Entscheidungsstichwort (Thema)

NZB, Umsatzsteuerbefreiung nach §4 Nr. 14 UStG; unmittelbare Geltung des Gemeinschaftsrechts

 

Leitsatz (NV)

1. Die Verweisung in §4 Nr. 14 UStG 1980 auf §18 Abs. 1 Nr. 1 EStG bezieht sich nicht nur auf die ähnlichen heilberuflichen Tätigkeiten, sondern beschränkt auch die Steuerfreiheit der Umsätze der genannten Berufe auf ihre freiberufliche Tätigkeit i. S. von §18 Abs. 1 Nr. 1 EStG. Die Verweisung in §4 Nr. 14 UStG 1980 läßt für eine eigenständige umsatzsteuerrechtliche Auslegung dieser Merkmale keinen Raum.

2. Die Frage der Abgrenzung der freiberuflichen Tätigkeit gegenüber der gewerblichen Tätigkeit ist durch die Rechtsprechung hinreichend geklärt.

3. Durch Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs ist geklärt, daß es Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c und g der Richtlinie 77/388/EWG an der für eine Berufbarkeit nötigen Eindeutigkeit fehlt.

 

Normenkette

FGO § 115 Abs. 2 Nrn. 1-2; UStG 1980 § 4 Nr. 14; EStG § 18 Abs. 1 Nr. 1; EWGRL 388/77 Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c, g

 

Verfahrensgang

FG Berlin

 

Tatbestand

Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) ist selbständiger Krankenpfleger. Er betrieb im Streitjahr (1989) eine Pflegestation für Hauskrankenpflege. Er beschäftigte ca. 15 Krankenschwestern bzw. Krankenpfleger, zwei bis drei Arzthelferinnen, fünf bis sechs Pflegehelfer, fünf bis sechs Hauspfleger und sonstige Mitarbeiter. Von der Pflegestation des Klägers aus wurden bis zu 150 Patienten pro Tag betreut. Der Kern der pflegerischen Tätigkeit des Klägers selbst war geringfügig, seine persönliche Tätigkeit bestand hauptsächlich in leitenden und vorbereitenden Funktionen.

Der Kläger unterwarf die Erlöse aus der Pflegestation nicht der Umsatzsteuer. In der Steueranmeldung für 1989 erklärte er lediglich steuerpflichtige Umsätze in Höhe von ... DM aus Lieferungen und sonstigen Leistungen im Rahmen seiner Tätigkeit " ... ". Unter Berücksichtigung von Vorsteuerbeträgen errechnete der Kläger eine Umsatzsteuerschuld in Höhe von ./. 7006,30 DM.

Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt -- FA --) stimmte der Steueranmeldung zunächst zu. Später setzte das FA die Umsatzsteuerschuld des Klägers unter Berücksichtigung der Erlöse aus der Pflegestation mit geändertem Umsatzsteuerbescheid für 1989 vom 22. Mai 1992 auf ... DM fest. Zugleich setzte es Zinsen zur Umsatzsteuer 1989 des Klägers in Höhe von ... DM fest.

Das Finanzgericht (FG) wies die nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage ab. Zur Begründung führte es aus, die Erlöse aus der Pflegestation seien nicht umsatzsteuerfrei nach §4 Nr. 14 des Umsatzsteuergesetzes (UStG 1980). Der Kläger habe seine Tätigkeit als Krankenpfleger gewerblich und nicht freiberuflich betrieben.

Hiergegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde, die auf grundsätzliche Bedeutung und Divergenz gestützt wird.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die Revision ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung oder Divergenz zuzulassen.

1. Nach §115 Abs. 2 Nr. 1 i. V. m. Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ist die Revision zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Es muß sich um eine Rechtsfrage handeln, deren Beantwortung das Interesse der Allgemeinheit an der Fortentwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Die Frage muß aus rechtssystematischen Gründen bedeutsam und für die einheitliche Rechtsanwendung wichtig sein (vgl. Beschluß des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 27. Juni 1985 I B 23/85, BFHE 144, 133, BStBl II 1985, 605).

Keine grundsätzliche Bedeutung hat die Rechtsfrage, wenn die anzufechtende Entscheidung der eindeutigen Rechtslage entspricht und auf den Sachverhalt durch die Rechtsprechung geklärte Rechtsgrundsätze anzuwenden sind (BFH-Beschluß vom 29. Januar 1987 V B 33/85, BFHE 148, 560, BStBl II 1987, 316, m. w. N.). Dies trifft auf den vorliegenden Fall zu. Die Auslegung, mit der das FG die Steuerbefreiung der Umsätze des Klägers versagt hat, ist eindeutig und für eine weitere Klärung, wie sie der Kläger anregt, nicht geeignet.

a) Nach §4 Nr. 14 UStG 1980 sind u. a. die Umsätze aus der Tätigkeit als Krankengymnast oder einer ähnlichen heilberuflichen Tätigkeit i. S. des §18 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) steuerfrei. Der Zusatz "im Sinne des §18 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes" bezieht sich nicht nur auf die ähnlichen heilberuf lichen Tätigkeiten, sondern beschränkt erkennbar auch die Steuerfreiheit der Umsätze der genannten Berufe auf ihre freiberufliche Tätigkeit i. S. von §18 Abs. 1 Nr. 1 EStG. Die Verweisung in §4 Nr. 14 UStG 1980 läßt für eine eigenständige umsatzsteuerrechtliche Auslegung dieser Merkmale keinen Raum (BFH-Beschluß vom 1. Juni 1987 V B 22/86, BFH/NV 1988, 55; BFH-Urteil vom 19. Oktober 1995 IV R 11/95, BFH/NV 1996, 464).

Von dieser Auslegung, die durch den Wortlaut des §4 Nr. 14 UStG 1980 geboten ist, ist der XI. Senat des BFH in seinem Urteil vom 13. Juli 1994 XI R 90/92 (BFHE 176, 63, BStBl II 1995, 84) nicht abgewichen. Das zeigt sich schon darin, daß er sich im Obersatz seiner Entscheidung ausdrücklich auf den Beschluß des V. Senats des BFH in BFH/NV 1988, 55 beruft. Der XI. Senat hält die Umsatzsteuerbefreiung vielmehr lediglich in solchen Fällen für gerechtfertigt, in denen die Voraussetzungen des §18 Abs. 1 Nr. 1 (einschließlich des Satzes 3) EStG vorliegen, die Tätigkeit jedoch wegen einer anderen einkommensteuerrechtlichen Vorschrift (beispielsweise §15 Abs. 3 Nr. 1 EStG) im Bereich der Ertragsteuern als gewerblich anzusehen ist (vgl. BFH in BFH/NV 1996, 464 unter 2.). Eindeutig ist in dieser Hinsicht der Leitsatz der Entscheidung, wonach "die Umsätze einer Personengesellschaft aus einer heilberuflichen Tätigkeit ... auch dann steuerfrei" sind, "wenn die Gesellschaft daneben gewerbliche Leistungen erbringt und ihre Einkünfte deshalb einkommensteuerrechtlich als Einkünfte aus Gewerbebetrieb zu qualifizieren sind".

b) Auch die vom Kläger aufgeworfene Rechtsfrage zur Abgrenzung der freiberuflichen Tätigkeit gegenüber der gewerblichen Tätigkeit ist durch die Rechtsprechung hinreichend geklärt. Wesentliches Merkmal der Abgrenzung ist die unmittelbare, persönliche und individuelle Arbeitsleistung des Freiberuflers (ständige Rechtsprechung, vgl. z. B. BFH-Urteile vom 1. Februar 1990 IV R 140/88, BFHE 159, 535, BStBl II 1990, 507; vom 21. März 1995 XI R 85/93, BFHE 177, 377, BStBl II 1995, 732). Nach §18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG ist ein Angehöriger eines freien Berufs auch dann freiberuflich tätig, wenn er sich der Mithilfe fachlich vorgebildeter Arbeitskräfte bedient; Voraussetzung ist jedoch, daß er aufgrund eigener Fachkenntnisse leitend und eigenverantwortlich tätig wird. Die Mithilfe fachlich vorgebildeter Arbeitskräfte ist für die Freiberuflichkeit des Berufsträgers unschädlich, solange er bei der Erledigung der einzelnen Aufträge leitend und eigenverantwortlich aufgrund eigener Fachkenntnisse tätig ist. Allerdings vermag selbst eine besonders intensive leitende Tätigkeit, zu der u. a. die Organisation des Sach- und Personalbereichs, Arbeitsplanung, Arbeitsverteilung, Aufsicht über Mitarbeiter und deren Anleitung, stichprobenweise Überprüfung der Ergebnisse gehören, die eigenverantwortliche Tätigkeit nicht zu ersetzen. Deren Vorliegen kann nur dann angenommen werden, wenn die persönliche Teilnahme des Berufsträgers an der praktischen Arbeit in ausreichendem Umfang gewährleistet ist. Die Eigenverantwortlichkeit erschöpft sich nicht darin, daß der Berufsträger nach außen die Verantwortung für die ordnungsgemäße Durchführung des einzelnen Auftrags trägt. Die Ausführung jedes einzelnen Auftrags muß vielmehr ihm selbst und nicht den qualifizierten Mitarbeitern, den Hilfskräften, den technischen Hilfsmitteln oder dem Unternehmen als Ganzem zuzurechnen sein (BFH-Urteil in BFHE 177, 377, BStBl II 1995, 732 unter II. 2., m. N.).

c) Die vom Kläger aufgeworfene Frage der unmittelbaren Geltung des Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c und g der Sechsten Richt linie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG) ist durch Rechtsprechung des Senats bereits geklärt und daher nicht von grundsätzlicher Bedeutung i. S. des §115 Abs. 2 Nr. 1 FGO.

Nach der bezeichneten Bestimmung der Richtlinie 77/388/EWG befreien die Mitgliedstaaten bestimmte dem Gemeinwohl dienende Tätigkeiten von der Umsatzsteuer, wie die Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin, die im Rahmen der Ausübung der von dem betroffenen Mitgliedstaat definierten ärztlichen und arztähnlichen Berufe erbracht werden, sowie die eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundenen Dienstleistungen und Lieferungen von Gegenständen, einschließlich derjenigen der Altenheime, durch Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder andere von dem betreffenden Mitgliedstaat als Einrichtungen mit sozialem Charakter anerkannte Einrichtungen.

Der Senat hat in seinem Beschluß vom 16. Dezember 1993 V B 124/93 (BFH/NV 1995, 652) entschieden, daß es der bezeichneten Vorschrift an der für eine Beruf barkeit nötigen Eindeutigkeit fehlt. Der anschließende Hinweis auf die fehlende Verpflichtung zur Einholung einer Vorabentscheidung gemäß §177 Abs. 3 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft im Verfahren über die Aussetzung der Vollziehung hat lediglich klarstellende Bedeutung und ist nicht dahin zu verstehen, der Senat habe Zweifel an der diesbezüglichen Auslegung des Gemeinschaftsrechts und werde in einem geeigneten Revisionsverfahren von der Möglichkeit des Vorabentscheidungsersuchens Gebrauch machen. Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c und g Richtlinie 77/388/EWG kann im Streitfall nicht mit der für eine Berufbarkeit nötigen Eindeutigkeit entnommen werden, bei der vom Kläger ausgeübten Tätigkeit handle es sich um Heil behandlung in der Humanmedizin bzw. die vom Kläger betriebene Pflegestation für Hauskrankenpflege sei als anerkannte Einrichtung mit sozialem Charakter anzusehen oder jedenfalls derartigen Einrichtungen gleichzusetzen.

2. Die vom Kläger geltend gemachte Abweichung der Vorentscheidung (§115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) von dem BFH-Urteil in BFHE 176, 63, BStBl II 1995, 84 liegt, wie oben unter 1. a) dargelegt, nicht vor.

3. Im übrigen ergeht die Entscheidung nach Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs ohne Angabe von Gründen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 66810

BFH/NV 1998, 224

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