Entscheidungsstichwort (Thema)

PKH in Schätzungssachen; mutwillige Prozeßführung

 

Leitsatz (NV)

1. Auch wenn das FA die Besteuerungsgrundlagen geschätzt hat, hat das FG bei einem Antrag auf PKH anhand des konkreten Streitstoffs und der vorhandenen Unterlagen die Erfolgsaussichten für eine beabsichtigte Rechtsverfolgung zu prüfen. Der Antragsteller muß die hinreichende Erfolgsaussicht anhand konkret zu bezeichnender und darzulegender Tatsachen schlüssig aufzeigen und Unterlagen vorlegen.

2. Mutwillig ist die Rechtsverfolgung dann, wenn der Kläger seinen Prozeßbevollmächtigten auch im Klageverfahren nicht in den Stand setzt, die Klage substantiiert zu begründen oder trotz Aufforderung des Gerichts nach § 79 b FGO nicht die Tatsachen angibt, durch deren Berücksichtigung oder Nichtberücksichtigung er sich beschwert fühlt.

 

Normenkette

FGO §§ 79b, 142; ZPO § 114

 

Tatbestand

Der Kläger, Antragsteller und Beschwerdeführer (Kläger) ist als ... selbständig tätig. Nach einer Außenprüfung erhöhte der Beklagte (das Finanzamt -- FA --) die Einkommen- und Umsatzsteuer für die Streitjahre (1983 bis 1985), weil der Kläger die Aufzeichnungen nicht ordnungsgemäß geführt und die Betriebseinnahmen nicht vollständig erfaßt hatte; auch konnte er seine Betriebsausgaben nur teilweise durch Belege nachweisen. Darüber hinaus hatte der Kläger keine Angaben zu seinen privaten Konten und Sparkonten sowie den privat aufgenommenen Darlehen gemacht, so daß die Herkunft der Mittel für den Lebensunterhalt vor allem in den Jahren 1984 und 1985 unklar blieb. Der gegen die Steuerbescheide gerichtete Einspruch blieb mangels weiterer Begründung erfolglos.

Mit der Klage verfolgte der Kläger sein Begehren weiter. Die Klage ist zunächst nicht begründet worden. Der Prozeßbevollmächtigte hat das ihm vom Kläger erteilte Mandat mit der Begründung niedergelegt, der Kläger habe ihn seit Jahren trotz wiederholter Aufforderungen nicht in die Lage versetzt, die Klage über den bisherigen Vortrag hinaus substantiiert zu begründen. Der Berichterstatter hatte diesem zuvor gemäß § 79 b Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) eine Frist zum Vortrag der entscheidungserheblichen Tatsachen bis zum 30. November 1994 gesetzt. Mit der vom Kläger selbst -- am 9. Dezember 1994 -- eingereichten Klagebegründung wiederholte dieser sein Vorbringen aus dem Einspruchsverfahren und kündigte die Vorlage von weiteren Unterlagen und Belegen an; weiter erklärte er, nicht über Sparguthaben zu verfügen.

Durch Beschluß vom 24. Mai 1995 wies das Finanzgericht (FG) den Antrag des Klägers auf Prozeßkostenhilfe (PKH) für das Klageverfahren wegen Einkommen- und Umsatzsteuer 1983 bis 1985 als unbegründet zurück, weil die erhobene Klage mangels Vorlage der angekündigten Belege und Unterlagen keine Aussicht auf Erfolg verspreche und zudem mutwillig erscheine.

Dagegen richtet sich die Beschwerde. Die angekündigte Begründung ist nicht eingegangen. Inzwischen haben die Prozeßbevollmächtigten des Klägers das Mandat niedergelegt.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde ist unbegründet.

Nach § 142 FGO i. V. m. § 114 der Zivilprozeßordnung (ZPO) erhält ein Prozeßbeteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozeßführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.

Eine beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet hinreichende Aussicht auf Erfolg, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt des Antragstellers aufgrund dessen Sachdarstellung und der vorhandenen Unterlagen für zutreffend oder zumindest für vertretbar hält und in tatsächlicher Hinsicht von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist und deshalb bei summarischer Prüfung für den Eintritt des angestrebten Erfolges eine gewisse Wahrscheinlichkeit besteht (Beschlüsse des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 16. Dezember 1986 VIII B 115/86, BFHE 148, 215, BStBl II 1987, 217, und vom 17. Februar 1994 VII B 168/93, BFH/NV 1994, 603). Doch dürfen dabei nach der ständigen Rechtsprechung des BFH die Anforderungen an die Erfolgsaussichten nicht überspannt werden, weil das PKH- Verfahren sicherstellen soll, daß der grundrechtlich gesicherte Rechtsschutz für jedermann zugänglich ist. Deshalb darf im Rahmen des PKH-Verfahrens die Entscheidung des Klageverfahrens nicht vorweggenommen werden und bei der Abwägung der für und gegen einen Erfolg der Klage sprechenden Umstände keine abschließende Prüfung vorgenommen werden (BFH-Beschlüsse vom 25. März 1986 III B 5--6/86, BFHE 146, 223, BStBl II 1986, 526; vom 7. Oktober 1991 XI B 37, 40--43/91, BFH/NV 1992, 192, sowie in BFH/NV 1994, 603). Das gilt auch für den Fall, daß das FA die Besteuerungsgrundlagen geschätzt hat (vgl. z. B. BFH-Beschlüsse vom 29. September 1994 VI B 3/94, BFH/NV 1995, 153, und vom 6. Februar 1991 X B 184/90, BFH/NV 1991, 405). Aufgabe des Gerichts ist es jedoch, anhand des konkreten Streitstoffs und der vorhandenen Unterlagen darüber zu befinden, ob bei der gebotenen summarischen Prüfung eine gewisse Wahrscheinlichkeit für ein Obsiegen besteht; eine unzulässige Beweisantizipation ist das nicht (BFH-Beschluß vom 30. August 1994 VII B 71/94, BFH/NV 1996, 375). § 117 Abs. 1 Satz 2 ZPO macht es nämlich dem Antragsteller zur Pflicht, die hinreichende Erfolgsaussicht anhand konkret zu bezeichnender und darzulegender Tatsachen schlüssig und substantiiert aufzuzeigen (BFH-Beschlüsse vom 26. April 1993 VI B 162/92, BFH/NV 1993, 682; vom 23. Juni 1994 XI B 74/93, BFH/NV 1995, 151; vom 19. Oktober 1995 VII B 118/95, BFH/NV 1996, 291, und vom 25. Januar 1996 III B 130/94, BFH/NV 1996, 779). Dazu gehört auch die Vorlage von Unter lagen, weil der Steuerpflichtige bei der Aufklärung des Sachverhalts durch das FG mitwirken muß (BFH-Beschluß vom 5. Februar 1993 VIII B 103/92, BFH/NV 1993, 351).

Nach diesen Grundsätzen hat das FG im Streitfall zu Recht die Gewährung von PKH versagt. Der Kläger hat zwar mit dem Schriftsatz vom 9. Dezember 1994 -- nach Ablauf der gesetzten Frist -- vorgetragen, warum nach seiner Auffassung die Feststellungen des FA nicht zuträfen. Er hat aber -- wie schon zuvor im Festsetzungsverfahren -- das angekündigte umfangreiche Material zur Entkräftung der Feststellungen des FA im Klageverfahren nicht vorgelegt. Dem ist er auch im Beschwerdeverfahren nicht nachgekommen und hat auch nicht in anderer Weise an der Aufklärung des Sachverhalts mitgewirkt.

Dem FG ist auch darin zuzustimmen, daß die beabsichtigte Rechtsverfolgung mutwillig ist. Denn mutwillig i. S. von § 114 ZPO handelt ein Beteiligter dann, wenn ein nicht Hilfsbedürftiger seine Rechte nicht in gleicher Weise verfolgen würde oder wenn der verfolgte Zweck auf einfachere, billigere Weise erreicht werden könnte (Senatsbeschluß vom 13. Juni 1988 IV B 114/86, BFH/NV 1988, 804, sowie BFH-Beschluß vom 17. Juli 1989 X B 39/89, BFH/NV 1990, 551, jeweils m. w. N.). Damit wird allein auf innerprozessuales Verhalten abgestellt, d. h. auf die Situation, in der sich der Rechtssuchende im Zeitpunkt der Klageerhebung befindet (Senatsbeschluß a. a. O.). Für die Berücksichtigung zurückliegender Umstände, die zu dieser Situation geführt haben, ist dabei grundsätzlich kein Raum (BFH-Beschluß vom 10. Januar 1994 XI B 65/93, BFH/NV 1995, 429). Deshalb reicht für die Versagung der PKH regelmäßig nicht aus, daß ein Kläger im Steuerfestsetzungsverfahren seine Mitwirkungspflicht gegenüber dem FA nicht erfüllt und die notwendigen Belege und Unterlagen diesem nicht eingereicht hat (Senatsbeschluß a. a. O.). Ob das auch gilt, wenn er im Steuerfestsetzungsverfahren sich dieser Pflicht hartnäckig verweigert (so BFH-Beschluß vom 5. November 1992 X B 167/92, BFH/NV 1993, 324) oder unter Berufung auf ein angebliches Widerstandsrecht die Pflicht zur Abgabe einer Steuererklärung leugnet (BFH-Beschluß vom 19. Dezember 1990 V S 5/89, BFH/NV 1991, 702), kann hier dahinstehen. Denn zu Recht hat das FG im Streitfall darauf abgestellt, daß der Kläger seinen Prozeßbevollmächtigten auch im Klageverfahren nicht in den Stand versetzt hat, die Klage substantiiert zu begründen. Hinzu kommt, daß der Kläger der Aufforderung des Berichterstatters nach § 79 b FGO, die Tatsachen anzugeben, durch deren Berücksichtigung oder Nichtberücksichtigung er sich beschwert fühle, nicht binnen der gesetzten Frist nachgekommen ist. Ein verständiger, nicht hilfsbedürftiger Rechtsuchender hätte eine solche Aufforderung rechtzeitig befolgt oder hätte eine Fristverlängerung beantragt und die dafür sprechenden Gründe dargelegt und glaubhaft gemacht.

 

Fundstellen

Haufe-Index 421620

BFH/NV 1997, 58

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