 vom 23. Januar 1995 -- das FA geht nunmehr von einem im Streitjahr zu erfassenden Abfindungsbetrag von ... DM aus -- haben die Antragsteller zum Gegenstand des Verfahrens erklärt.

Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung hatte keinen Erfolg. Das FG verneinte ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides. Nach der hier gebotenen überschlägigen Würdigung der Sach- und Rechtslage sei die Zahlung der GmbH als Erfüllungsleistung zu beurteilen. Bei unbefangener Auslegung sei das Schreiben der GmbH vom ... 1990 als Vergleich i. S. von § 779 des Bürgerlichen Gesetzbuches anzusehen, der die bisherige Rechtsgrundlage für Versorgungszahlungen an den Antragsteller als grundsätzlich fortbestehend anerkenne und deshalb kein Rechtsverhältnis neu begründe. Die GmbH habe einerseits die Kündigung der Versorgungsleistungen ausgesprochen und andererseits eine Abfindung für den Zahlungsausfall angeboten, mit der sich der Antragsteller als Voraussetzung für sein Einverständnis mit der Kündigung zufriedengegeben habe. Nach § ... des Versorgungsvertrages habe der GmbH nur ein vorübergehendes Leistungsverweigerungsrecht zugestanden. Auch sei der Versorgungsanspruch des Antragstellers bei den Verkaufsverhandlungen als grundsätzlich fortbestehend behandelt worden. Zudem habe der Antragsteller in seiner schriftlichen Bestätigung vom ... 1990 erklärt, seine Pensionsansprüche seien in vollem Umfang abgegolten.

Abgesehen davon, daß eine neue Rechtsgrundlage für die Entschädigungszahlung fehle, sei auch nicht ersichtlich, daß der Antragsteller einem erheblichen Druck rechtlicher, wirtschaftlicher oder tatsäch licher Natur ausgesetzt gewesen sei. Die Veräußerung der Geschäftsanteile sei eine freie unternehmerische Entscheidung gewesen. Der Antragsteller und B hätten gleichgerichtete Interessen gehabt. Daß die Erwerberin keinerlei Versorgungsverpflichtungen habe übernehmen wollen, liege im Rahmen durchaus üblicher Vereinbarungen bei einem Unternehmenskauf. Die Rettung der angeblich stark gefährdeten Versorgungsansprüche erscheine als Notwendigkeit wirtschaftlich vernünftigen Verhaltens. Das reiche nicht aus, um eine Entschädigung anzunehmen.

Hiergegen richtet sich die vom FG zugelassene Beschwerde der Antragsteller.

Sie beantragen, die Vollziehung des Einkommensteuerbescheides 1990 vom 23. Januar 1995 in Höhe von ... DM zuzüglich der auf diese Summe entfallenden Säumniszuschläge und Nachzahlungszinsen auszusetzen.

Das FA beantragt, die Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen.

Es führt u. a. aus, für eine bloße Modifikation des ursprünglichen Erfüllungsanspruchs spreche, daß der gezahlte Betrag über dem Kapitalwert des Rentenstammrechts liege.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde ist begründet.

Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die Vollziehung ganz oder teilweise dann aussetzen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen. Ernstliche Zweifel sind anzunehmen, wenn neben den für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige gegen sie sprechende Gesichtspunkte zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung von Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung von Tatfragen auslösen (ständige Rechtsprechung seit dem Beschluß des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 10. Februar 1967 III B 9/66, BFHE 87, 447, BStBl III 1967, 182, ständige Rechtsprechung). Im Streitfall bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides sowohl in rechtlicher als auch in tatsächlicher Hinsicht.

Eine Entschädigungsleistung als Ersatz für entgehende Einnahmen i. S. von § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG, die vorliegend allein in Betracht kommt, läßt sich nicht annehmen, sofern lediglich die vereinbarte Leistung erbracht wird, wenn möglicherweise auch nur teilweise oder unter anderen Modalitäten. Vielmehr muß es sich um eine abweichende Leistung handeln, die dann auch auf einer neuen Rechtsgrundlage beruht (vgl. nur BFH-Urteil vom 14. Juli 1993 I R 84/92, BFH/NV 1994, 23).

Im Streitfall bezog der Antragsteller Versorgungsleistungen. Die an ihrer Stelle vereinbarte Kapitalabfindung stellte eine andersartige Leistung dar und beruhte auf einer neuen Rechtsgrundlage (vgl. BFH- Urteil vom 9. Juli 1992 XI R 5/91, BFHE 168, 338, BStBl II 1993, 27, m. w. N.; vom 28. Juli 1993 XI R 4/93, BFH/NV 1994, 165). Es handelte sich nicht um die Kürzung von Rentenleistungen, wie sie im Versorgungsvertrag für den Fall wirtschaftlicher Bedrängnis der GmbH vorgesehen war.

Allerdings hat der Antragsteller an der Ablösung seines Rentenanspruchs mitgewirkt und dadurch das schadensstiftende Ereignis mit herbeigeführt. Geschieht dies freiwillig, kann von einem Ersatz für entgehende Leistungen nicht gesprochen werden. Anders verhält es sich jedoch, wenn der Steuerpflichtige seine bisherigen Rechte unter erheblichem wirtschaftlichen, rechtlichen oder tatsächlichen Druck aufgegeben hat (ständige Rechtsprechung, vgl. nur BFH in BFHE 168, 338, BStBl II 1993, 27, m. w. N.). Ob das eine oder das andere vorliegt, muß nach den Gegebenheiten des jeweiligen Falles entschieden werden.

Vorliegend sind die Versorgungsleistungen abgelöst worden, weil der Antragsteller und B ihre Anteile an der GmbH veräußern wollten und der Erwerber auf der Befreiung der GmbH von den Pensionsverbindlichkeiten bestand. Da die Veräußerung in der freien Entscheidung des Antragstellers lag, hätte er auch die dadurch bedingte Ablösung der Rentenansprüche freiwillig herbeigeführt, so daß nicht von Entschädigungsleistungen gesprochen werden könnte (BFH in BFH/NV 1994, 165). Hierauf kann auch keinen Einfluß haben, daß der Antragsteller seinen Anteil möglicherweise veräußert hat, um seine Einbuße durch den wirtschaftlichen Niedergang der GmbH zu vermeiden. Ebenso wäre unerheblich, daß die GmbH die Versorgungszusage gekündigt hat, da der Antragsteller beherrschenden Einfluß auf die GmbH ausübte. Andererseits kann nicht ausgeschlossen werden, daß der Antragsteller damit rechnen mußte, in Zukunft seine Versorgungsleistungen nicht mehr zu erhalten und daß er aus dieser Zwangslage heraus der Abfindung seiner Ansprüche durch eine Einmalzahlung zugestimmt hat.

Eine Abfindung von Versorgungsansprüchen im Hinblick auf wirtschaftliche Schwierigkeiten des Verpflichteten ist allerdings ungewöhnlich, weil dieser i. d. R. die Ablösesumme nicht wird aufbringen können. Das FG wird daher klären müssen, ob der Antragsteller sich in der behaupteten Zwangslage befand, ob die Versorgungsleistungen nicht auch aus der von der GmbH abgeschlossenen Rückdeckungsversicherung erbracht werden konnten und ob der Verzicht in Wahrheit zu einer Erhöhung des Kaufpreises für die GmbH-Anteile führen sollte. Hierzu lassen sich gegenwärtig weder in tatsächlicher noch in rechtlicher Hinsicht abschließende Feststellungen treffen. Insoweit bestehen aber ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Steuerfestsetzung, so daß die Aussetzung der Vollziehung geboten ist.

 

Fundstellen

Haufe-Index 421353

BFH/NV 1996, 737

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