Entscheidungsstichwort (Thema)

NZB neben Antrag auf nachträgliche Urteilsergänzung

 

Leitsatz (NV)

Hat das Gericht über einen Klageantrag ganz oder teilweise nicht entschieden, so kann der Beteiligte sowohl nachträgliche Ergänzung des Urteils beantragen als auch Nichtzulassungsbeschwerde einlegen, wenn nicht erkennbar ist, in welchem der Verfahren der Verfahrensfehler des FG behoben werden kann.

 

Normenkette

FGO §§ 109, 115 Abs. 2 Nr. 3, § 119 Nr. 6, § 138

 

Verfahrensgang

FG des Landes Sachsen-Anhalt (Urteil vom 15.02.2005; Aktenzeichen 4 K 396/02)

 

Tatbestand

I. Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) erhoben Klage vor dem Finanzgericht (FG) mit dem Antrag, den Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt --FA--) zu verpflichten, Eigenheimzulage ab 1997 in Höhe von jährlich 2 556 € festzusetzen. Das FG wies die Klage ab, weil es nicht überzeugt war, dass die Kläger das von ihnen errichtete Einfamilienhaus schon 1997 genutzt hatten. Zu den Folgejahren trifft das Urteil in den Entscheidungsgründen keine Aussage. Die Kläger beantragten beim FG, das Urteil gemäß § 109 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zu ergänzen, weil das FG nicht über den restlichen Förderzeitraum ab 1998 entschieden habe, und legten zugleich Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesfinanzhof (BFH) ein. Nachdem das FG mitgeteilt hatte, es beabsichtige dem Antrag auf Urteilsergänzung nachzukommen, und sodann in mehreren Hinweisschreiben die Voraussetzungen eines Anspruchs der Kläger auf Eigenheimzulage ab 1998 erörtert hatte, setzte das FA für die Jahre 1998 bis 2004 Eigenheimzulage von jährlich 2 783,98 € fest.

Die Kläger erklärten daraufhin den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt.

Das FA widerspricht der Erledigungserklärung der Kläger und beantragt, die Nichtzulassungsbeschwerde als unzulässig zu verwerfen.

 

Entscheidungsgründe

II. Der Rechtsstreit ist in der Hauptsache erledigt. Das FA hat für den restlichen Förderzeitraum ab 1998 antragsgemäß Eigenheimzulage festgesetzt und die Kläger insoweit klaglos gestellt; die Kläger haben daraufhin den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt.

1. Die Abgabe von Erledigungserklärungen über die Hauptsache ist auch während des Verfahrens über eine Nichtzulassungsbeschwerde zulässig. Eine verfahrensrechtliche Wirkung kommt derartigen Erklärungen jedoch nur zu, wenn das Rechtsmittel statthaft und zulässig ist (Beschlüsse des BFH vom 26. Januar 1971 VII B 137/69, BFHE 101, 209, BStBl II 1971, 306; vom 8. September 1999 VII B 84/99, BFH/NV 2000, 571, m.w.N.). Nur unter dieser Voraussetzung kann der BFH bei einer einseitigen Erledigungserklärung die sachliche Prüfung vornehmen, ob tatsächlich die Erledigung der Hauptsache eingetreten ist (Beschluss in BFH/NV 2000, 571).

a) Die Nichtzulassungsbeschwerde war im Streitfall nicht deshalb unzulässig, weil die Kläger zugleich gemäß § 109 FGO beim FG die Ergänzung der Vorentscheidung beantragt hatten. Es entspricht den Anforderungen einer sorgfältigen Prozessführung, vorsorglich beide Verfahren nebeneinander zu betreiben, weil in aller Regel ohne weitere Sachverhaltsaufklärung nicht erkennbar ist, in welchem der Verfahren der Verfahrensfehler des FG behoben werden kann. Dementsprechend ist anerkannt, dass in Zweifelsfällen der Beteiligte sowohl den Antrag nach § 109 FGO stellen als auch das vorgesehene Rechtsmittel einlegen kann (Beschluss des BFH vom 18. April 1991 VIII R 82-83/89, BFH/NV 1992, 670; Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, § 109 FGO Rz. 7, m.w.N.). Ein solcher Zweifelsfall ist in Fällen der vorliegenden Art regelmäßig gegeben. Ein Antrag wird nämlich nur dann als "übergangen" i.S. von § 109 FGO angesehen, wenn er versehentlich unberücksichtigt geblieben ist, nicht aber, wenn er rechtsirrtümlich nicht behandelt oder abgelehnt oder fehlerhaft ausgelegt wurde (Gräber/ von Groll, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl. 2002, § 109 Rz. 2, m.w.N.). Der betroffene Prozessbeteiligte ist aber in aller Regel außerstande, zu ermessen, ob die Tatsache, dass das Gericht über seinen Antrag ganz oder teilweise nicht entschieden hat, auf einem richterlichen Flüchtigkeitsfehler, einem Rechtsirrtum oder falscher Auslegung des Antrags beruht.

b) Die Nichtzulassungsbeschwerde war auch im Übrigen zulässig. Dass die Kläger die Begründungsfrist gemäß § 116 Abs. 3 FGO versäumt haben, beruht, wie sie schlüssig dargelegt haben, auf einem Büroversehen, so dass den Klägern gemäß § 56 FGO antragsgemäß Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren ist. Die nach § 56 Abs. 2 Satz 3 FGO nachgeholte Beschwerdebegründung genügt auch den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO. Der Hinweis auf den gemäß § 109 FGO gestellten Antrag auf Ergänzung des Urteils lässt hinreichend deutlich erkennen, dass die Vorentscheidung in einem wesentlichen Punkt nicht mit Gründen versehen war, so dass als Zulassungsgrund offensichtlich ein Verfahrensfehler gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 3, § 119 Nr. 6 FGO geltend gemacht wird.

2. Da die Kläger den Rechtsstreit insgesamt für erledigt erklärt haben und das FA ab 1998 Eigenheimzulage festgesetzt hat, ist die Erledigung der Hauptsache festzustellen. Das Urteil des FG ist für gegenstandslos zu erklären.

3. Bei der einheitlich zu treffenden Kostenentscheidung ist zu berücksichtigen, dass die Kosten den Beteiligten zur Last fallen, soweit sie im Ergebnis unterlegen sind (Beschluss des BFH vom 10. November 1999 VI B 388/98, BFH/NV 2000, 721). Im Streitfall hat das FA im Ergebnis für sieben Jahre des achtjährigen Förderzeitraums (§ 3 des Eigenheimzulagengesetzes) Eigenheimzulage festgesetzt. Für diesen Teil der Hauptsache hat es die Kosten des Klageverfahrens gemäß § 138 Abs. 2 FGO zu tragen. Den Klägern, die mit 1/8 des Klagebegehrens unterlegen sind, fallen insoweit die Kosten des Klageverfahrens zur Last. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat gemäß § 135 Abs. 1 FGO das FA zu tragen, weil sich die Nichtzulassungsbeschwerde nach ihrem Rechtsschutzziel lediglich auf den Förderzeitraum ab 1998 bezogen hat.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1496299

BFH/NV 2006, 1120

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