Leitsatz (amtlich)

1. Erklärt ein Beteiligter, der fristgemäß Revision eingelegt hat, daß er diese nur als unselbständige Anschließung an die Revision seines Gegners aufrechterhalte, so liegt darin die Rücknahme seiner Hauptrevision und die gleichzeitige Einlegung einer Anschlußrevision.

2. Nimmt danach auch der andere Beteiligte seine Revision zurück, so fallen die Kosten des Revisionsverfahrens den Beteiligten nach dem Verhältnis der Gegenstandswerte ihrer Rechtsmittel zur Last.

 

Normenkette

FGO §§ 125, 136 Abs. 1 S. 1, Abs. 2, § 155; ZPO § 556 Abs. 2, § 522

 

Tatbestand

Gegen das Urteil des FG legten beide Beteiligte fristgerecht Revision ein.

In der Revisionsschrift des Beklagten und ebenso in seiner Revisionsbegründung waren die Unterschriften nicht handschriftlich vollzogen, sondern lediglich in Maschinenschrift wiedergegeben und mit dem Beglaubigungsvermerk einer Angestellten versehen. Auf die deswegen bestehenden Bedenken gegen die Zulässigkeit des Rechtsmittels hingewiesen, bat der Beklagte in seinem nunmehr handschriftlich unterzeichneten Schriftsatz vom 12. Dezember 1969, die von ihm eingelegte Revision nicht als selbständige Revision, sondern als Anschlußrevision zu behandeln. Um die Zweifel an der Formgerechtheit seiner Revisionsschrift zu beheben, lege er hiermit nochmals Anschlußrevision ein.

Durch Schreiben vom 12. August 1971 nahm die Klägerin ihre Revision zurück. Sie beantragt, die Kosten des Verfahrens den Parteien je zur Hälfte aufzuerlegen.

Der Beklagte erklärte, daß er in dieser Sache gebeten habe, seine Revision im Hinblick auf ihre Form als unselbständige Anschlußrevision zu behandeln; im Hinblick hierauf sei seine Revision durch die Rücknahme des Rechtsmittels des Steuerpflichtigen hinfällig geworden.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Infolge der Rücknahme der Revision seitens der Klägerin ist nur noch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden.

Allerdings hatte im Streitfall neben der Klägerin auch der Beklagte Revision eingelegt. Jedoch will dieser sein ursprünglich selbständig eingelegtes Rechtsmittel, wie sich aus seinen Schriftsätzen vom 12. Dezember 1969 und 29. Oktober 1971 ergibt, nur als eine unselbständige Anschließung an die Revision der Klägerin aufrechterhalten wissen. Das ist dahin zu verstehen, daß der Beklagte seine Revision, soweit sie selbständig war, ebenfalls zurückgenommen hat. Seine sonach verbleibende Anschließung an die Revision der Klägerin hat hingegen ihre Wirkung durch die Rücknahme dieses Rechtsmittels durch den Prozeßgegner verloren (§ 155 FGO in Verbindung mit §§ 556 Abs. 2, 522 ZPO).

Über die Kosten des Revisionsverfahrens ist, nachdem die Klägerin durch ihren Antrag zu erkennen gegeben hat, daß sie Kostenerstattung beantragen wolle, gemäß § 144 FGO von Amts wegen und ohne Bindung an die Anträge der Beteiligten zu entscheiden (vgl. BFH-Beschluß VI R 107/66 vom 20. September 1966, BFH 86, 811, BStBl III 1966, 680, und BFH-Urteil IV 424/62 vom 23. Juni 1966, BFH 86, 561, BStBl III 1966, 594). Für die Verteilung der Kostenlast ist dabei entsprechend der Vorschrift des § 136 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 FGO das Verhältnis maßgebend, in dem die Gegenstandswerte der Revisionen von Klägerin und Beklagtem zueinander stehen.

Diese Aufteilung der Kostenlast steht nicht in Widerspruch zu dem BFH-Beschluß VII R 108/68 vom 19. Juni 1969 (BFH 96, 226, BStBl II 1969, 593). Dort hatte der erkennende Senat in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BGH entschieden, daß dem Revisionskläger, der seine Revision zurücknimmt, mit den Kosten der Revision auch die Kosten einer zulässigen unselbständigen Anschlußrevision aufzuerlegen seien.

Der Streitfall ist nämlich insofern besonders gelagert, als der Beklagte sich nicht lediglich der Revision der Klägerin angeschlossen, sondern ursprünglich innerhalb der Rechtsmittelfrist selbständig Revision eingelegt hatte. Erst später ist er wegen Zweifeln an der Zulässigkeit dieser Revision zur unselbständigen Znschlußrevision übergegangen und dies ist, wie bereits zuvor dargelegt, dahin zu deuten, daß er seine selbständige Revision zurückgenommen hat. Die durch die Revision des Beklagten veranlaßten Kosten sind aus diesem Grunde nicht durch seine Anschließung an das Rechtsmittel des Prozeßgegners, sondern unabhängig davon bereits durch die Einlegung seiner selbständigen Revision verursacht worden. Nach dem Grundsatz des § 136 Abs. 2 FGO, wonach derjenige, welcher einen Rechtsbehelf zurücknimmt, die Kosten dieses Rechtsbehelfs zu tragen hat, treffen deshalb die Kosten des Revisionsverfahrens, soweit sie durch die Revision des Beklagten veranlaßt wurden, diesen selbst (ebenso Beschluß des OLG Stuttgart 3 U 131/59 vom 21. Januar 1960, NJW 1960, 1161).

Diese Lösung steht auch im Einklang mit den maßgeblichen Erwägungen, die dem Beschluß des Großen Senats des BGH GSZ 2/51 vom 17. Dezember 1951 (BGHZ 4, 229) zugrunde liegen und die sich der erkennende Senat in der zuvor zitierten Entscheidung vom 19. Juni 1969 zu eigen gemacht hat. Danach rechtfertigt sich die Pflicht des Hauptrevisionsklägers, im Falle einer ohne Zustimmung des Gegners wirksamen Rücknahme seines Rechtsmittels, auch die Kosten einer unselbständigen Anschlußrevision zu tragen, aus deren völliger prozessualer Abhängigkeit von dem Schicksal der Hauptrevision. Der Hauptrevisionskläger bestimmt insoweit, als er über sein Rechtsmittel prozessual nach seinem eigenen freien Belieben verfügen kann, zugleich frei über das Schicksal der Anschließung, so daß der Wegfall der unselbständigen Anschlußrevision die unabwendbare Folge der Rücknahme der Hauptrevision ist. Demzufolge ist die Überbürdung der Kosten einer Anschlußrevision auf den Hauptrevisionskläger dann nicht gerechtfertigt, wenn es zur Zurücknahme der Hauptrevision der prozessualen Mitwirkung des Anschlußrevisionsklägers bedarf (Beschluß des BVerwG VIII C 73.66 vom 21. März 1967, BVerwGE 26, 297 [301]). Nicht anders ist es aber anzusehen, wenn der Gegner des Hauptrevisionsklägers - wie im Streitfall der Beklagte - zunächst ebenfalls eine selbständige Revision eingelegt hatte und von dieser später zur unselbständigen Anschlußrevision übergegangen ist. Denn seine ursprüngliche Hauptrevision und seine spätere Anschlußrevision sind in diesem Falle kostenrechtlich als ein einziges Rechtsmittel anzusehen. Daß dieses sein Rechtsmittel durch die Rücknahme der Revision der Klägerin gegenstandslos geworden ist, hat aber seine Ursache darin, daß es vorher durch eine eigene Prozeßhandlung des Beklagten seine Selbständigkeit verloren hatte.

 

Fundstellen

Haufe-Index 69637

BStBl II 1972, 351

BFHE 1972, 286

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