Entscheidungsstichwort (Thema)

NZB: Anforderungen an die Rüge bei kumulativer Begründung des Urteils

 

Leitsatz (NV)

Hat das FG das angefochtene Urteil auf mehrere Begründungen gestützt, von denen jede für sich das Entscheidungsergebnis trägt, so ist bereits für die Zulässigkeit der NZB erforderlich, daß für jeden der Gründe ein Zulassungsgrund schlüssig dargelegt wird (ständige Rechtsprechung vgl. BFH- Beschluß vom 1. 7. 1996 VIII B 113/95, BFH/NV 1997, 26 m. w. N.).

Das gilt auch, wenn eine (oder mehrere) Begründungen zur Unzulässigkeit, die andere zur Unbegründetheit der Klage führt. Fehlt es in diesem Fall an einem Zulassungsgrund zur Entscheidung des FG über die Begründetheit der Klage, kommt es darauf, ob zu den Entscheidungsgründen über die Zulässigkeit zulässige und begründete Rügen erhoben worden sind, nicht mehr an.

 

Normenkette

FGO § 115 Abs. 2 Nrn. 2-3, Abs. 3 S. 3

 

Gründe

Die Beschwerde ist unzulässig, weil sie nicht für jede das angefochtene Urteil des Finanzgerichts (FG) tragende Begründung schlüssig einen Zulassungsgrund darlegt (§§ 115 Abs. 2 Nrn. 1 bis 3, 115 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --).

1. Die Revision ist nur zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, das Urteil des FG von einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) abweicht oder auf einem Verfahrensmangel beruht (§ 115 Abs. 2 Nrn. 1 bis 3 FGO). Der Zulassungsgrund muß in der Beschwerdeschrift bezeichnet werden (§ 115 Abs. 3 Satz 3 FGO).

Hat das FG das angefochtene Urteil kumulativ auf mehrere Begründungen gestützt, von denen jede für sich das Entscheidungsergebnis trägt, so genügt es nicht, einen Zulassungsgrund in bezug auf eine Begründung geltend zu machen. In einem solchen Fall ist es bereits zur Zulässigkeit der Nichtzulassungsbeschwerde erforderlich, daß für jeden der Gründe das Vorliegen eines Zulassungsgrundes schlüssig dargelegt wird (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Beschlüsse vom 18. Mai 1994 II B 29/94, BFH/NV 1995, 125; vom 1. Juli 1996 VIII B 113/95, BFH/NV 1997, 26, m. w. N.). Das gilt auch, wenn eine (oder mehrere) Begründungen zur Unzulässigkeit, die andere zur Unbegründetheit der Klage führt (vgl. Beschluß des Bundesarbeitsgerichts -- BAG -- vom 23. Juli 1996 1 ABN 18/96, Der Betrieb -- DB -- 1996, 2136). Beschränkt sich die Beschwerde auf einen Zulassungsgrund hinsichtlich nur einer Begründung, so fehlt es an der Erheblichkeit des Vorbringens, weil die aufgeworfene Rechtsfrage in einem anschließenden Revisionsverfahren nicht geklärt werden könnte, sofern das Urteil auch von einer anderen Begründung getragen wird (vgl. Herrmann, Die Zulassung der Revision und die Nichtzulassungsbeschwerde im Steuerprozeß, Rz. 137, 169, und Beschluß des Bundesverwaltungsgerichts -- BVerwG -- vom 6. September 1979 8 B 35, 37/79, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung -- HFR -- 1981, 186).

2. Die Beschwerde legt nicht für jeden der die Entscheidung des FG tragenden Gründe einen Zulassungsgrund i. S. der §§ 115 Abs. 2 Nrn. 1 bis 3, 115 Abs. 3 Satz 3 FGO dar. Zu berücksichtigen war hier, daß das FG die Klage -- zwar für das Streitjahr 1985 auch wegen fehlenden Antrags nach § 68 FGO -- insgesamt aber für alle Streitjahre deshalb abgewiesen hat, weil es im Erlaß der während des Klageverfahrens vom Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt -- FA --) geänderten Feststellungsbescheide, die zu der von der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) zunächst begehrten Gewinnminderung geführt hatten, ein die Hauptsache erledigendes Ereignis gesehen hat (erster Grund). Diese Auffassung stützte das FG auf die durch Auslegung der Klagebegründung gewonnene Überzeugung, daß die Klägerin ihr Klagebegehren eindeutig auf die Rückgängigmachung der durch die angefochtenen Feststellungsbescheide erfolgten Gewinnerhöhungen begrenzt habe.

Deshalb sah das FG als zweiten Grund, die Klage abzuweisen, den Umstand an, daß die Klägerin nach Erlaß der Änderungsbescheide eine weitere Gewinnminderung begehrt habe. Es hielt diese Klageerweiterung im Hinblick auf die infolge der Begrenzung des Klagebegehrens eingetretene Teilbestandskraft der Gewinnfeststellungsbescheide für unzulässig.

Den dritten Grund für die Unzulässigkeit der Klage sah das FG darin, daß das erweiterte Klagebegehren i. S. des § 65 Abs. 1 Satz 1 FGO nicht hinreichend bestimmt gewesen sei.

Unabhängig davon sei die Klage unbegründet, weil auch bei Berücksichtigung des Mietvertrages zwischen der Klägerin als Besitzgesellschaft und der GmbH als Betriebsgesellschaft in der durch die Zusatzvereinbarung geänderten Fassung keine weitere Gewinnminderung in Betracht käme. Weder sei eine Teilwertabschreibung der Mietforderungen veranlaßt, da die GmbH nicht zahlungsunfähig geworden sei, noch seien die Teilwerte der GmbH-Anteile der Klägerin ohne die Mietverbindlichkeiten unter die Anschaffungskosten gesunken.

Jede dieser Begründungen trägt das Urteil.

In diesem Fall muß die Beschwerde nicht nur für jeden die Entscheidung zur Zulässigkeit tragenden Grund, sondern auch in bezug auf den Entscheidungsgrund der Unbegründetheit des Klageanspruches einen durchgreifenden Zulassungsgrund geltend machen. Denn selbst wenn der Klägerin darin zu folgen wäre, daß die aufgewor fenen Rechtsfragen zur Zulässigkeit der Klageerweiterung von grundsätzlicher Bedeutung seien oder eine Divergenz zur Entscheidung des Großen Senats des BFH vom 23. Oktober 1989 GrS 2/87 (BFHE 159, 4, BStBl II 1990, 327) gegeben sei, ist weitere Voraussetzung, daß das angefochtene Urteil auf dieser Grundsatzfrage beruht, sie also nicht hinweggedacht werden kann, ohne daß das Urteil wegfiele (vgl. BFH-Beschluß vom 2. Mai 1974 IV B 3/74, BFHE 112, 337, BStBl II 1974, 524). Eine Klärung der aufgegriffenen Rechtsfrage(n) zur Zulässigkeit der Klage ist nämlich im Revisionsverfahren nicht zu erwarten, wenn die Vorinstanz die Klage zusätzlich als unbegründet abgewiesen hat und für den Entscheidungsgrund der Unbegründetheit ein selbständiger Grund für die Zulassung der Revision nicht schlüssig dargelegt ist (vgl. dazu BAG-Beschluß in DB 1996, 2136, sowie BFH-Beschluß in BFH/NV 1995, 125).

Danach kann es im Streitfall offenbleiben, ob die Beschwerde für eine die Entscheidung des FG zur Frage der Zulässigkeit der Klage tragende Begründung einen Zulassungsgrund geltend gemacht hat, weil zu den Ausführungen zur Unbegründetheit des Klageanspruches eine schlüssige Rüge i. S. der §§ 115 Abs. 2 Nrn. 1 bis 3, 115 Abs. 3 Satz 3 FGO nicht erhoben worden ist.

Der behauptete Verfahrensmangel ist nicht hinreichend bezeichnet (§ 115 Abs. 3 Satz 3 FGO).

Die Rüge, das FG habe einen mit Schriftsatz vom 3. November 1995 gestellten weiteren Beweisantrag übergangen, greift schon deshalb nicht durch, weil die Bezeichnung des Verfahrensmangels (hier: Verletzung der Pflicht zur Sachaufklärung § 76 Abs. 1 Nr. 3 FGO) i. V. m. § 115 Abs. 2 den formellen Anforderungen des § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO nicht genügt. Dazu hätte die Klägerin u. a. darlegen müssen, welche aufklärungsbedürftigen Tatsachen unaufgeklärt geblieben sein sollen, welches von ihr angebotene Beweismittel das FG nicht beachtet hat, aus welchen Gründen sich dem FG diese (weitere) Beweiserhebung -- auch ohne besondere Bezeichnung eines konkreten Beweismittels -- als erforderlich hätte aufdrängen müssen, inwieweit die als unterlassen gerügte Beweiserhebung zu einer anderen Entscheidung durch das FG hätte führen können (vgl. BFH-Beschluß vom 26. März 1993 III S 42/92, BFHE 171, 164, BStBl II 1993, 723, m. w. N.) und schließlich, warum die Klägerin -- obwohl von einem Prozeßbevollmächtigten vertreten, derartige konkrete Beweise nicht von sich aus angeboten hat (vgl. BFH- Beschluß vom 5. Mai 1995 VIII B 159/94, BFH/NV 1996, 214). Dem genügt die Beschwerdeschrift nicht. Sie bezeichnet ebensowenig wie der angegebene Schriftsatz vom 3. November 1995 ein konkretes Beweismittel noch legt sie dar, warum sich dem FG, dem die Jahresabschlüsse der GmbH bis zum Jahre 1992 vorgelegen haben, zum Wert der GmbH-Anteile eine weitere Beweiserhebung oder bestimmte weitere Ermittlungen hätten aufdrängen müssen.

Soweit ausgeführt wird, die Mietforderungen der Klägerin gegen die GmbH seien trotz der erfolgten Teilwertabschreibung der GmbH-Anteile nicht anzusetzen gewesen, wird ein materiell-rechtlicher Fehler geltend gemacht.

Die Divergenzrüge ist nicht ordnungsgemäß erhoben (§ 115 Abs. 3 Satz 3 FGO). Mit der Behauptung, das FG weiche in den Entscheidungsgründen zur Begründetheit des Klageanspruches von mehreren zitierten BFH-Entscheidungen ab, weil es die Zusatzvereinbarung (zum Mietvertrag zwischen der Klägerin und der GmbH) nicht anerkannt habe, ist die Divergenz nicht schlüssig bezeichnet. Hierzu hätte die Klägerin in der Beschwerdebegründung abstrakte Rechtssätze im angefochtenen Urteil und in den angeführten Entscheidungen des BFH so genau bezeichnen müssen, daß die Abweichung erkennbar wird (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Beschlüsse vom 30. März 1983 I B 9/83, BFHE 138, 152, BStBl II 1983, 479, und vom 28. April 1994 X B 313/93, BFH/NV 1995, 124). Daran fehlt es im Streitfall. Die Klägerin hat lediglich mehrere Entscheidungen des BFH genannt, von denen das FG abgewichen sein soll, und unterstellt im übrigen sowohl einen Sachverhalt als auch Rechtsausführungen in den Entscheidungsgründen des FG, die das angefochtene Urteil gar nicht enthält.

Weitere Zulassungsgründe gegen die Ausführungen des FG zur materiell-rechtlichen Würdigung des Klageanspruches hat die Klägerin innerhalb der Beschwerdefrist nicht vorgetragen. Rügen i. S. des § 115 Abs. 2 Nrn. 1 bis 3 FGO, die nach Ablauf der nicht verlängerungsfähigen Beschwerdefrist (nämlich mit Schriftsatz vom 12. Januar und 4. April 1996) und damit verspätet vorgebracht worden sind, können in die Prüfung nicht einbezogen werden (vgl. BFH-Beschluß vom 17. Februar 1994 VIII B 116/93, BFH/NV 1995, 119).

Fehlt es damit an einem -- schlüssig dargelegten -- Zulassungsgrund zur Entscheidung des FG über die Begründetheit der Klage, kommt es darauf, ob zu den Entscheidungsgründen, die die Zulässigkeit der Klage berühren, möglicherweise zulässige und begründete Rügen i. S. des § 115 Abs. 2 Nrn. 1 bis 3 FGO erhoben worden sind, nicht mehr an. Voraussetzung für die Zulassung der Revision ist stets, daß die angefochtene Entscheidung auf dem mit zulässiger Rüge i. S. des § 115 Abs. 2 Nrn. 1 bis 3 FGO angegriffenem Entscheidungsgrund beruht, bei dessen Beseitigung also das Urteil keinen Bestand mehr haben könnte. Das ist nicht der Fall, wenn bei Wegfall einer Begründung des angefochtenen Urteils noch eine (oder mehrere), das Entscheidungsergebnis tragende Begründungen vorhanden sind, hinsichtlich derer die Voraussetzungen der Zulassung einer Revision nicht vorliegen (vgl. BFHE 112, 337, BStBl II 1974, 524).

Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluß nicht (Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs).

 

Fundstellen

Haufe-Index 421982

BFH/NV 1997, 500

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