Entscheidungsstichwort (Thema)

Gegenstand der freigebigen Zuwendung bei der Übertragung eines Grundstücks

 

Leitsatz (NV)

Kommt das Finanzgericht aufgrund der ihm obliegenden Würdigung des Sachverhalts zu dem Ergebnis, daß Gegenstand der freigebigen Zuwendungen aufgrund eines zwischen dem Schenker, dem Beschenkten und dem Käufer des Grundstücks abgeschlossenen Vertrages nicht das Grundstück sondern die Kaufpreisforderung des Beschenkten gegen den Käufer sei, weil der Beschenkte trotz der Einigung mit dem Schenker über den Eigentumsübergang und der Bewilligung der Eigentumsumschreibung im Grundbuch im Verhältnis zum Schenker nicht frei über das Grundstück verfügen konnte, weil er wegen der - gleichzeitig in derselben Urkunde getroffenen - Vereinbarungen mit dem Käufer hieran gehindert war, so liegt darin keine Abweichung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO von dem BFH-Urteil vom 26.9. 1990 II R 150/88 (BFHE 163, 214, BStBl II 1991, 320).

 

Normenkette

ErbStG 1974 § 7 Abs. 1 Nr. 1, § 12 Abs. 2

 

Verfahrensgang

Hessisches FG

 

Tatbestand

Herr O übertrug durch notariell beurkundeten Vertrag vom ... 1989 sein Hausgrundstück im Wege der vorweggenommenen Erbfolge je zur Hälfte auf seine Tochter, die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin), und auf deren Sohn. Die Vertragsparteien einigten sich in dem Vertrag über den Eigentumsübergang und bewilligten die Eigentumsumschreibung. Besitz, Gefahr, Nutzungen und Lasten sollten mit Vertragsabschluß auf die Bedachten übergehen. In derselben Urkunde verkauften sodann die Klägerin und ihr Sohn ihre Miteigentumsanteile von je 1/2 für insgesamt 270000 DM an Frau P. Der Kaufpreis war fällig am 1. Januar 1990. Die Klägerin und ihr Sohn erklärten die Auflassung des Grundstücks, bewilligten die Eigentumsumschreibung auf die Käuferin und beantragten die Eintragung einer Auflassungsvormerkung. Besitz, Gefahr, Nutzungen und Lasten sollten zum 1. Januar 1990 auf die Käuferin übergehen. Der Vertrag wurde vereinbarungsgemäß durchgeführt. Frau P wurde ohne Zwischeneintragung der Klägerin und ihres Sohnes als neue Grundstückseigentümerin im Grundbuch eingetragen.

Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt - FA -) setzte durch Bescheid vom 20. März 1990 gegen die Klägerin Schenkungsteuer fest, wobei es als Wert der Schenkung den auf die Klägerin entfallenden Anteil am Kaufpreis mit dem Nennwert der Forderung zugrunde legte.

Die Klage, mit der die Klägerin die Aufhebung des Schenkungsteuerbescheides verfolgte, weil nach ihrer Auffassung Gegenstand der Schenkung nicht die anteilige Kaufpreisforderung, sondern der nach dem Einheitswert zu bewertende Miteigentumsanteil an dem Grundstück sei, hatte keinen Erfolg. Zur Begründung der Klageabweisung führte das Finanzgericht (FG) im wesentlichen aus: Gegenstand einer freigebigen Zuwendung sei dasjenige, was aufgrund der Vermögensverfügung des Schenkers unmittelbar oder mittelbar so in die Verfügungsgewalt des Zuwendungsempfängers übergehe, daß dieser darüber im Verhältnis zum Schenker rechtlich und tatsächlich frei verfügen könne. Danach habe das FA als Gegenstand der Zuwendung zu Recht nicht das Grundstück, sondern die Forderung der Klägerin auf die Hälfte des Veräußerungserlöses als Gegenstand der Zuwendung angesehen. Zwar hätten sich die Beteiligten in dem Vertrag vom ... 1989 dahin geeinigt, daß Herr O sein Grundstück unentgeltlich je zur Hälfte auf die Klägerin und ihren Sohn übertragen solle. Auch habe sich Herr O mit den Bedachten bereits über den Eigentumsübergang geeinigt und deren Eintragung als Eigentümer bewilligt. Der in der notariellen Urkunde vom ... 1989 enthaltene Schenkungsvertrag bilde jedoch eine untrennbare Einheit mit dem in derselben Urkunde protokollierten Kaufvertrag, durch den sich die Klägerin und ihr Sohn verpflichteten, das Grundstück an Frau P zu verkaufen. Auch insoweit hätten sich die Vertragsparteien zugleich über den Eigentumsübergang geeinigt. Zur Sicherung des Übereignungsanspruchs der Käuferin sei darüber hinaus noch eine Auflassungsvormerkung beantragt und bewilligt worden. Aus diesen Vereinbarungen ergebe sich, daß die Klägerin und ihr Sohn keinerlei Verfügungsgewalt über das Grundstück erlangt hätten. Mit dieser Beurteilung befinde sich das FG in Übereinstimmung mit dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 6. März 1985 II R 114/82 (BFHE 143, 287, BStBl II 1985, 380). Dort habe der BFH als Gegenstand der Zuwendung nicht das Grundstück, sondern den Anteil der Bedachten am Kaufpreis für den Fall angenommen, daß sich die Schenkerin zur unentgeltlichen Übertragung von Miteigentumsanteilen verpflichtet und sodann gemeinsam mit den Bedachten in derselben Vertragsurkunde die Grundstücke an einen Dritten verkaufe. Zu Unrecht sehe die Klägerin einen entscheidenden Unterschied zum Streitfall darin, daß es im Streitfall nicht nur zum Abschluß eines Schenkungsvertrages, sondern auch zur Auflassung gekommen sei. Die Auflassung ändere nichts daran, daß die Klägerin und ihr Sohn durch den zugleich mit dem Schenkungsvertrag abgeschlossenen Kaufvertrag mit schuldrechtlicher und durch die Auflassungsvormerkung mit dinglicher Wirkung gehindert gewesen seien, über das Grundstück zu verfügen.

Mit der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revsion beruft sich die Klägerin auf den Zulassungsgrund der Divergenz (§ 115 Abs. 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Die Vorentscheidung beruhe, so führt die Klägerin aus, auf der Auffassung des FG, daß die Klägerin nach den getroffenen Vereinbarungen keinerlei Verfügungsgewalt über das Grundstück erlangt habe. Damit weiche das FG von dem Urteil des BFH vom 26. September 1990 II R 150/88 (BFHE 163, 214, BStBl II 1991, 320) ab. Dort habe der BFH ausgeführt, daß mit der Auflassung an den Beschenkten und der Bewilligung der Eintragung in das Grundbuch der Schenker alles zur Bewirkung der Leistung Erforderliche getan habe. Es sei damit die erforderliche Vermögensverschiebung eingetreten. Der Beschenkte könne seinerseits jederzeit die Eintragung im Grundbuch als Eigentümer beantragen und damit den Eintritt der dinglichen Rechtsänderung herbeiführen. Darüber hinaus könne er bereits vorher über die durch Rechtsgeschäft für ihn begründeten Rechte verfügen, insbesondere an einen Dritten weiter auflassen. Hätte das FG diese Rechtsausführungen beachtet, hätte es nicht zu dem Ergebnis kommen können, daß die Klägerin über den geschenkten Grundstücksanteil nicht hätte verfügen können. Es hätte vielmehr urteilen müssen, daß sie mit dem Verkauf und der Auflassung an den Käufer tatsächlich über das Grundstück verfügt hat. In diesem Fall hätte es zu dem Ergebnis kommen müssen, daß eine Grundstücksschenkung erfolgt sei.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde ist unbegründet.

Eine Abweichung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO liegt vor, wenn das FG in einer Rechtsfrage eine andere Auffassung vertritt als der BFH (BFH-Beschluß vom 20. Februar 1980 II B 26/79, BFHE 129, 313, BStBl II 1980, 211). Das FG muß seiner Entscheidung einen abstrakten Rechtssatz zugrunde gelegt haben, der mit den tragenden Erwägungen, dem Rechtssatz einer Entscheidung des BFH nicht übereinstimmt (BFH-Beschluß vom 30. März 1983 I B 9/83, BFHE 138, 152, BStBl II 1983, 479; Kühn/Kutter/Hofmann, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 16. Aufl., § 115 FGO, Bemerkung 4b).

Diese Voraussetzung ist im Streitfall nicht erfüllt. Das FG hat seiner Entscheidung nicht die Auffassung zugrunde gelegt, daß Auflassung und Eintragungsbewilligung, entgegen dem BFH-Urteil in BFHE 163, 214, BStBl II 1991, 320, die für eine freigebige Zuwendung erforderliche Vermögensverschiebung nicht begründen könnten. Vielmehr ist das FG ausdrücklich davon ausgegangen, daß dies möglich sei. Es ist zu seiner - klageabweisenden - Entscheidung nur deshalb gekommen, weil es angenommen hat, daß trotz der Einigung der Parteien über den Eigentumsübergang und der Bewilligung der Eigentumsumschreibung im Grundbuch die Klägerin im Verhältnis zum Schenker nicht frei über das Grundstück verfügen konnte, weil sie wegen der weiteren Vereinbarungen in dem Vertrag vom ... 1989 mit der Käuferin des Grundstücks hieran gehindert war. Auch insoweit entspricht der rechtliche Ausgangspunkt der Rechtsprechung des Senats, wie sie insbesondere auch im Urteil in BFHE 163, 214, BStBl II 1991, 320 vertreten wird. Ob die vom FG vorgenommene Würdigung des Sachverhalts zutreffend war, ist für die Entscheidung über die Zulassung der Revision wegen Divergenz ohne Belang. Verfahrensmängel, insbesondere im Hinblick auf die Ermittlung des für die Entscheidung erheblichen Sachverhalts, die zu einer Zulassung der Revision gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO hätten führen können, hat die Klägerin nicht geltend gemacht.

 

Fundstellen

Haufe-Index 419261

BFH/NV 1994, 102

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